[imc-presse] Genozid des IS an Êzîden in Südkurdistan: Demonstrationsaufruf, Informationsdossier und aktuelle Meldungen

Civaka Azad e.V. info at civaka-azad.org
Tue Aug 12 16:12:30 CEST 2014


Sehr geehrte PressevertrerInnen,

 

nach den letzten Angriffen des Islamischen Staates (IS) auf die
kurdisch-êzîdische Stadt Şengal und weitere Gebiete in Südkurdistan und
Nordirak rufen zahlreiche êzîdische und kurdische Organisationen
Deutschland, darunter u.a. das Zentrum der demokratischen Gesellschaft der
KurdInnen in Deutschland NAV-DEM (vormals YEK-KOM), die Kurdische
Frauenbewegung in Europa TJKE und  die Föderation der êzîdischen Vereine in
Deutschland  zu einer bundesweiten Protestkundgebung am kommenden Samstag,
den 16. August 2014, in Hannover auf. 

 

Die Demonstration am Samstag beginnt in den Herrenhäuser Gärten (30419
Hannover) um 12.00Uhr.

 

Auch das Team des Civaka Azad - Kurdisches Zentrum für Öffentlichkeitsarbeit
e.V. wird vor Ort vertreten sein. Auf Anfrage besteht die Möglichkeit
Interviews und Gespräche mit den veranstaltenden Organisationen zu
arrangieren. 


Im Anhang leiten wir Ihnen das englischsprachige Informationsdossier des
Kurdistan Nationalkongresses (KNK) "ISIS ATTACKS AND KURDISH RESISTANCE IN
KURDISTAN" weiter. Außerdem leiten wir Ihnen unten aktuelle Meldungen zu den
Ereignissen aus der Region, die von der Informationsstelle Kurdistan
veröffentlicht wurden, weiter. 

 

Für Fragen und weitere Informationen stehen wir Ihnen selbstverständlich zur
Verfügung.

 

Mit freundlichen Grüßen

 

Devris Cimen

 

Civaka Azad - Kurdisches Zentrum für Öffentlichkeitsarbeit e.V. 
www.civaka-azad.org <http://www.civaka-azad.org/>  // info at civaka-azad.org 
Bornheimer Landstraße 48, 60316 Frankfurt 
Tel.: 069/84772084, Mobil: 01573/8485818

 

 

***

Aktuelle Meldungen

 

NGOs besuchen Şengal: Kurden erleben wieder einmal eine der schlimmsten
Katastrophen der Geschichte 

 

Nach den Angriffen auf Şengal (Sincar) hat eine Delegation bestehend aus
Mitgliedern von Nichtregierungsorganisationen (NGOs) aus der Türkei
Südkurdistan/Nordirak besucht, um die Situation der zur Flucht erzwungenen
Bevölkerung zu untersuchen. 

Die Delegation hat die Umstände in den Gebieten Zaho, Duhok, Peşhabur und
Semelka vor Ort beobachtet. Zurück in Amed (Diyarbakir) hat der
Delegationssprecher und Vorsitzende der Anwaltskammer von Amed Tahir Elci im
Namen der Delegation eine Erklärung abgegeben. In dieser beschreibt Elci,
dass Frauen auf der Flucht vor der Terrororganisation IS (Islamischer Staat)
Messer bei sich haben, um im Falle einer Gefangenschaft Selbstmord begehen
zu können. Elci betonte ausdrücklich, dass die Kurden wieder einmal eine der
schlimmsten Katastrophen der Geschichte erleben.

 

Erinnerungen an Halabja werden wach

 

"Die Brutalität bei den Angriffen in Şengal erinnert an das Massaker in
Halabja", sagt Elci. "In mancherlei Hinsicht übersteigt das Maß der Gewalt
Halabja. Von den barbarischen Angriffen des IS auf Şengal sind 600-700.000
Menschen betroffen. Doch das wirkliche Ausmaß der Angriffe und der
erzwungenen Migration ist nicht vorherzusehen. Die kurdische Verwaltung vor
Ort ist einer außerordentlichen humanitären Katastrophe ausgesetzt. Selbst
die weltweit fortschrittlichsten Länder sind auf eine Migration in solch
einem Ausmaß in solch kurzer Zeit nicht vorbereitet. Die Menschen nutzen
jedes Fahrzeug, um sich von dort zu entfernen. Kein Gewissen kann dieses
Leid ertragen. Leider findet diese menschliche Tragödie in der
Weltöffentlichkeit keine Aufmerksamkeit", erklärt Elci.

 

Die regionale Regierung versucht mit eigenen Mitteln diesen Problemen
entgegenzuwirken. Kinder und Frauen sind einer höllischen Hitzewelle
ausgesetzt und versuchen, auf der Flucht unter extremen Bedingungen zu
überleben. Eines der größten Probleme ist der Mangel an Medikamente und
medizinischer Versorgung. Tagelang sind sie auf den Bergen ohne Wasser und
Nahrung unterwegs. Als Folge sind viele vor Durst verstorben. 

"Vor allem kurdische Frauen kämpfen auf den Bergen ums Überleben. Sie
schützen sich vor den barbarischen Männern des IS, indem jede einzelne von
ihnen ein Messer bei sich trägt. Im Notfall werden sie sich selbst
umbringen, um nicht von dieser unmenschlichen Horde vergewaltigt und
verstümmelt zu werden. Geschichten wie Vergewaltigungen vor den Augen ihrer
Angehörigen sowie Entführungen sind keine Einzelfälle mehr. Diese
Unmenschlichkeit und Bedrohungen halten weiter an", so Elci.

 

Ein Aufruf an alle Kurden auf der Welt

 

"Kurden auf der ganzen Welt sollten ihre Aufmerksamkeit auf Şengal richten.
Vor allem êzîdische Kurden sind von diesen Gräueltaten betroffen, mit der
Absicht, sie auszurotten. Der kurdischen Gesellschaft sollte sich dieser
Massaker bewusst werden. Wir werden zunächst eine Kampagne starten, um
Medikamente und medizinische Hilfe zu leisten. Danach sind Unterstützungen
in Form von Nahrungsmittel, Decken, Zelte sowie jegliche Mittel zum Schutz
notwendig. Auch die türkische Regierung sollte ihre Solidarität mit dem Volk
in Şengal zeigen. Unsere Delegation wird hierfür Morgen erste Beziehungen
mit den Behörden in Ankara aufnehmen. Wir fordern auch internationale
Menschenrechtsorganisationen, Wohlfahrtsverbände Gesundheitsorganisationen
dazu auf, alle notwendigen Mittel für eine humanitäre Hilfe bereitzustellen.
Im Namen der Kurden wiederholt sich eine Tragödie in der Geschichte. Wir
haben kein klares Bild über die Ausmaße, doch zehntausende Menschen könnten
ums Leben gekommen sein. Die internationale Gemeinschaft sollte endlich
ihrer Verantwortung gegenüber den Verbrechen nachkommen", fordert Elci.

 

Als Mitglied der Delegation und der türkischen Ärztekammer erklärt Seyhmus
Gökalp, dass über 750.000 Menschen auf der Flucht sind und eine türkische
Regierung mit gutem Willen auf sie wartet. "Da die terroristische Bande auch
andere Gebiete angreifen könnte, wird die Zahl der Flüchtlinge
höchstwahrscheinlich eine Million übersteigen. Das Sahra Krankenhaus sollte
sich darauf vorbereiten", so Gökalp.

 

Internationale Organisationen dürfen nicht schweigen

 

Die Vereinten Nationen, Weltgesundheitsorganisationen, der Weltärzteverband
sollte gegenüber dem Völkermord nicht schweigen. "Dringende Maßnahmen müssen
sofort eingeleitet werden und internationale Institutionen mit ihren
Schutzmitteln und Gesundheitsteams sofort handeln, sonst werden die
verwundeten Menschen aufgrund von Infektionskrankheiten sterben. Wir haben
beobachtet, dass die Gefahr einer Cholera-Krankheit besteht, die sogar in
die Türkei bis hin zum Nahen Osten gelangen kann. Wir werden sofort mit der
Arbeit beginnen, um für unsere Brüder und Schwestern die
Gesundheitsversorgung bereitzustellen", so Gökalp.

 

Radikal, 11.08.2014, ISKU

 

***

 

Islamischer Staat erfolgreich aus Maxmur zurückgedrängt

 

Seit mehreren Tagen ist die Stadt und das daran angebundene Flüchtlingscamp
Maxmur (Makhmour) im Norden des Iraks eines der Zentren der
Auseinandersetzungen zwischen den kurdischen Verteidigungseinheiten und dem
IS (Islamischer Staat). Die kurdischen Kräfte haben an dieser Front eine
gemeinsame Verteidigungslinie entwickelt. Es kämpfen Kämpferinnen und
Kämpfer der HPG (Volksverteidigungskräfte) gemeinsam mit den
Peshmergekräften und zivilen Verteidigungseinheiten, die sich spontan aus
der Bevölkerung von Maxmur zusammengeschlossen haben. Laut letzten
Meldungen, die uns am 10. August erreichten, haben die kurdischen
Verteidigungseinheiten Maxmur erfolgreich von den Islamisten des IS
zurückerobert.

 

Der IS hatte am 6. August zum Angriff auf Maxmur angesetzt. Am Tag darauf
setzte sich die HPG aus den Kandilbergen in Bewegung, um gegen die
Islamisten die Stadt und das Flüchtlingscamp zu verteidigen. Das
Maxmur-Flüchtlingscamp, ein Camp das den Vereinten Nationen untersteht,
wurde mit Beginn der Angriffe des IS sich selbst überlassen. Sowohl die
Peshmergekräfte der KDP als auch die Mitarbeiter der UN flohen aus dem
Gebiet, ohne der zurückgelassenen Bevölkerung irgendeinen Ausweg aus der
Situation aufzuzeigen. Erst mit Ankunft der HPG-Kräfte in der Region und der
darauffolgenden Umsetzung der gemeinsamen Verteidigungsstrategie mit den
anderen kurdischen bewaffneten Einheiten, wurden die rund 13.000 Einwohner
des Flüchtlingscamps evakuiert. Das Camp war im Jahr 1998 für die Opfer des
Staatsterrors der Türkei errichtet worden. In Nordkurdistan/Osttürkei wurden
in den 90er Jahren rund 4000 kurdische Dörfer zerstört. Ein Teil der Opfer
flüchtete damals nach Südkurdistan und landete schließlich im Maxmur-Camp.
Nun sind diese Menschen knapp 16 Jahre nach ihrer damaligen erzwungenen
Emigration erneut auf der Flucht. Mehr als 5000 Menschen aus Maxmur leben
nun auf offener Straße im Sami-Abduraman-Park in Hewlêr (Erbil), der Rest
soll weiter im Norden in die Stadt Ranya gebracht worden sein. Auch in den
Orten, in denen die Menschen nun geflüchtet sind, sind sie auf sich allein
gestellt.

 

Während am 10. August die Gefechte zwischen dem IS und den kurdischen
Verteidigungseinheiten weiter anhielten, wurde immer wieder auch von
amerikanischen Luftangriffen auf die Stellungen des IS in Maxmur berichtet.
Ein Mitarbeiter der Nachrichtenagentur Firatnews berichtet allerdings am
Folgetag, dass die Luftangriffe sich lediglich auf bereits von dem IS
geräumte Stellungen konzentrierten. Die US-Luftangriffe gegen die Stellungen
des Islamischen Staates waren ein Wunsch des Präsidenten der Autonomen
Region Südkurdistans Masud Barzani. Die Einnahme von Maxmur durch den
Islamischen Staat käme einer existentiellen Gefahr für die südkurdische
Autonomieregion gleich, da der IS dann nur noch 40km von Hauptstadt der
Autonomieregion Hewler (Erbil) entfernt wäre.

 

ANF, 11.08.2014, ISKU

 

***

 

HPG und YJA-Star nun auch in Kerkûk zur Verteidigung bereit

 

Nachdem die bewaffneten Kräfte der PKK, die HPG (Volksverteidigungskräfte)
und YJA-Star (Frauenverteidigungseinheiten), für die Verteidigung der
südkurdischen Gebiete gemeinsam mit den Peshmergekräften und lokalen
Milizgruppen in Şengal (Sindschar) und Maxmur (Makhmour) gegen die Kämpfer
der IS agieren, sind sie nun auch in Kerkûk (Kirkuk) für die Verteidigung
der Region vor einem möglichen Angriff der IS in Stellung getreten. Am 09.
August sind die bewaffneten Kräfte aus den Kandilbergen mit dutzenden
Fahrzeugen in Richtung Kerkûk aufgebrochen, wo sie am Morgen des Folgetags
angekommen sind. Unterwegs wurden die Mitglieder der HPG und YJA-Star von
der kurdischen Bevölkerung überall gefeiert. 

 

Nachdem am 10. Juni die islamistische Organisation des IS kampflos die Stadt
Mosul vom irakischen Militär eingenommen hatte, nahmen zwei Tage darauf
Peshmergekräfte die ebenfalls vom irakischen Militär verlassene und
überwiegend kurdische Stadt Kerkûk ein. In den letzten Tagen gab es vermehrt
Meldungen, wonach die IS nun auch die Stadt Kerkûk einnehmen wolle. Zuvor
hatte sie am 3. August die êzîdische Stadt Şengal eingenommen und am 6.
August mit ihren Angriffen auf Maxmur begonnen. In beide Orte wurden
daraufhin auch Einheiten der HPG und von YJA-Star geschickt. In Şengal
konnten sie mit den Volksverteidigungseinheiten (YPG) aus Rojava tausenden
Menschen die Flucht von den Şengalbergen ermöglichen. In Maxmur evakuierten
sie die 13.000 Einwohner des UN-Flüchtlingscamps. In beiden Orten halten die
Gefechte mit dem IS an. 

 

ANF, 10.08.2014, ISKU

 

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Sarıyıldız: Viele Frauen begehen aus Furcht dem IS Selbstmord

 

Der HDP-Abgeordnete Faysal Sarıyıldız ist aufgrund der aktuellen Ereignisse
in Südkurdistan/Nordirak in die Region gereist, um sich vor Ort ein Bild
über die Lage der êzîdischen Flüchtlinge aus Şengal zu machen. Die
Eindrücke, die Sarıyıldız der Öffentlichkeit nach seiner Reise mitgeteilt
hat, verdeutlichen das Ausmaß des Schreckens in der Region. Der
HDP-Abgeordnete berichtet von tausenden Menschen, die ohne Wasser und
Nahrung sich auf der Flucht befinden. Die Gefahr, dass durch den Ausbruch
einer ansteckenden Krankheit unzählige Menschen ums Leben kommen könnten,
sei sehr groß. Sarıyıldız erklärt, dass ihm von den Flüchtlingen berichtet
worden ist, dass sich dutzende Frauen vor Angst in die Hände des IS zu
fallen, sich von den Klippen in den Selbstmord gestürzt haben.

 

Sarıyıldız beschreibt seine Eindrücke mit folgenden Worten: "Wir haben ein
Camp besucht, das 15 km von der türkischen Grenze eingerichtet worden ist.
Das Camp befindet sich auch in der Nähe zur Grenze von Rojava, und war
eigentlich für die Menschen gedacht, die von dort nach Südkurdistan flüchten
mussten. In dem Camp, das eigentlich ein für 5000 Menschen bestimmtes
heruntergekommenes Zeltlager ist, befinden sich zehntausende Êzîden. Es gibt
nur sehr unzureichende ärztliche Versorgung. Auch die Lebensmittel sind
äußerst knapp. Die Menschen sprechen davon, dass sie teilweise pro Familie
am Tag ein Laib Brot erhalten."

 

Die Menschen im Camp haben dem HDP-Abgeordneten von Ermordungen junger
Männer und Kinder berichtet. Zahlreiche Frauen seien entführt worden was für
sie Vergewaltigung und Verkauf bedeutet. Diejenigen Menschen, die in den
Vororten von Şengal leben, konnten sich auf die Berge retten, doch viele
Menschen im Stadtzentrum blieben zurück. Was mit diesen Menschen geschehen
ist, ist unklar. Verschiedenen Berichten zufolge sollen bereits über 3000
Todesopfer in Şengal zu beklagen sein.

 

ANF, 09.08.2014, ISKU

 

 

 

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