[imc-presse] PM zum Tag des bedrohten Anwalts/der bedrohten Anwältin - Afghanistan_Kundgebung 24.1.23 vor dem Auswärtigen Amt, Berlin

RAV e.V. gs at rav.de
Mon Jan 23 12:14:51 CET 2023


Sehr geehrte Damen und Herren,

am 24.1.23, morgen, wird der alljährliche /Day of the endangered lawyer 
/(Tag des bedrohten Anwalts und der bedrohten Anwältin)//weltweit begangen./
/So auch in Berlin, am *24.1.23 um 15:30h*. In diesem Jahr findet die 
entsprechende *Kundgebung vor dem Auswärtigen Amt*, Werderscher Markt 1, 
10117 Berlin statt.

Zur Teilnahme rufen auf die///Rechtsanwaltskammer Berlin/, die 
/Vereinigung Berliner Strafverteidiger*innen/, die /Vereinigung 
Demokratischer Juristinnen und Juristen/ und die /Europäischen 
Vereinigung von Juristinnen und Juristen für Demokratie und 
Menschenrechte/ und der /Republikanische Anwältinnen‐ und Anwälteverein./*

Die Bundesregierung muss jetzt handeln!*
»/Wenn die Bundesregierung tatsächlich eine konsequente 
Menschenrechtspolitik verfolgen will, so muss schnellstmöglich und 
unbürokratisch dafür gesorgt werden, dass die betroffenen Kolleginnen 
und Kollegen nach Deutschland einreisen und hier einen Aufenthalt 
bekommen können/«, so Rechtsanwalt Dr. Peer Stolle, Bundesvorsitzender 
des RAV./

/Anbei die PM von heute mit Hintergrundinformationen zur Lage in 
Afghanistan.
Wir würden uns über mediale Begleitung freuen und danken für etwaige 
Berichterstattungen.
Die PM findet sich ebenfalls auf der Webseite des RAV, hier:
https://www.rav.de/publikationen/mitteilungen/mitteilung/tag-der-bedrohten-anwaeltin-und-des-bedrohten-anwalts-afghanistan-kundgebung-vor-dem-auswaertigen-amt-921

Mit besten Grüßen

Sigrid v. Klinggräff
RAV-Geschäftsstelle //

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*24. Januar: Tag der bedrohten Anwältin und des bedrohten Anwalts – 
Afghanistan
Kundgebung vor dem Auswärtigen Amt um 15:30 h
Hunderte von Jurist*innen mit dem Tod bedroht*

*Der Sturz der afghanischen Regierung im August 2021 hat zwei Jahrzehnte 
des Fortschritts fast über Nacht zunichtegemacht. Das gesamte 
Rechtssystem des Landes ist im Wesentlichen zusammengebrochen. Die ab 
August 2021 geltenden Gesetze, einschließlich der afghanischen 
Verfassung aus dem Jahr 2004, wurden ihrer Wirkung beraubt. Jetzt werden 
die Grundsätze der /Sharīʿa/ angewandt, und viele der von der 
De-facto-Regierung erlassenen Richtlinien stellen Einschränkungen der 
grundlegenden Menschenrechte dar, einschließlich der Presse- und 
Meinungsfreiheit, der Gleichbehandlung, der Freizügigkeit und des Rechts 
auf Privatsphäre. Der diesjährige Tag der verfolgten Anwält*innen widmet 
sich daher der Lage der Jurist*innen in Afghanistan.*

Richter*innen und Staatsanwält*innen, die vor der Machtübernahme im 
August 2021 in der afghanischen Regierung tätig waren, sowie afghanische 
Anwält*innen müssen mit Repressalien rechnen, sowohl von Seiten der 
Taliban selbst als auch von den Tausenden verurteilter Straftäter, die 
freigelassen wurden, als die Taliban bei ihrer Machtübernahme die Türen 
der Gefängnisse im ganzen Land öffneten. Mitglieder der Taliban machen 
ihre ehemaligen Verteidiger*innen, Richter*innen oder Staatsanwält*innen 
für ihre Verurteilungen verantwortlich.
Darüber hinaus haben es Taliban auf Anwält*innen abgesehen, insbesondere 
auf Anwältinnen, die Opfer in Fällen vertreten, in denen 
Taliban-Mitglieder verurteilt wurden. Anwält*innen werden auch von den 
De-facto-Behörden verfolgt, weil sie in der Vergangenheit ihren 
Mitbürger*innen, insbesondere Frauen, Zugang zur Justiz gewährten und 
ihre Grundrechte und -freiheiten schützten. Da ihr Leben und das ihrer 
Familien in großer Gefahr war, waren viele afghanische Richter*innen und 
Staatsanwält*innen sowie Rechtsanwält*innen gezwungen, entweder aus dem 
Land zu fliehen oder unterzutauchen. Viele befinden sich nach wie vor in 
Lebensgefahr.

*Entrechtung der afghanischen Anwaltskammer*

Am 22. November 2021 erließ das Justizministerium der Taliban ein 
Dekret, mit dem die /Afghanische Anwaltskammer/ (AIBA) ihrer 
Unabhängigkeit beraubt wurde, einschließlich ihrer Befugnis, Lizenzen an 
Rechtsanwält*innen zu vergeben. Einen Tag nach dem Erlass stürmten 
Taliban-Kräfte den Hauptsitz der AIBA in Kabul, bedrohten die 
Mitarbeiter*innen und Mitglieder der Vereinigung mit Gewalt und 
forderten sie auf, das Gebäude zu verlassen. Die Taliban verschafften 
sich Zugang zu den Datenbanken der AIBA, einschließlich der Daten von 
über 2.500 Anwält*innen und nichtanwaltlichen Mitarbeiter*innen. Diese 
Datensätze enthielten Informationen über die Personalien der 
Anwält*innen, die Namen von Familienangehörigen, Wohnadressen und 
Telefonnummern sowie Informationen über bearbeitete Fälle und die 
Verbindungen der Anwält*innen zu staatlichen und internationalen 
Organisationen sowie Informationen über Staatsanwält*innen und 
Richter*innen.
Die Taliban übernahmen auch die Kontrolle über die Bankkonten und Gelder 
der AIBA. Seitdem war die AIBA gezwungen, ihre Tätigkeit im Land 
einzustellen und wurde de facto dem Justizministerium der Taliban 
unterstellt.

*Hunderte Kolleg*innen erwerbslos, auf der Flucht oder ermordet*

In dem Erlass vom 22. November 2021 heißt es außerdem, dass nur von den 
Taliban zugelassene Anwälte vor Gericht auftreten dürfen. Ehemalige 
AIBA-registrierte Anwält*innen müssen daher eine neue Lizenz erwerben 
und eine Reihe von Kriterien erfüllen, die vom 
De-facto-Justizministerium festgelegt wurden. In der Praxis werden die 
Anwält*innen auf der Grundlage ihrer früheren Tätigkeiten und ihres 
Verständnisses der /Sharīʿa/-Grundsätze geprüft.
Wer früher auch nur im Entferntesten im Bereich der Menschenrechte tätig 
war oder Beziehungen zu internationalen Organisationen unterhielt, dem 
wird automatisch die Zulassung verweigert, so dass er nicht mehr 
praktizieren darf. Und obwohl vor dem Sturz der Taliban 25 Prozent der 
AIBA-Mitglieder Frauen waren, haben die Taliban bis heute nur Männern 
Lizenzen erteilt. Dies hat zur Folge, dass die überwiegende Mehrheit der 
Anwält*innen, die rechtmäßig bei der AIBA registriert waren, nun mit 
einem Berufsverbot belegt sind und damit keine berufliche Perspektive 
mehr haben.
Nach Angaben der AIBA wurden seit ihrer Auflösung sieben Anwälte getötet 
und 146 Anwält*innen verhaftet, oder es wurde gegen sie ermittelt. Viele 
ihrer Kolleg*innen sahen sich gezwungen, aus dem Land zu fliehen oder 
sich mit ihren Familien zu verstecken, um den Verfolgungen zu entgehen.

*Die Bundesregierung muss jetzt handeln*

»/Wenn die Bundesregierung tatsächlich eine konsequente 
Menschenrechtspolitik verfolgen will, so muss schnellstmöglich und 
unbürokratisch dafür gesorgt werden, dass die betroffenen Kolleginnen 
und Kollegen nach Deutschland einreisen und hier einen Aufenthalt 
bekommen können/«, so Rechtsanwalt Dr. Peer Stolle, Bundesvorsitzender 
des RAV.

Gemeinsam mit der /Rechtsanwaltskammer Berlin/, der /Vereinigung 
Berliner Strafverteidiger*innen/, der /Vereinigung Demokratischer 
Juristinnen und Juristen/ und der /Europäischen Vereinigung von 
Juristinnen und Juristen für Demokratie und Menschenrechte/ ruft der 
/Republikanische Anwältinnen‐ und Anwälteverein/ auf zu einer

*Kundgebung
24.01.23 um 15:30 Uhr
Auswärtiges Amt
Werderscher Markt 1, 10117 Berlin*

*An diesem Tag wird seit 2010 weltweit der ›Tag der bedrohten Anwältin 
und des bedrohten Anwalts‹ begangen. Dieses Jahr ist der ›Tag der 
bedrohten Anwältin und des bedrohten Anwalts‹ den Kolleginnen und 
Kollegen in Afghanistan gewidmet, denen das Recht auf freie Advokatur 
durch das Taliban‐Regime systematisch entzogen wird. Mehrere hundert 
Kolleg*innen befinden sich aktuell auf der Flucht oder versuchen das 
Land zu verlassen.*

______

*Hintergrund zur Lage der Anwält*innenschaft*

Bis *2001 *hatten mehrere Jahrzehnte Krieg und andere Konflikte die 
Infrastruktur Afghanistans dezimiert. Auch das Rechts- und Justizsystem 
war davon nicht verschont geblieben. Nach dem Sturz des Taliban-Regimes 
im November 2001 wurde jedoch eine breite Palette von Programmen zur 
Aufstockung des Personals und zum Wiederaufbau, zur Reform und zur 
Modernisierung der afghanischen Regierung, einschließlich der Gerichte, 
sowie des Rechtswesens durchgeführt.
Das neue System, das nach dem Sturz der Taliban eingeführt wurde, 
trennte das Recht von der Religion (/Sharīʿa/) und die Justiz vom Klerus 
oder der Stammes-Dschirga, d. h. dem Urteil der lokalen Ältesten.
Die /Unabhängige Afghanische Anwaltskammer/ (AIBA) wurde *2008 *auf der 
Grundlage des afghanischen Anwaltsgesetzes gegründet. Mit mehr als 6.000 
Mitgliedern (darunter rund 1.500 Frauen) beaufsichtigte die AIBA die 
Zulassung und Regulierung von Anwält*innen, förderte die 
Chancengleichheit im Rechtsberuf, bildete künftige Anwält*innen aus und 
setzte sich für Rechtsstaatlichkeit und soziale Gerechtigkeit ein. Die 
AIBA hatte sich als unabhängige Institution etabliert, die sich für 
Grundrechte, ordnungsgemäße Verfahren, richterliche Unabhängigkeit, 
Rechtsstaatlichkeit und demokratische Werte einsetzte. Seit ihrer 
Gründung war es der AIBA trotz kultureller, sozialer und 
wirtschaftlicher Zwänge gelungen, die Rolle von Strafverteidiger*innen 
zu fördern und sich im Bereich der sozialen Gerechtigkeit zu engagieren, 
insbesondere bei der Verteidigung der Rechte von Opfern von Gewalt gegen 
Frauen und Kinder.
Zu den weiteren Investitionen in das Justizsystem nach *2001 *gehörte 
der Aufbau eines geschulten, unabhängigen Justizwesens, zu dem (zum 
ersten Mal) mehr als 270 Richterinnen gehörten. Auch für 
Staatsanwält*innen wurde eine umfassende Ausbildung bereitgestellt. Auch 
ihre Reihen wurden diversifiziert, so dass dort etwa 400 Frauen in ihnen 
tätig waren.

-- 

Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein e. V.
Haus der Demokratie und Menschenrechte
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