[imc-presse] Aufruf anlässl NSU-Verfahren_Verfassungsschutz abschaffen!_Staatlichen und alltäglichen Rassismus bekämpfen!

RAV e.V. gs at rav.de
Tue Mar 12 13:33:53 CET 2013


Aufruf zur Demonstration
Verfassungsschutz abschaffen!
Staatlichen und alltäglichen Rassismus bekämpfen!
 
Fünf Bürgerrechtsorganisationen rufen zur Teilnahme an der Demonstration am
13. April 2013 in München auf (13 Uhr am Stachus), die anlässlich des
Beginns des NSU-Prozesses stattfinden wird.
 
Grundrechtekomitee, Pro Asyl, Republikanischer Anwältinnen- und
Anwälteverein, Liga für Menschenrechte und die Vereinigung Demokratischer
Juristinnen und Juristen fordern, aus dem Versagen von Polizei und
Geheimdiensten weitreichende politische Konsequenzen zu ziehen. 
 
Die „Pannen“ und Fehlleistungen der Sicherheitsbehörden hatten System. Die
bisherigen Reaktionen darauf, die die Zusammenarbeit zwischen
Verfassungsschutz und Polizei noch verstärken, gehen in die völlig falsche
Richtung. 
Rassismus ist tief im staatlichen Handeln verwurzelt und äußert sich auch in
gesetzlich vorgesehenen Diskriminierungen von MigrantInnen (z.B. gekürzte
Sozialleistungen für Asylsuchende). 
 
Für den Kampf gegen Rassismus und Neonazis braucht es nicht noch mehr
geheim(dienstlich)e Überwachung, sondern eine andere Politik mit
MigrantInnen und Asylsuchenden sowie eine Polizei, die anders Aussehende und
anders Lebende als vollwertige BürgerInnen mit gleichen Rechten behandelt –
egal woher sie kommen.
 
Wir fordern:
Verfassungsschutz abschaffen!
Keine V-Leute – keine verdeckten Ermittlungen!
Staatlichen und alltäglichen Rassismus bekämpfen!
 
Siehe Aufruf in der Anlage, hier folgend oder
http://www.rav.de/publikationen/mitteilungen/mitteilung/?tx_ttnews[tt_news]=
291&tx_ttnews[backPid]=29 
 
Internationale Liga für Menschenrechte • http://ilmr.de/ Komitee für
Grundrechte und Demokratie e.V. • http://www.grundrechtekomitee.de/ PRO ASYL
• http://www.proasyl.de/ Republikanischer Anwältinnen- und Anwälte Verein
e.V. • http://www.rav.de/ Vereinigung Demokratischer Juristinnen und
Juristen e.V. • http://www.vdj.de/ 


***
Verfassungsschutz abschaffen!
Staatlichen und alltäglichen Rassismus bekämpfen!

Aufruf zur Demonstration am 13. April 2013 in München!

Am 17. April 2013 beginnt in München der NSU-Prozess, in dem unter anderem
zehn Morde aufzuklären sind. Davon unabhängig müssen aus dem Versagen von
Polizei und Geheimdiensten weitreichende politische Konsequenzen gezogen
werden. Die Selbstenttarnung des „Nationalsozialistischen Untergrunds“ (NSU)
offenbarte in der Folge eine Masse von Fehlleistungen der Geheimdienste und
der Polizei bei der Nicht-Verfolgung der Mordserie. Die
Untersuchungsausschüsse des Bundestages und der Landtage Thüringens,
Sachsens und Bayerns decken immer neue Skandale auf: Akten waren
geschreddert worden, die Verfassungsschutzämter oder – im Falle Berlins –
der polizeiliche Staatsschutz des Landeskriminalamts „vergaßen“ dem
Ausschuss V-Leute aus dem Umfeld der Gruppe zu benennen, Informationen
wurden nicht weiter gegeben.

Die „Pannen“ und Fehlleistungen, die es zuhauf gegeben hat, hatten jedoch
System. Mindestens 17 V-Leute der Landesämter und des Bundesamtes für
Verfassungsschutz, des Militärischen Abschirmdienstes und des polizeilichen
Staatsschutzes waren im Umfeld des NSU und des „Thüringer Heimatschutzes“,
aus dem das Trio hervorging, aktiv. Der dem Verfassungsschutz so wichtige
„Quellenschutz“ führte praktisch zu einer Deckung der Täter und behindert
nun eine umfassende Aufklärung. Es wurden auch V-Leute angeworben und
geführt, die in Neonazi-Organisationen eindeutige Führungsrollen innehatten,
die ohne jeden Zweifel die politischen Positionen ihrer Gruppen weiter
prägten, die auch Straftaten begingen oder begangen hatten und nicht selten
gegen polizeiliche Ermittlungen abgeschirmt wurden; die V-Leute des
Verfassungsschutzes hatten zum Teil einen enormen Finanzbedarf für sich
selbst und ihre Gruppen und erhielten für dessen Deckung von ihren
geheimdienstlichen Auftraggebern teils horrende Summen als Honorar. Das mag
zwar den offiziösen Handbüchern zum Verfassungsschutzrecht und den
offiziellen Vorschriften, die für das Bundesamt und einige Landesämter
damals schon galten, zuwider laufen. Es entspricht jedoch der Dynamik eines
letztlich unkontrollierbaren V-Leute-Systems, die auch mit einer zentralen
V-Leute-Datei und neuen Richtlinien nicht außer Kraft gesetzt wird.

Das „Frühwarnsystem“, als das sich der Verfassungsschutz gerne verkauft, hat
das Gewaltpotenzial der Neonazi-Szene systematisch falsch eingeschätzt, ja
regelrecht ignoriert. Obwohl die Polizei bei Razzien immer wieder Waffen und
Bomben bei Neonazis fand, blieben sie in den Augen des Inlandsgeheimdienstes
weiterhin bloße Waffennarren.

Aber auch die Polizei, die in der Mordserie ermittelte, schloss eine
rechtsextreme Täterschaft von Anfang an aus. Der institutionelle Rassismus
dieser Behörden machte nicht nur blind, sondern führte zu völlig einseitigen
und skandalösen Ermittlungen, in denen die Opfer und ihre Angehörigen zu
Verdächtigen und potentiellen Tätern wurden. Einwanderer und Menschen mit
Migrationshintergrund erscheinen staatlichen Behörden offensichtlich schnell
verdächtig, selbst in kriminelle Machenschaften verwickelt zu sein. Auch die
breite Öffentlichkeit pflegt solche Vorurteile.

Dem üblichen Reflex entsprechend, wird als „Konsequenz“ nur weiter an der
„Sicherheitsarchitektur“ gebaut. Verfassungsschutz und Polizei sollen noch
enger als bisher zusammenarbeiten. Die neue gemeinsame
Rechtsextremismusdatei folgt dem Beispiel der Anti-Terror-Datei und soll
Informationen aus Polizei und Diensten zusammenführen. Wo aber
rechtsterroristische Straftaten gar nicht erst als solche erkannt werden –
wie die Morde, Banküberfälle und Bombenattentate des NSU –, da wird auch
eine gemeinsame Datenbasis keine blinden Augen sehend machen. Dass sich an
den Feindbildern der Inneren Sicherheit auch nach dem NSU-Debakel nichts
geändert hat, zeigt sich spätestens daran, dass das im Dezember 2011
eingerichtete Gemeinsame Abwehrzentrum Rechtsextremismus knapp ein Jahr
später in ein neues Gemeinsames Extremismus- und Terrorismusabwehrzentrum
(GETZ) eingegliedert wurde, mit dem nun Geheimdienste und Polizei auch gegen
„Linksextremismus“, „Ausländerextremismus“, Spionage und illegale
Rüstungsexporte kooperieren sollen. Das Trennungsgebot, das besagt, dass
Polizei und Geheimdienste strikt zu trennen sind und ein Geheimdienst keine
vollzugspolizeilichen Befugnisse und Aufgaben haben darf, wird weiter
ausgehöhlt. Im Dezember 2012 hat die Innenministerkonferenz zudem ein
umfangreiches Paket zur „Neuausrichtung“ des Verfassungsschutzes
beschlossen, das den Inlandsgeheimdienst weiter stärken soll.

Rassismus ist tief im staatlichen Handeln verwurzelt. So gibt es auch in
anderen Bereichen gesetzlich vorgesehene Diskriminierung von MigrantInnen
(z.B. gekürzte Sozialleistungen für Asylsuchende).  Dies stärkt den
institutionellen Rassismus, der auch bei den verdachtsunabhängigen
Personenkontrollen deutlich wird, die sich vor allem gegen MigrantInnen,
gegen People of Colour und Muslime richten.

Noch immer geschehen täglich zwei bis drei rechte Gewalttaten in
Deutschland, allein für den Monat Dezember 2012 nannte die Bundesregierung
auf Anfrage die Zahl von „vorläufig“ 755 politisch rechts motivierten
Straftaten, „davon 43 Gewalttaten und 516 Propagandadelikte“. Rassistische
Gewalt und rechter Terror durch Neonazis haben sich in den bundesdeutschen
Alltag eingeschrieben, und doch bleiben auch heute noch Opfer rechter und
rassistischer Gewalt der fatalen Mischung aus Ignoranz, Inkompetenz,
Verharmlosung und Vertuschung bei Strafverfolgern und Justiz ausgesetzt, die
das Staatsversagen im NSU-Komplex im Zusammenspiel mit institutionellem
Rassismus erst ermöglicht haben. Die Gängelung und Beeinträchtigung von
antirassistischen Initiativen sowie die anhaltenden Versuche, deren
Aufklärungsarbeit sowie den Protest und Widerstand gegen Neonazis zu
kriminalisieren, sind ebenfalls in diesem Kontext zu sehen und verschaffen
den Neonazis weitere Spielräume.

Während ein neonazistisches Terrornetzwerk mit einem offensichtlich breiten
Unterstützerkreis mehr als zehn Jahre lang unentdeckt in Deutschland leben
und morden konnte, ist eine öffentliche Solidarisierung mit den Opfern und
den Hinterbliebenen bislang weitgehend ausgeblieben. Das betrifft nicht nur
geheimdienstlich, polizeilich und politisch Verantwortliche. Dieser Mangel
an Empathie auch einer Mehrheitsgesellschaft ist es, der nicht nur die
Betroffenen nach wie vor allein lässt, sondern rassistische und rechte Täter
zu weiterer Gewalt ermutigt.

Für den Kampf gegen Rassismus und Neonazis braucht es nicht noch mehr
geheim(dienstlich)e Überwachung, sondern eine andere Politik mit
MigrantInnen und Asylsuchenden sowie eine Polizei, die anders Aussehende und
anders Lebende als vollwertige BürgerInnen mit gleichen Rechten behandelt –
egal woher sie kommen.
  
Wir fordern:
Verfassungsschutz abschaffen!
Keine V-Leute – keine verdeckten Ermittlungen!
Staatlichen und alltäglichen Rassismus bekämpfen!

Internationale Liga für Menschenrechte • http://ilmr.de/  
Komitee für Grundrechte und Demokratie e.V. •
http://www.grundrechtekomitee.de/ 
PRO ASYL • http://www.proasyl.de/ 
Republikanischer Anwältinnen- und Anwälte Verein e.V. • http://www.rav.de/ 
Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen e.V. •
http://www.vdj.de/ 

V.i.S.d.P. Elke Steven, Köln


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Sigrid v. Klinggräff
RAV-Geschäftsstelle
Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein e. V.
Haus der Demokratie und Menschenrechte
Greifswalder Straße 4 | 10405 Berlin
Tel +49 (0)30 417 235 55 | Fax +49 (0)30 417 235 57
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