[imc-presse] [attac-d-presse] Instransparent und undemokratisch: EU-Kommission will EU-Mexiko-Abkommen aufspalten

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Wed Jun 30 12:47:39 CEST 2021


Gemeinsame Pressemitteilung
Berlin, Frankfurt am Main, Amsterdam,  30. Juni 2021

 

*EU-Kommission will Handelsabkommen zwischen der EU und Mexiko aufteilen*

*Weiterer Schritt zu intransparentem und undemokratischem Handel*

**Eine Information, die den unterzeichnenden Organisationen zugespielt
wurde, zeigt einmal mehr, wie undemokratisch die EU-Handelspolitik sein
kann. Die EU-Kommission schlägt vor, das Globalabkommen zwischen der EU
und Mexiko in drei Teile aufzuspalten: einen Teil zu politischer
Zusammenarbeit, ein Investitionsabkommen und ein Handelsabkommen. Die
Aufteilung des Abkommens wird eine schnellere Ratifizierung bei weniger
demokratischer Teilhabe ermöglichen: Zur Ratifizierung des
Handelsabkommens ist die Zustimmung der Parlamente der Mitgliedsstaaten
dann nicht mehr notwendig.

Während das Handelsabkommen ausschließlich durch den EU-Rat und das
Europäische Parlament ratifiziert werden würde (EU-only), würden die
Parlamente der Mitgliedsstaaten nur noch gefragt, wenn es um die
Ratifizierung der anderen beiden Teile geht. Vor allem der Handelsteil
wird jedoch kritisiert wegen seiner negativen sozialen und ökologischen
Auswirkungen und der negativen wirtschaftlichen Folgen wie steigender
Ungleichheit. Durch die Umgehung der Parlamente der Mitgliedstaaten geht
die EU einen weiteren Schritt in Richtung intransparenter,
undemokratischer Entscheidungsfindung in einem höchst umstrittenen
Politikfeld.

Internen Quellen sagen, der Kommission zufolge sei dies ein Ergebnis der
formal juristischen Prüfung des Abkommens. Das Abkommen, das seit 2000
in Kraft ist, hat seit 2016 eine Phase der Nachverhandlung durchlaufen,
die im April 2020 inmitten der Pandemie abgeschlossen wurde. Auch
deutete die Kommission an, der  Aufspaltungs-Vorschlag stehe im Einklang
mit der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs zum Singapur-Abkommen
aus dem Jahr 2017.

 Die mexikanische Regierung steht der Idee, das Abkommen aufzuspalten,
bisher kritisch gegenüber. Vermutlich befürchtet sie, dass sich die
anderen beiden Teile verzögern könnten, insbesondere der Teil zur
politischen Zusammenarbeit. Dieses neue Manöver der Kommission zeigt
unabhängig davon eine zunehmende Tendenz der EU, die Parlamente der
Mitgliedsstaaten an der Mitsprache zur Handelspolitik zu hindern.
Wahrscheinlicher wird damit auch, dass mit dem EU-Mercosur-Abkommen, das
sich derzeit in der formaljuristischen Prüfung befindet, auf ähnliche
Art und Weise verfahren wird.

Jeremy Oestreich, Referent für Handels- und Investitionspolitik bei
PowerShift, sagt dazu: 

"Immer mehr Menschen sehen heute die negativen Folgen von ungebremster
Handelsliberalisierung. Geplante Handelsabkommen zwischen der EU und
Mexiko oder dem Mercosur-Raum werden gerade deshalb kritisiert, weil sie
unseren Klimazielen sowie vielen anderen Nachhaltigkeitszielen völlig
zuwiderlaufen. Trotz dieser zunehmenden Kritik schließt die EU
demokratische Institutionen vom Entscheidungsfindungsprozess aus, um
weiter auf ihre alte Agenda setzen zu können."

 Mónica Vargas, Researcher und Global Campaigner beim Transnational
Institute, ergänzt:

"Die Auswirkungen von Freihandels- und Investitionsschutzabkommen haben
in Mexiko bereits zu verheerenden Folgen geführt, wie das
‚Internationale Forschungsprojekt zu den sozialen und ökologischen
Auswirkungen von transnationalen Konzernen und Freihandel‘ im Jahr 2019
festgestellt hat. Das modernisierte EU-Mexiko-Abkommen ist auch deshalb
besorgniserregend, weil es das erste zwischen der EU und einem
lateinamerikanischen Land unterzeichnete Abkommen wäre, das ein Kapitel
zum Investitionsschutz enthält. Dies bedeutet, dass transnationalen
Konzernen das exklusive Recht eingeräumt wird, die demokratischen
Entscheidungen von Staaten anzufechten, zum Beispiel durch die
Anfechtung von Gesetzen von öffentlichem Interesse".

Roland Süß, Handelsexperte von Attac Deutschland, kritisiert:

„Es ist ein völlig falsches Zeichen, den Handelsteil des Abkommens
zwischen der EU und Mexiko abzuspalten, um damit die Zustimmung der
Parlamente der Mitgliedstaaten zu umgehen. Im Rahmen des europäischen
Green Deals macht die EU große Versprechungen zu Klima- und
Umweltschutz, gleichzeitig betreibt sie weiterhin eine Handelspolitik
aus dem letzten Jahrhundert. Die Liberalisierung und Deregulierung des
Handels würde weiter vorangetrieben. Wir fordern eine Handelspolitik,
die Menschenrechten, den Belangen von Arbeitnehmer*innen, der Umwelt und
dem Klima Vorrang vor Interessen von Konzernen und Investoren einräumt.“

* *

*Pressekontakte:*

Jeremy Oestreich
PowerShift e.V.
Jeremy.oestreich at power-shift.de <mailto:Jeremy.oestreich at power-shift.de>_
_+49 151 / 25997848

 Mónica Vargas
Transnational Institute
m.vargas at tni.org <mailto:m.vargas at tni.org>_
_+34662026497
+34-662026497

Roland Süß
Attac Deutschland
suess at attac.de <mailto:suess at attac.de>
+ 49 175 2725 893

**Berit Thomsen
Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft
thomsen at abl-ev.de <mailto:thomsen at abl-ev.de>
++49157-85075279

* --*

* Weitere Hintergründe:*

Vor 27 Jahren unterzeichnete Mexiko das Nordamerikanische
Freihandelsabkommen, das aggressivste Handelsabkommen der Welt, mit
Kanada und den Vereinigten Staaten. Im Jahr 2000 unterzeichnete es ein
ganz ähnliches Abkommen mit der EU, das zwischen 2016 und 2020 noch
einmal "modernisiert“ wurde. Seit Jahren prangern mexikanische und
internationale soziale Bewegungen die Folgen der Handelsliberalisierung
an, insbesondere die dramatischen Folgen für Menschenrechte und Umwelt.

Die positiven wirtschaftlichen Auswirkungen des Handelsabkommens
zwischen der EU und Mexiko sind für Mexiko eher zu vernachlässigen.
Insgesamt ist die Arbeitslosigkeit zwischen 2000 und 2018 von 2,8 auf
3,6 Prozent gestiegen, und der Lebensstandard hat sich nicht verbessert.
Auch die Nachhaltigkeitsbewertung der EU aus dem Jahr 2019 rechnet für
das modernisierte Abkommen bis 2028 im besten Szenario nur mit 90.000
zusätzlichen Arbeitsplätzen für Mexiko (0,16 Prozent), während
Arbeitsplätze, die verloren gehen könnten, nicht einmal berücksichtigt
werden.

Die Modernisierung des Abkommens sieht eine Öffnung der mexikanischen
Agrarmärkte für europäische Produkte wie Fleisch, Milch und Zucker vor.
Die Zuckerexporte aus der EU werden schätzungsweise um 1200 Prozent
steigen, obwohl Mexiko einer der führenden Zuckerproduzenten der Welt
ist. Auf der anderen Seite wird Europa seine Märkte für Hähnchen und
Geflügel aus Mexiko öffnen. Beide Seiten haben sich darauf geeinigt,
Kontrollen zu reduzieren, um den Handel zu erleichtern.

Die Modernisierung sieht auch einen erleichterten Rohstoffabbau in
Mexiko sowie geringere Beschränkungen für Gas- und Ölimporte in die EU
vor. Insgesamt würde das Abkommen wirtschaftliche Aktivitäten, die auf
Umweltzerstörung beruhen und eine hohe Klimabelastung mit sich bringen,
profitabler machen.

Während die Macht der Investoren durch den exklusiven Zugang zu einem
privaten Rechtssystem (dem Investitionsgerichtssystem - ICS) gestärkt
werden soll, würden europäische Investoren auch Zugang zu Aufträgen des
öffentlichen Beschaffungswesens von Mexiko bekommen.

Wie PowerShift, das Transnational Institute, die Arbeitsgemeinschaft
bäuerliche Landwirtschaft und Attac lehnt eine wachsende Zahl von NGOs
sowohl in Europa als auch in Mexiko die Ratifizierung des Abkommens ab.

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Frauke Distelrath
Pressesprecherin Attac Deutschland
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Münchener Str. 48, 60329 Frankfurt/M
Tel. 069 900 281-42; 0151 6141 0268
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