[imc-presse] PM: Sperrerklärung im Fall "Simon Brenner" in Heidelberg

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Thu Feb 26 17:54:27 CET 2015


Liebe Presse,

Das Innenministerium Baden-Württemberg hat die Sperrerklärung im Fall 
"Simon Brenner" nachgebessert.
Anbei unsere Stellungnahme dazu.
Für Rückfragen stehen wir ihnen gerne zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen
Alex Funk (Arbeitskreis Spitzelklage Heidelberg)

http://spitzelklage.blogsport.de/
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Presseerklärung des Arbeitskreises Spitzelklage Heidelberg:

Das baden-württembergische Innenministerium legt in der Causa „Simon 
Brenner“ nachgebesserte Sperrerklärung vor

Seit Sommer 2011 klagen sieben Betroffene des Heidelberger 
Spitzeleinsatzes gegen diese polizeiliche Überwachungs- und 
Kriminalisierungsmaßnahme. Das baden-württembergische Innenministerium 
ließ damals prompt die relevanten Unterlagen „sperren“, so dass nur 
Bruchteile der Akten in stark zensierter Form für die Kläger*innen 
zugänglich waren und somit weitere juristische Schritte zur Freigabe der 
behördlichen Materialien eingeleitet werden mussten. Im Februar 2015 
wurden nun die Schwärzungen etwas reduziert und einige weitere 
Abschnitte aus den Akten freigegeben.

Am 12.12.2010 wurde in Heidelberg ein Verdeckter Ermittler (VE) des 
baden-württembergischen Landeskriminalamts (LKA) enttarnt: Simon Bromma. 
Als angeblicher Student „Simon Brenner“ hatte er über ein Jahr hinweg 
(von November 2009 bis Dezember 2010) die gesamte linke Szene 
Heidelbergs mit geheimdienstlichen Methoden ausspioniert, Unmengen an 
politischen Informationen und privaten Daten über Aktivist*innen 
gesammelt und diese in Berichtform an seine einsatzleitende Behörde in 
Stuttgart weitergegeben.

Am 05.08.2011 haben sieben von diesem VE-Einsatz betroffene Personen 
eine Fortsetzungsfeststellungsklage beim Verwaltungsgericht Karlsruhe 
eingereicht, um damit die offensichtliche Rechtswidrigkeit dieser abrupt 
abgebrochenen, jederzeit wiederholbaren polizeilichen 
Repressionsmaßnahme überprüfen und das Rehabilitationsinteresse der 
Kläger*innen untermauern zu lassen.

Daraufhin zogen nochmals mehrere Monate ins Land, bis der 
sozialdemokratische Innenminister Reinhold Gall nach § 99 VwGO 
(Verwaltungsgerichtsordnung) die Akten sperren ließ; den sieben 
Kläger*innen wurde sodann ausschließlich die polizeibehördliche 
Einsatzanordnungsakte des Leitenden Heidelberger Kriminaldirektors Bernd 
Fuchs vorgelegt, der den VE in den Rhein-Neckar-Kreis beordert hatte. 
Dieser Aktensatz war durch umfassende Schwärzungen zu weiten Teilen 
unbrauchbar gemacht worden. Was weiterhin noch nicht einmal in 
verstümmelter Form vorgelegt wurde, waren die innerbehördliche 
Korrespondenz zwischen LKA und Polizeidirektion Heidelberg nach der 
Enttarnung des VE und die 15 Einsatzberichte Brommas, in die vom VE auch 
Kopien von Flyern vermeintlich relevanter politischer Aktionen und 
Veranstaltungen eingespeist worden waren.

Gegen diese Sperrerklärung legten die Kläger*innen Beschwerde ein, was 
in Folge dazu führte, dass diesbezüglich zunächst vor dem 
Verwaltungsgerichtshof Mannheim [Az. 14 S 928/12] und schließlich vor 
dem Bundesverwaltungsgericht Leipzig [BVerwG 20 F 3.13 VGH 14 S 928/12] 
so genannte In-camera-Verfahren anhängig waren, bei denen - unter 
Ausschluss der Öffentlichkeit - die Rechtmäßigkeit dieser 
innenministerialen Vertuschungsmaßnahme fallabhängig unter Sichtung des 
kompletten Aktensatzes zu prüfen war.

Nun hat es nochmals fast ein Jahr gedauert, bis die vom 
Bundesverwaltungsgericht Leipzig per Beschluss angemahnten 
Nachbesserungsvorschläge in Bezug auf die Einstufung des größten Teils 
der Akten als „geheimhaltungsbedürftig“ umgesetzt wurden und in die 
Zurverfügungstellung der nun präsentierten Datensätze mündeten.

Vor ein paar Tagen jedenfalls erreichte den Anwalt der Kläger*innen die 
nachgebesserte Sperrerklärung - und mit ihr die im Vergleich zur ersten 
Version nun etwas weniger geschwärzte VE-Einsatzanordnungsakte der 
Polizeidirektion Heidelberg. Außerdem vorgelegt wurden zum ersten Mal 
nicht nur die mit dem Heidelberger Datensatz identische, aber abweichend 
nummerierte Einsatzanordnungsakte des LKA (Seiten 109-229), sondern auch 
die innerbehördliche, mit „VERÄNDERUNGEN“ überschriebene und auf 28. 
beziehungsweise 29.12.2010 datierte Korrespondenz zwischen LKA und 
Polizeidirektion Heidelberg nach der unvorhergesehenen Enttarnung ihres 
Spitzels und ein paar DIN A4-Kopien von Flyern vermeintlich relevanter 
politischer Aktionen und Veranstaltungen, die Simon Bromma seinen 
Einsatzberichten beigefügt hatte.

Nach intensiver Sichtung dieses Materials sind wir nun in der Lage, ein 
bisschen mehr Licht auf die unverhältnismäßige polizeiliche 
Repressionsmaßnahme zu werfen und unweigerlich zum Schluss zu kommen, 
dass bei diesem proaktiven VE-Einsatz weder „tatsächliche Anhaltspunkte“ 
dafür vorlagen, dass die in der Antifaschistischen Initiative Heidelberg 
(AIHD) aktive Zielperson künftig „politisch motivierte Straftaten“ 
begehen würde, die dann „Leben, Gesundheit und Freiheit einer Person“ 
gefährden könnten, noch, dass solch eine extrem weit reichende 
„Datenerhebung zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten mit 
erheblicher Bedeutung“ logisch-konsequent dazu führen müsse, dass auch 
sämtliche Strukturen, Zusammenhänge und persönlichen Beziehungsgeflechte 
der gesamten Linken „aufgehellt“ werden müssten - um darüber so nahe wie 
möglich an die „Führungsperson der Heidelberger antifaschistischen 
Szene“ heranzukommen.

Letztendlicher Dreh- und Angelpunkt der polizeilichen 
VE-Einsatzanordnungsbegründung bleibt der von den Sicherheitsbehörden 
beobachtete Umstand, dass „ihre“ Heidelberger Zielperson auf einer 
antifaschistischen Demonstration in Sinsheim im September 2009 ein paar 
Worte mit einem Menschen gewechselt habe, in dessen Wohngemeinschaft 
(WG) in Helmstadt-Bargen am 04.11.2009 sieben „gebrauchsfertige 
Molotow-Cocktails“ gefunden wurden - im Rahmen einer Hausdurchsuchung in 
anderer Sache.

Das bedeutet letzten Endes, dass die Heidelberger VE-Zielperson von der 
Polizei mutwillig in „Kontaktschuld“ genommen wurde, und dass dieses 
konstatierte „Kontakt-Haben“ zu einem Menschen, in dessen 40 Kilometer 
von Heidelberg entfernten WG Mollis gefunden werden, die in einer 
extremen Notwehrsituation angeblich zum Einsatz gebracht werden sollten, 
aber real niemals zum Einsatz kamen, den Umkehrschluss zulasse, dass 
nicht nur die Zielperson konkret an der Herstellung gebrauchsfertiger 
Brandsätze beteiligt sei, sondern die linke Szene an sich 
Molotow-Cocktails produziere.

Eine völlig willkürliche Konstruktion, deren Absurdität noch einmal 
dadurch belegt wurde, dass die bisher geschwärzten und nun freigegeben 
Stellen der Polizeieinsatzanordnungsakten keinerlei Gefährdungspotenzial 
für Bund oder Länder beinhalten, wie dies in der ersten Sperrerklärung 
noch behauptet wurde. Gesperrt waren etwa die Hinweise auf eingestellte 
Verfahren von Ziel- oder Kontaktpersonen, die teilweise Jahrzehnte 
zurückliegen, öffentlich verteilte Flugblätter von Studierenden und 
Politgruppen oder Hinweise auf ein bereits bezahltes Bußgeld in Höhe von 
50 Euro! Ob in diesem Zusammenhang und aufgrund der manipulierten 
Darstellung eine Klage wegen versuchten Prozessbetrugs möglich ist, 
werden wir prüfen.

Wir hoffen nun, damit rechnen zu können, dass der mündliche 
Verhandlungstag beim Karlsruher Verwaltungsgericht auf einen Termin im 
Juni 2015 angesetzt wird, damit noch vor der diesjährigen Sommerpause 
eine gerichtliche Entscheidung in unserer Sache ergehen kann.

Wir fordern nach wie vor die umfassende Aufklärung des Heidelberger 
Spitzelfalls, die Herausgabe aller vollkommen ungeschwärzten Akten, die 
Rehabilitierung aller betroffenen Menschen und die komplette Zurücknahme 
des unter
grün-roter Regierungsägide nochmals verschärften Polizeigesetzes, das 
solche VE-Einsätze sogar erleichtert.

Der Einsatz des Verdeckten Ermittlers Simon Bromma war rechtswidrig!

Bei weiteren Fragen oder Unklarheiten stehen wir Ihnen gerne zur 
Verfügung:
Arbeitskreis Spitzelklage Heidelberg (AKS) | ak-spitzelklage at riseup.net 
| http://spitzelklage.blogsport.de

Heidelberg, 26.02.2015
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