[imc-presse] [attac-d-presse] Gemeinnützigkeit: Attac erstreitet umfassende Akteneinsicht
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Mon Apr 29 11:23:15 CEST 2024
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Pressemitteilung
Attac Deutschland
Berlin, 29. April 2024
Gemeinnützigkeit: Attac erstreitet umfassende Akteneinsicht
Oberverwaltungsgericht zwingt Bundesfinanzministerium, weitere
Dokumente herauszugeben
Zehn Jahre nach der Aberkennung seiner Gemeinnützigkeit hat Attac einen
wichtigen Sieg im Streit um Transparenz in dem Verfahren errungen: Das
Bundesfinanzministerium (BFM) muss dem Netzwerk weitere Dokumente
übergeben, in denen es um den „Fall Attac“ geht. Das hat das
Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg in seinem am heutigen Montag
verkündeten Urteil entschieden. Die rund dreistündige mündliche
Berufungsverhandlung war bereits am 18. April.
Die Richter*innen am Oberverwaltungsgericht haben damit nicht nur das
Urteil der ersten Instanz von 2022 bestätigt, sondern sind zugunsten von
Attac noch darüber hinaus gegangen. Die Berufung des Ministeriums wurde
vollständig zurückgewiesen.
Besonders interessant unter den strittigen Dokumenten ist eine
eineinhalb Seiten lange Liste aus dem Mai 2019, in der das
Bundesfinanzministerium NGOs auflistet, deren Gemeinnützigkeit durch das
drei Monate zuvor gefällte „Attac-Urteil“ des Bundesfinanzhofs ebenfalls
bedroht sein könnte. Während die erste Instanz dem Ministerium Recht
gab, das die Liste aus Gründen des Steuergeheimnisses nicht herausgeben
wollte, urteilte das Oberverwaltungsgericht nun, dass das Ministerium
die betreffenden Organisationen aktiv fragen muss, ob sie mit der
Weitergabe einverstanden sind.
Ebenfalls herausgeben muss das Ministerium laut Urteil nun Sprechzettel,
die darüber Aufschluss geben, wie Vertreter*innen des Finanzministeriums
Bundestagsabgeordnete in Ausschuss- oder Fraktionssitzungen über den
„Fall Attac“ informierten. Auch den Protokollentwurf einer Sitzung des
Bundestags-Haushaltsausschusses, in der der „Fall Attac“ besprochen
wurde, muss es herausgeben. Das Ministerium hielt diese Dokumente bisher
mit Verweis auf die Geschäftsordnung des Bundestages zurück.
/„Jahre lang hat das Bundesfinanzministerium versucht, seinen Einfluss
auf den ‚Fall Attac‘ und dessen verheerende Konsequenzen für viele
andere Organisationen herunterzuspielen. Wir werden die Dokumente, die
ganze zwei Aktenordner füllen, nun in Ruhe auswerten und uns selbst ein
Bild davon machen, welche Rolle das Ministerium beim Entzug unserer
Gemeinnützigkeit spielte – wissend, dass es damit einen Präzedenzfall
schafft, der die gesamte demokratische Zivilgesellschaft
beeinträchtigt“/, kündigte Dirk Friedrichs vom bundesweiten
Attac-Koordinierungskreis nach der Verhandlung in Berlin an.
Nach dem „Attac-Urteil“ des Bundesfinanzhofs 2019 wollte Attac erfahren,
welchen politischen Einfluss das Bundesfinanzministerium auf die
rechtliche Auseinandersetzung um die Gemeinnützigkeit genommen hatte.
Unter anderem interessierte sich Attac für die Kommunikation zwischen
dem Ministerium und dem im „Fall Attac“ verfahrensführenden
Bundesfinanzhof. Doch das Ministerium sperrte sich. Attac klagte und
musste sich den Zugang zu nahezu jedem einzelnen Dokument mühsam vor
Gericht erstreiten.
Dirk Friedrichs: /„Dem Bundesfinanzministerium ist offenbar wenig daran
gelegen, sein Handeln in einer Frage, die tausende gemeinnützige Vereine
in Deutschland betrifft, offenzulegen. Das heutige Urteil ist ein
wichtiger Sieg im Ringen um Transparenz – nicht nur für Attac, sondern
für die gesamte demokratische Zivilgesellschaft.“/
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/Der „Fall Attac“ – Hintergrund:/
/Mit seinem Bescheid vom 14. April 2014 aberkannte das Finanzamt
Frankfurt Attac die Gemeinnützigkeit mit der Begründung, das Netzwerk
agiere zu politisch. Insbesondere der Einsatz für eine Regulierung der
Finanzmärkte, die Einführung einer Finanztransaktionssteuer oder einer
Vermögensabgabe sei nicht gemeinnützig, hieß es in dem Schreiben.
Eine erste Klage von Attac vor dem Finanzgericht Kassel im Jahr 2016 war
erfolgreich. Als das Finanzamt die Sache daraufhin auf sich beruhen
lassen wollte, schaltete sich das damals von Wolfgang Schäuble geführte
Bundesfinanzministerium wies das Frankfurter Finanzamt an, Revision vor
dem Bundesfinanzhof (BFH) beantragen. Dieser hob in seinem viel
kritisierten „Attac-Urteil“ vom Februar 2019 das Urteil der ersten
Instanz auf. Dabei steckte der BFH den Rahmen für politisches Engagement
von gemeinnützigen Organisationen äußerst eng. Diesem Urteil des BFH
folgend mussten die Richter*innen der ersten Instanz die Klage von Attac
erneut verhandeln und gegen ihre eigene Überzeugung ablehnen. So
kritisierte der Vorsitzende Richter in Kassel, das Urteil des
Bundesfinanzhofs sei „mit heißer Nadel gestrickt“.
Die Auseinandersetzung um die Gemeinnützigkeit von Attac hat Bedeutung
für die gesamte Zivilgesellschaft. Bereits wenige Wochen nach dem
BFH-Urteil im Februar 2019 entzogen Finanzämter weiteren Organisationen
die Gemeinnützigkeit. Und auch Vereine, die es nicht getroffen hat,
wagen seither weniger, sich politisch einzumischen. Das Urteil des BFH
hat das Thema Gemeinnützigkeit auch auf die Agenda der politischen
Parteien gesetzt. So hat die Ampel in ihrem Koalitionsvertrag
vereinbart, das Gemeinnützigkeitsrecht zu reformieren, um
Rechtssicherheit zu schaffen, hat ihr Versprechen bisher aber nicht erfüllt.
Attac hat im März 2021 Verfassungsbeschwerde gegen die Aberkennung
seiner Gemeinnützigkeit eingelegt. Die Verhandlung darüber steht noch aus.
Als Teil der von Attac mitgegründeten Allianz "Rechtssicherheit für
politische Willensbildung" setzt sich das Netzwerk zudem für ein
modernes Gemeinnützigkeitsrecht ein, das demokratisches
zivilgesellschaftliches Engagement fördert, statt es zu behindern./
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Für Rückfragen:*
* Dirk Friedrichs, Attac-Vertreter im Gerichtsverfahren, +49 177 3276 659
* Frauke Distelrath, Attac-Geschäftsführerin, Tel. +49 152 2848 2449
* Anja Heinrich, Rechtsanwältin, Berlin, Tel. +49 30 8147 5758 (nur
zum Verfahren)
*Weitere Informationen:*
* Pressemitteilung zum Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin
(13.12.2022):
www.attac.de/presse/detailansicht/news/attac-erstreitet-akteneinsicht
* Presseankündigung zur Verhandlung der ersten Instanz (23.11.2022):
https://link.attac.de/akteneinsichtsklage
* Attac-Webseite zur Auseinandersetzung um die Gemeinnützigkeit:
www.attac.de/kampagnen/gemeinnuetzigkeit
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Frauke Distelrath
Geschäftsführerin
Attac-Bundesbüro
Münchener Str. 48
60329 Frankfurt
+49 69 900 281-23; +49 151 6141 0268
frauke.distelrath at attac.de
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