[SFB_disko] Autonomes Seminar an der Humboldt-Univeersität-Forum Neue Biopolitik

wolfgang ratzel wolfgang.ratzel at arcor.de
Die Jun 21 17:53:38 CEST 2005


Autonomes Seminar an der Humboldt-Universität zu Berlin -
Forum "Neue BioPolitik"
Informationen über: Tel. 030 / 42857090 - biopolitik at arcor.de

Einladung zum Vortrag mit Diskussion:

Fragestellung: Welche inhaltliche Bedeutung hat der Begriff des 
Gemeinwohls und welche Strategie muss ein 'Bündnis für Neue 
Gemeinwohlpolitik' verfolgen?

Im Rahmen dieser Fragestellung besprechen wir:
Carl Schmitt: Der Begriff des Politischen

Donnerstag, 23. Juni 2005, 18-20 Uhr
Seminargebäude der Humboldt-Universität, Invalidenstr. 110, Raum 293

ŠŠŠŠŠŠŠŠŠŠ.
Rückblick:
Die Erkenntnisse der beiden vorangegangenen 
Gemeinwohl-Veranstaltungen lassen sich wie folgt zusammenfassen:

1. Moderne Biopolitik ist inhaltlich Gemeinwohlpolitik.
Michel Foucault fasst Biopolitik als eine Machttechnologie, die ab 
dem 17.Jahrhundert entstand und als ein Bündel von 
Regulationsmechanismen beschrieben werden kann, die insgesamt dazu da 
sind, die Kräfte einer gegebenen Bevölkerung zu steigern und 
abzuschöpfen. Die althergebrachten Disziplinarmechanismen haben sich 
jedoch nicht aufgelöst, sondern sind in den Funktionskreislaufs der 
neuen Machttechnologie eingegangen.
Biopolitik bezeichnet somit eine Bevölkerungspolitik, die das Leben 
zu optimieren versucht und im Vollzug dieser Optimierung alle 
Dynamiken ausschalten will, die die Entfaltung des Lebens behindert - 
kurz gefasst: Biopolitik verfolgt immer zwei Zwecke: 'Leben machen 
und Sterben lassen', wobei das 'Sterben lassen' im Dienst der 
Entfaltung des Lebens steht.
Das, was das Leben der Bevölkerung im Ganzen steigert, kann 
inhaltlich als 'Gemeinwohl' bezeichnet werden. Wer aber an der 
Steigerung des Gemeinwohls arbeitet, muss zwangsläufig das benennen, 
aufhalten und deaktivieren wollen, was die Entfaltung des Gemeinwohls 
behindert oder gar verhindert.

2. Jede gemeinwohlorientierte Politik muss unmittelbar staatsbildend sein.
'Unmittelbar staatsbildend' heißt: Eine gemeinwohlorientierte Politik 
muss in ihrem alltäglichen Vollzug jene staatliche Strukturen, die 
sich der Entfaltung des Gemeinwohls verpflichtet fühlen, verteidigen, 
erhalten und bilden. Denn nur der Staat kann Sachwalter des 
Gemeinwohls sein. Eine Teil-Organisation kann immer nur Sachwalterin 
von Teilinteressen sein. (Hier gilt der Satz von Baruch de Spinoza: 
"Omnis determinatio negatio est = Jede Abtrennung ist die Negation 
des Ganzen"). Das Kriterium der Unterscheidung zwischen einer 
mafiotisch-kriminellen-antisozialen Organisation und einer 
gemeinwohlorientierten Organisation ist eben diese staatsbildende 
Tat. Jede Gruppe, die dies unterläßt oder sogar leugnet, ist der 
Möglichkeit nach eine mafiotische Vereinigung, die ihre 
Teilinteressen auf Kosten des allgemeinen Wohls durchzusetzen 
versucht.

3. Das Gemeinwohl ist ein dynamischer und relationaler Begriff (= 
Entwicklungs- und Beziehungsbegriff).
Das Gemeinwohl bezeichnet stets das allgemeine Wohl einer Beziehung 
von mehr als mindestens zwei Individuen. Das einzelne Wohl (das 
Eigenwohl) ist in dieses überindividuelle Wohl stets eingebettet, 
geht aber nicht darin auf und behält somit seine Eigenständigkeit.
Das allgemeine Wohl kann somit das Gemeinwohl einer Zweierbeziehung, 
einer Familie, eines Kindergartens, einer Selbsthilfegruppe, eines 
Stadtviertels, eines Betriebs, einer Kommune, einer Region, einer 
Nation, der Menschheit bezeichnen. Das Gemeinwohl existiert somit als 
Sammelsurium von 'Allgemeinem', das jeweils die darin enthaltenen 
'Einzelwohle' überformt.
Das Gemeinwohl schließt darüberhinaus auch nichtmenschliches Leben 
sowie die Grundbereiche des Lebens (Luft, Wasser, Boden, Energie) 
ein, wobei der Mensch festlegt, was dieses Allgemeine ist, das ihn 
mit der Erde (den Tieren, Pflanzen, Dingen und den Grundbereichen des 
Lebens) verbindet. Das menschliche Gemeinwohl sieht sich somit 
eingebettet in etwas, was man 'Gemeinwohl des Seienden als Ganzes' 
('Naturwohl') nennen könnte.
Wer also vom Gemeinwohl spricht, muss sich fragen lassen, von welchem 
'Gemeinwohl' die Rede ist, und was dieses Allgemeine inhaltlich 
bedeutet.

Im Vortrag vom 23.Juni 2005 wird dargelegt, was das Politische als 
das Politische ausmacht und von anderen Sachgebieten wie Kultur, 
Wirtschaft, Wissenschaft unterscheidet. Außerdem wird gefragt, unter 
welchen Voraussetzungen der Staat die maßgebende politische Einheit 
ist, die legitimiert ist, als Sachwalterin des Gemeinwohls zu 
sprechen und zu handeln.

Verantwortlich für die Zusammenstellung: Wolfgang Ratzel
-------------- nächster Teil --------------
Ein Dateianhang mit HTML-Daten wurde abgetrennt...
URL: https://lists.nadir.org/pipermail/sozialforum_disko/attachments/20050621/64df880c/attachment.htm


More information about the Sozialforum_disko mailing list