[imc-presse] [attac-d-presse] Banken und Konzerne wollen neue Paralleljustiz in der EU

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Tue Jun 29 13:01:01 CEST 2021


Pressemitteilung
Attac Deutschland
Frankfurt am Main, 29. Juni 2021


 

*Neue Konzern-Paralleljustiz in der EU droht*

*CEO-Studie deckt massive Lobbying-Kampagne von Banken und Konzernen auf*


In der EU droht eine neue Paralleljustiz für Konzerne: Die EU-Kommission
will im Herbst 2021 einen Vorschlag für mehr Schutz für
grenzüberschreitende Investitionen im EU-Binnenmarkt vorlegen, der
Elemente einer neuen Konzern-Paralleljustiz zwischen EU-Staaten
enthalten könnte. Anlass für die geplante Neuregelung ist das sogenannte
Achmea-Urteil, mit dem der Europäische Gerichtshof 2018 das alte System
der EU-internen Konzern-Sonderklagerechte für unvereinbar mit EU-Recht
erklärt hatte. *

Wie eine neue Studie der Brüsseler NGO Corporate Europe Observatory
(CEO) enthüllt, betreiben Banken, Konzerne und Anwaltskanzleien seither
eine massive Lobbykampagne, um neue substanzielle Rechte für Investoren
und eine exklusive Gerichtsbarkeit in der EU durchzusetzen
(https://corporateeurope.org/en/2021/06/conquering-eu-courts
<https://corporateeurope.org/en/2021/06/conquering-eu-courts>).

*Exklusives EU-Gericht könnte Staaten zu Entschädigungen zwingen*

"Geht es nach den Konzernen, könnte ein neues exklusives EU-Gericht die
EU-Regierungen in Zukunft dazu zwingen, Konzerne mit enormen Summen für
neue Gesetze zum Schutz von Arbeitnehmer*innen, Verbraucher*innen und
der Umwelt zu entschädigen. Das finanzielle Risiko könnte Regierungen
davon abhalten, im öffentlichen Interesse zu regulieren", kritisiert
Studienautorin Pia Eberhardt von CEO.

Roland Süß, Handelsexperte von Attac Deutschland, ergänzt:
"Sonderklagerechte für Konzerne bedrohen eine Politik im Interesse des
Gemeinwohls und sind mit der Demokratie unvereinbar. Attac fordert die
Bundesregierung daher auf, sich für das Ende jeglicher
Konzern-Sonderrechte einzusetzen – sowohl innerhalb der EU als auch
weltweit."

Tatsächlich beinhaltet ein Diskussionspapier der Kommission vom
September 2020 besorgniserregende Optionen. Darunter sind sowohl
weitreichende materielle Investorenrechte als auch die Schaffung eines
speziellen Investitionsgerichts für Konzerne auf EU-Ebene. Die
Kommission überlegt zudem, neue Konzern-Privilegien zu schaffen, mit
denen diese noch früher in die Vorbereitung politischer Entscheidungen
eingreifen können.

*Deutsche Großbanken drängen besonders auf eigenes Recht***

Laut CEO-Studie gab 2019 und 2020 mindestens ein Dutzend Treffen von
Konzernlobbyisten mit der EU-Kommission, in denen sie einen neuen
exklusiven Gerichtshof für Konzerne forderten. Besonders aktiv
lobbyierten deutsche Großbanken, die Europäische Bankenvereinigung, die
deutsche Aktionärslobby oder Konzernlobbygruppen wie BusinessEurope und
die französische AFEP. Ihre Botschaft: Investoren hätten ohne
Sonderklagerechte in der EU keinen "angemessenen Rechtsschutz" und
könnten daher vermehrt außerhalb der EU investieren.

*Keinerlei Hinweise auf Benachteiligung von Investoren in der EU*

Für Pia Eberhardt widerspricht diese Erpressungstaktik der Realität: "Es
gibt keinerlei Hinweise auf eine systematische Benachteiligung
ausländischer Investoren in den EU-Mitgliedsstaaten, die ein eigenes
paralleles Justizsystem rechtfertigen würden. Im EU-Binnenmarkt können
sich Investoren auf eine lange Liste von Rechten und Schutzmaßnahmen
verlassen, darunter das Recht auf Eigentum, Nichtdiskriminierung, auf
Anhörung vor einer Behörde sowie auf einen wirksamen Rechtsbehelf und
ein faires Verfahren."

Etwaige rechtsstaatliche Defizite in einem Land gelte es grundsätzlich
für alle zu verbessern, anstatt neue rechtliche Privilegien für eine
kleine Anzahl ohnehin sehr mächtiger und bereits geschützter Konzerne zu
schaffen, die den demokratischen Handlungsspielraum einschränken,
fordert Attac.

Weltweit nehmen Klagen von Investoren gegen Staaten in den vergangenen
Jahren rasant zu. Im Dezember 2020 waren mehr als 1100 Fälle bekannt.
Etwa 20 Prozent davon wurden auf Basis von Intra-EU-Investitionsabkommen
eingereicht.

 

/* Der EuGH urteilte im Achmea-Urteil am 6. März 2018, dass
Schiedsklauseln in Investitionsabkommen innerhalb der EU nicht mit
EU-Recht vereinbar sind. Intra-EU-Investitionsabkommen (BITs) wurden
ursprünglich zumeist zwischen west- und osteuropäischen EU-Staaten nach
dem Zerfall der Sowjetunion geschlossen und beim EU-Beitritt dieser
Staaten nicht beendet. Die EU-Kommission hatte bereits vor dem Urteil
des EuGH die Rechtsansicht vertreten, dass die entsprechenden
bilateralen Investitionsabkommen gegen EU-Recht verstoßen./

/ /

*Weitere Informationen: *

  *  CEO-Studie "Conquering EU courts? Big business lobbies in secret
    for new legal privileges in the EU", 28. 6 2021:
    https://corporateeurope.org/en/2021/06/conquering-eu-courts
    <https://corporateeurope.org/en/2021/06/conquering-eu-courts>
  *  Attac-Hintergrund „Sonderklagerechte für Konzerne“:
    www.attac.de/kampagnen/handelsabkommen/hintergrund/isds-sonderklagerechte-fuer-konzerne
    <http://www.attac.de/kampagnen/handelsabkommen/hintergrund/isds-sonderklagerechte-fuer-konzerne>


 

*Für Rückfragen:*

  *  Roland Süß, Attac-Koordinierungskreis, Tel. 0175 2725 893

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Frauke Distelrath
Pressesprecherin Attac Deutschland
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Münchener Str. 48, 60329 Frankfurt/M
Tel. 069 900 281-42; 0151 6141 0268
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