[imc-presse] Presseerklärung: Eine Gegendarstellung von Yek-Kom über d ie Berichte über 20. Kurdisches Kulturfestival in Mannheim

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Sun Sep 16 10:06:34 CEST 2012


Sehr geehrte Damen und Herren,

Sehr geehrte Pressevertreterinnen und Pressevertreter,


anbei erhalten Sie eine Gegendarstellung von YEK-KOM – Föderation der kurdischen
Vereine in Deutschland e.V. zu der Berichterstattung über das 20. Kurdische
Kulturfestival vom 8. September 2012 in Mannheim.



Mannheim wurde am besagten Tag laut der Berichterstattung der Medien zufolge von
„Kurdengewalt“ heimgesucht. „Gewalttätige Kurden", „Kurdische Gewaltorgie",
„Kurden-Krawalle", „Kurden-Randale", „Kurden machen Jagd auf deutsche
Polizisten" und ähnliche Überschriften dominierten die Schlagzeilen in den
Folgetagen des Festivals. Eine solche Hysterie führt unserer Meinung nach zu
einem erschwerten Leben der KurdInnen in Mannheim und in Deutschland. Denn
beunruhigend sind nicht allein die einseitigen Berichte der Medien, beunruhigend
ist vielmehr die Selbstverständlichkeit und Plausibilität, die den Ausführungen
darin vielerseits zugestanden wird. Denn letztendlich wird in den Berichten das
Ursache-Wirkungsverhältnis auf den Kopf gestellt.



Wir senden Ihnen die Gegendarstellung mit der Bitte um Kenntnisnahme,
Weiterverarbeitung und Verbreitung zu.



Mit freundlichen Grüßen

Yüksel Koç

YEK-KOM – Föderation der kurdischen Vereine in Deutschland e.V.





Für Presseanfragen stehen der Vorsitzende der YEK-KOM, Herr Yüksel Koc, unter
der Telefonnummer  0173-8244709 und der stellvertretende Vorsitzende Erol Polat
unter 0173-2791277 gerne zur Verfügung





 *********              *********             *********





Wie viel Kriminalisierung und Diskriminierung vertragen KurdInnen in
Deutschland?



Verbote, Diskriminierung, Rassismus, Ausgrenzung, Folter und ein feindliches
Gesamtbild... Müssen KurdInnen das alles hinnehmen oder gelten auch für sie
demokratische Rechte? Einige Betrachtungen und Gedanken zu den Vorfällen beim
„20. Kurdischen Kulturfestival“ in Mannheim.


Mannheim wurde, der Berichterstattung der Medien zufolge, scheinbar von
„Kurdengewalt“ heimgesucht. „Gewalttätige Kurden", „Kurdische Gewaltorgie",
„Kurden-Krawalle", „Kurden-Randale", „Kurden machen Jagd auf deutsche
Polizisten" und ähnliche Überschriften dominierten die Schlagzeilen. Eine solche
Hysterie führt zu einem erschwerten Leben der KurdInnen in Mannheim und in
Deutschland. Denn beunruhigend sind nicht allein die einseitigen Berichte der
Medien, beunruhigend ist vielmehr die Selbstverständlichkeit und Plausibilität,
die den Ausführungen darin vielerseits zugestanden wird. Denn letztendlich wird
in den Berichten das Ursache- Wirkungsverhältnis auf den Kopf gestellt.



Die KurdInnen sind sich einig: Die systematische Kriminalisierung der KurdInnen
hat zwar in Deutschland eine besondere Ausprägung - im Kern liegen die Ursachen
für die Vorkommnisse in Mannheim jedoch tiefer und sind zudem multikausal. Wer
politisches Engagement einer ganzen MigrantInnengruppe verbietet und die
Realität in deren Heimat nicht wahrhaben will – und die entsprechende
Verbotspolitik in der BRD mit Gewalt, Polizeiübergriffen, Beschlagnahmung von
Symbolen und Festnahmen durchsetzen will, wird zwangsläufig immer wieder in eine
Sackgasse laufen. Dass dem so ist, zeigt sich auch im Fall der KurdInnen und des
PKK Verbots von 1993 und der damit zusammenhängenden bis heute fortgesetzten
Repression.



Auslöser für die Auseinandersetzungen beim kurdischen Kulturfestival in Mannheim
war nicht alleine der Versuch der Polizei, einem 12jährigen eine Fahne mit einem
verbotenen kurdischen Symbol abzunehmen, sondern u.a. das Verbot selbst und
vorausgegangene systematische Polizeiübergriffe und rassistische Ausfälle bei
einem Friedensmarsch von Jugendlichen im Vorfeld des Kulturfestivals sowie
Polizeigewalt bei Großdemonstrationen 2011 in Berlin und 2012 in Frankfurt. Eine
12jährige wurde in Frankfurt mit Pfefferspray in Ohnmacht gesprüht, unzählige
KurdInnen von Polizeibeamten systematisch rassistisch beschimpft - mehrere
Frauen und Kinder in Berlin von Polizeibeamten schwer verletzt. U.a. in diesem
Zusammenhang zeigt sich, dass eine Verweigerung des politischen Dialogs und der
Grundrechte sowie das PKK Verbot offensichtlich nicht mit rechtstaatlichen
Mitteln durchgesetzt werden können.


Eine einseitige, verzerrte und aufhetzende Berichterstattung über die
Ereignisse, wie die der  dpa und des dpad ist unser Ansicht nach
verantwortungslos. Die verwerteten Informationen beruhten lediglich auf Aussagen
und Stellungnahmen der Polizei und des Baden-Württembergischen Innenministers,
während eigene Recherche offenbar nicht angestellt und die Stellungnahmen der
OrganisatorInnen des Kulturfestivals nicht berücksichtigt wurden. Mit
Schlagzeilen wie  "Gewalttätige Kurden", "Kurdische Gewaltorgie",
"Kurden-Krawalle", "Kurden-Randale", "Kurden machen Jagd auf deutsche
Polizisten" etc., wurde ein weitaus differenzierterer Konflikt in die deutsche
Öffentlichkeit getragen. Der Tenor und die damit verbundene Zielrichtung ist
eindeutig: Weitere Verbote und größere Einschränkungen für „per se“
gewaltbereite KurdInnen! „Sämtliche Großveranstaltungen der kurdischen
MigrantInnengruppe sollten verboten werden“, war zu vernehmen. Das widerspräche
dem Grundgesetz, Art. 8 (Versammlungsrecht). Sinnvoller wäre demgegenüber eine
Diskussion über die Aufhebung des PKK Verbots. Denn die PKK ist in der
kurdischen Bevölkerung verankert und leistet völkerrechtlich legitimen
Widerstand gegen anhaltendes Unrecht und staatliche Verbrechen gegen die
Menschlichkeit - und setzt sich seit 10 Jahren für eine friedliche Lösung der
kurdischen Frage ein. Unter anderem hat die Organisation diesbezüglich in Oslo
bis 2011 Gespräche mit der türkischen Regierung geführt. Diese wurden dann
jedoch abgebrochen - und die türkische AKP Regierung spitzte den militärischen
Konflikt erneut zu. Was hat das PKK Verbot für eine Bedeutung, wenn nicht einmal
ein 12jähriger davon überzeugt werden kann?".



Wir fragen: Welche kurdische Gewalt ist gemeint? Die Stigmatisierung der
KurdInnen als gewalttätig und chaotisch gehört zum Standardrepertoire in
deutschsprachigen Medien – und zwar immer dann, wenn die kurdische Bewegung in
der Türkei erstarkt und erfolgreich ist und in der Bundesrepublik eine
entsprechende Dynamik befürchtet wird. Darauf folgt regelmäßig eine
diffarmierende Berichterstattung, die juristische und politische Repressalien
flankiert. Das war in den 1990er Jahren genauso der Fall wie heute. Es ist nicht
leicht, den infamen Behauptungen der Polizei  journalistische, der Realität
entsprechende Fakten entgegenzustellen, da diese nicht gehört werden wollen. Es
ist aber auch nicht möglich zu beweisen, das KurdInnen „wirklich“ gewalttätige
und verfassungsfeindliche Menschen sind – da dies nicht der Wahrheit entspricht,
Deshalb bedarf es offensichtlich einer derart verzerrenden und verkürzenden
Berichterstattung, wie wir sie jetzt erlebt haben. Die öffentliche Meinung
gegenüber den KurdInnen soll auf die Ausschreitungen reduziert werden um etwaige
weitere Verbotsmaßnahmen oder politische und juristische Schritte zu
rechtfertigen.

Wir fragen: Warum wird nicht über die Forderungen von  zehntausenden KurdInnen
nach Freiheit, Frieden und Demokratie berichtet? Warum wird nicht über die
starke kurdische Frauenbewegung, die immer weitere Schritte der
Gleichberechtigung umsetzt, berichtet?

Die Ausschreitungen im Rahmen des 20. Kurdischen Kulturfestivals in Mannheim
sowie die einseitige Berichterstattung in den Mainstreammedien haben sowohl den
Ruf der KurdInnen als auch der VeranstalterInnen geschädigt. Das zum 20. Mal
veranstaltete Festival hatte die Forderungen „ Freiheit für Öcalan - Ein Status
für Kurdistan“ und brachte den politischen Willen der Mehrheit der KurdInnen in
Deutschland und Europa zum Ausdruck. Mit einem kulturellen Programm und
politischen Botschaften sollten die Forderungen von hunderttausenden KurdInnen
an die deutsche und türkische Regierung übermittelt werden.

Einem rassistischen und diskriminierenden Einsatzleiter der Polizei, der die
Jugendlichen und Besucher des Kurdischen Kulturfestivals sowie die
VeranstalterInnen in Mannheim u.a. als „Banden“, „Hunde“, „Mob“, „Dreck“,
„Verbrecher“ bezeichnete, wird der Rücken nicht nur durch ein massives
Polizeiaufgebot, sondern im Grunde genommen auch durch das PKK Verbot gestärkt.
Sein Handlungs- und Ermessensspielraum wurde in diesem Fall schon im Vorfeld
bestimmt. Auch die undifferenzierten und negativen Einschätzungen des
Verfassungsschutzes spielen dabei eine Rolle. Bemerkenswert ist ebenfalls, dass
die Entscheidung des Bundesjustizministeriums über die Verfolgung von KurdInnen
gemäß § 129 b StGB (Mitgliedschaft oder Unterstützung einer terroristischen
Vereinigung im Ausland) maßgeblich auf den Einschätzungen eines Beamten des
Bundeskriminalamts (BKA) beruhen, der sich in der Problematik so wenig auskennt,
dass er weder Wissen über die im türkischen Parlament vertretene Demokratische
Friedenspartei BDP, noch von Menschenrechtsverletzungen in der Türkei oder der
Existenz der Kurdischen Autonomieregion im Nordirak, geschweige denn von
inhaltlichen Entwicklungen der Politik der PKK hat. Dies wurde jüngst in einem
der begonnenen § 129 b Verfahren gegen einen kurdischen Politiker
offensichtlich.

Stimmung gegen das Kulturfestival, das bisher 19 Jahre lang friedlich abgelaufen
war, wurde im Vorfeld auch durch den enormen Druck der türkischen
Community/Lobby in Mannheim geschürt. Diese „berichteten“ von  angeblichen
Bombendrohungen und geplanten Terrorakten gegen türkische Geschäfte seitens der
PKK. Eine entsprechende Hetzkampagne wurde im Vorfeld seitens des Türkischen
Unternehmerverbands und der türkischen Tageszeitung Hürriyet gestartet.
Zusätzlich wurde die Stimmung auf dem Festival und dem Weg dorthin durch eine
massive und aggressive Polizeipräsens sowie die ständige Überwachung durch einen
Polizeihelikopter über dem Festivalgelände bewusst angeheizt. Inwieweit sollte
zugelassen werden, dass die türkische Lobby durch Falschinformationen
Polizeistrategien beeinflusst - und ohne Konsequenzen eine derartige
Hetzkampagne durchführen?

Der Einsatz von Schlagstöcken, Pfefferspray, bissigen Hunde, rassistisch
schimpfenden Polizistinnen und einem rassistischen Einsatzleiter führten, im
Zusammenhang mit den vorher geschilderten Grundbedingungen, letztendlich  zu den
Ausschreitungen mit mehr als 100 verletzten BesucherInnen der Veranstaltung. „Im
letzten Veranstaltungsdrittel hatten wir ausschreitungsbedingte medizinische
Versorgungen durchzuführen. Hierzu zählten Kontaktreaktionen mit Reizgas,
Hundebisse und Platzwunden. Entgegen der Presseberichte kann ich dementieren,
dass es Übergriffe seitens der Besucher auf Sanitäter von unserer Organisation
gab. Die Besucher erlebten wir überwiegend friedlich uns gegenüber und dankbar
für die Versorgung.“ heißt es vom beauftragten Sanitätsdienstleiter gegenüber
dem Veranstalter. Für die kurdischen Organisationen stellt sich die Frage: wird
Demokratie in Deutschland mit Reizgas und Hunden durchgesetzt oder ist ein Weg
des Dialogs gewollt und möglich?


Ganz zu schweigen von zwei Jugendlichen die im Vorfeld der Veranstaltung (am
Freitagabend) auf dem Mannheimer Polizeipräsidium misshandelt wurden und im
Krankenhaus behandelt werden mussten - und inzwischen Anzeige erstattet haben.
Wie viel Gewalt, Schläge und Misshandlungen die uns an die Folter der türkischen
Polizei erinnern, sind in Deutschland erlaubt? Oder werden die Grundrechte für
KurdInnen aufgehoben?



Auch der Fall des vierzehnjährigen Mädchens R. aus Magdeburg ist
besorgniserregend: Sie übergab am Eingang des Geländes PolizistInnen ihre
verbotene Fahne. Später wurde sie ohne ihre Begleitperson zum Polizeipräsidium
gebracht, da sie keinen Ausweis bei sich hatte. Sie war einem ca. zweistündigen
Verhör ausgesetzt, bei dem sie eingeschüchtert und völlig verängstigt wurde.
Obwohl der Grund für die Festnahme eine verbotene Fahne war, wurde Sie in einem
anderen Raum von einer Polizeibeamtin gezwungen sich nackt auszuziehen. Gerade
in der kurdischen Kultur bedeutet dies eine besondere Erniedrigung. Ein solches
Vorgehen ist rechtswidrig und verletzt die Menschenrechte. Muss eine 14jährige
Kurdin dritter Generation mit diesen menschenunwürdigen Handlungen, die Sie aus
türkischen Verhältnissen kennt, leben oder werden die verantwortlichen zur
Rechenschaft gezogen?

Diffamierungen, Rassismus und Gewalt werden durch solche Vorgehensweisen
„normalisiert“. Da sie für viele KurdInnen z.b. im Kontakt mit Behörden, in
Sicherheitsbefragungen oder im täglichen Leben alltäglich sind, werden sie schon
beinahe als unvermeidbar betrachtet – das bedeutet eine gravierende Form der
Ausgrenzung. Sollten die diskriminierenden und rassistischen Aussagen und das
brutale Vorgehen der Mannheimer Polizei, deren Einsatz mit Steuergeldern
sämtlicher BürgerInnen finanziert wird, die Meinung der deutschen Öffentlichkeit
und Gesellschaft widerspiegeln, bleibt den KurdInnen nichts anderes übrig, als
damit zu „leben“. Aber sollte dies nicht der Fall sein, was wir KurdInnen hoffen
und annehmen - sollten Öffentlichkeit und Gesellschaft sich ernsthaft damit
auseinandersetzen und die dafür verantwortlichen wie z.b. den Einsatzleiter zur
Rechenschaft ziehen. Sollen eine erweiterte Verbotspolitik und Sondergesetze
sowie die Unterstützung einer derart diskriminierenden und rassistischen Praxis
von Beamten und Behörden durchgesetzt werden - oder gelten demokratische
Standards und rechtstaatliche Normen auch für KurdInnen?

Es ist fatal und alles andere als im Sinne eines rechtsstaatlichen,
demokratischen und fortschrittlichen Staates, welcher Schaden mit einer derart
einseitigen und verallgemeinernden Sichtweise auf die Ereignisse verursacht
wurde. Eine ganze Bevölkerungsgruppe, deren Angehörige zum Teil schon seit über
50 Jahre in Deutschland leben, wurde von heute auf morgen erneut unter
Generalverdacht gestellt. Lediglich ein lokaler Fernsehsender lädt uns als
VeranstalterInnen und VertreterInnen der KurdInnen zu einer Sendung mit dem
Titel „Wildes Kurdistan in Mannheim - Wie viel Risiko verträgt die Toleranz?“
gemeinsam mit dem  Einsatzleiter der Polizei. Traurig wie unverantwortlich durch
einen solchen Titel versucht wird, die Würde der KurdInnen dem Wahn der
Mediengesellschaft unterzuordnen. Wenn die KurdInnen von Medien auf als Wild und
Risiko reduziert werden, trägt dass eindeutig stigmatisierende Züge und öffnet
rassistischen Übergriffen Tür und Tor. Unsere Antwort darauf: „Wilde
Verbotspolitik! Wie viel kriminalisierende und menschenunwürdige Handlungen
müssen wir noch ertragen?“

Jenen, die die Nachrichten lesen oder hören, wird ein Bild vermittelt, dass die
Kurden grundsätzlich als wilde, unberechenbare und gewalttätige Menschen (ein
rassistischer Stereotyp) sowie als Krawallmacher stigmatisiert. Eine
Bevölkerungsgruppe, die sich gegen den Rechtsstaat stellt, die Gesetze bricht
und sich die deutsche Polizei als Feindbild aufgebaut hätte. Das ist für uns
entwürdigend und erinnert fatal an die kurdenfeindliche und rassistische
Einstellung der Verantwortlichen in der Türkei. Die Folgen für die KurdInnen
aber auch für die gesamte Gesellschaft sind verheerend. So wurde eine Kurdin am
vergangenen Sonnabend - direkt nach dem kurdischen Festival am Mannheimer
Paradeplatz von einem türkischen Fahrer gezwungen aus der Straßenbahn
 auszusteigen, da Sie ein Halstuch mit kurdischen Farben trug. Woher nimmt
dieser Straßenbahnfahrer sich das Recht eine feindliche und rassistische
Handlung durchzuführen, die an das Südafrikanische Apartheidsregime erinnert?

Man kann die Debatte und Berichterstattung nach dem Kurdischen Kulturfestival in
Mannheim nicht versachlichen - denn nichts an ihr ist richtig. Wir können keine
Haltung akzeptieren, die auf die sachliche Darstellung der Problematik
verzichtet und die Äußerungen der VeranstalterInnen und die politischen
Forderungen der KurdInnen ignoriert und die  KurdInnen zu Sündenböcken, die
lediglich ein Sicherheitsproblem darstellen erklärt.


Keiner der Presseartikel enthält irgendeine Hintergrundinformation über die
kurdische Frage, gravierende Menschenrechtsverletzungen und Kriegsverbrechen in
der Türkei – oder die jahrzehntelange blutige Unterdrückung durch das türkische
Regime, die Dorfvertreibungen, die Dorfzerstörungen, die Umweltvernichtung, die
zahllosen Morde durch „unbekannte“ Täter, die Folterungen in Gefängnissen und
auf Polizeistationen, den Einsatz von sogenannten Dorfschützern und
Todesschwadronen, die massenhaften Verhaftungen von türkischen und kurdischen
MenschenrechtlerInnen, JournalistInnen, Abgeordneten, Jugendlichen und sogar
Kindern. Der Platz reicht nicht aus, um darzustellen, mit welcher Lebensrealität
das kurdische Volk seit Jahrzehnten und in den letzten Jahren, seit Antritt der
AKP Regierung, erneut verstärkt konfrontiert ist.



Erschreckend ist auch, dass die bundesdeutsche Regierung die AKP noch immer als
demokratisch orientiert und bestes Rollenmodell für Reformen im Mittleren Osten
verklärt und der Lobbyarbeit der AKP, wie auch der sie maßgeblich tragenden
Bewegung des Predigers Fethullah Gülen auf den „Leim“ geht. Die AKP Regierung
gestaltet die türkische Gesellschaft zunehmend autokratisch und fundamental
islamisch und verfolgt zudem im Mittleren Osten ein Neo- osmanisches Projekt.
Grundrechte, wie das Recht auf freie Meinungsäußerung werden systematische
ausgehebelt, mehr als 8000 KurdInnen, darunter 6 ParlamentarierInnen, 33
BürgermeisterInnen und hunderte JournalistInnen und GewerkschafterInnen wurden
inhaftiert. Auch die Frauen werden immer weitergehend unterdrückt. Diesbezüglich
hat die Zahl der Vergewaltigungen sich seit dem Regierungsantritt der AKP um
mehrere 100% gesteigert. Die AKP verkauft all das jedoch durch geschickte
Lobbyarbeit international als demokratische Öffnung.



Aus geostrategischen und wirtschaftlichen Gründen stützt die Bundesregierung die
menschenverachtende Politik der AKP und versucht im Gegensatz dazu die
demokratische Stabilisierung in den von der BDP verwalteten Regionen der Türkei
und die dort immer weitergehend umgesetzten Frauenrechte zu ignorieren. Das
erscheint auch Notwendig um die Verbots- und  die Kriminalisierungsspirale
gegenüber den KurdInnen in der BRD aufrecht zu erhalten.



Das spiegelt sich leider auch in der einseitigen Berichterstattung der Presse in
Deutschland wieder. Dadurch, dass den LeserInnen wichtige Informationen
vorenthalten werden, die jedoch für ein Verständnis der Konflikte und Probleme
unabdingbar sind, wird unserer Meinung nach verantwortungslos gehandelt.
Tatsache ist, dass die Mehrheit der etwa 1 Million in Deutschland lebenden
KurdInnen der beschrieben unmenschlichen Politik ausgesetzt waren - und dass sie
aus Angst um ihr Leben Ihre Heimat Kurdistan verlassen mussten.

Nachhaltig und unabdingbar für ein friedliches und politisches Zusammenleben ist
eine offene Debatte auf gleicher Augenhöhe. Die Frage, die sich vielen
KurdInnen, aber auch zahlreiche weitere BürgerInnen in Deutschland stellen, ist:
„Was hat das PKK-Verbot heute noch für eine Bedeutung - und was behindert eine
Aufhebung des Verbots?“ Sollte sich die Politik wirklich um eine nachhaltige und
effektive Lösung der Kurdenfrage in Deutschland bemühen, ist der erste und
ausschlaggebende Schritt, dass PKK-Verbot aufzuheben. KurdInnen werden u.a.
durch dieses Verbot und dessen weitreichende Folgen faktisch seit zwanzig Jahren
von entscheidenden Grundrechten ausgeschlossen.



Wir als Föderation Kurdischer Vereine in Deutschland YEK-KOM e.V. und die
KurdInnen wollen das Offensichtliche verdeutlichen. Wir leben in einem
demokratischen Rechtsstaat, dessen Verfassung für uns von großer Bedeutung ist.
Das bedeutet: Wenn wir über das friedliche Zusammenleben in Deutschland sprechen
wollen, dessen Grundlage im Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland
verankert ist, dann müssen wir aufhören, von „kurdischer Gewalt“,
„Kurden-Krawallen“ etc. zu reden und zu schreiben. Ein demokratischer und
vorurteilsfreier Umgang ist daher ein erster Schritt. Im Artikel 1 des
Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland heißt es: „Die Würde des Menschen
ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller
staatlichen Gewalt.“ Das heißt, die Würde des Menschen stellt den obersten
Verfassungsgrundsatz dar - und der Staat hat alles zu unterlassen, was die
Menschenwürde beeinträchtigen könnte. Also gilt Artikel 1 auch für die
KurdInnen. Im Beschriebenen wird jedoch die Missachtung der Würde der KurdInnen
vielfach deutlich.



Für eine positive Entwicklung muss gewährleistet werden den Kurdinnen,
rechtlichen und politischen Raum zu geben, der Ihnen ermöglicht als
gleichberechtigt anerkennt zu werden um ihr Leben selbstbestimmt zu gestalten -
und das beinhaltet auch, das PKK Verbot aufzuheben.



Wenn alle Menschen sich universelle Rechte zubilligen, dann müssen diese auch
für die KurdInnen gelten.  Entsprechend der UN Charta und weiteren
völkerrechtlichen Regulierungen ist Widerstand gegen anhaltendes Unrecht und
Tyrannei legitim. Da die KurdInnen die in der Türkei, in Syrien und im Iran
nachgewiesener Maßen kontinuierlich mit lang anhaltenden gravierenden
Menschenrechtsverletzungen, Kriegsverbrechen, Folter und rassistischer
Unterdrückung konfrontiert sind, ist auch ihr Widerstand legitim. Die kurdischen
Bevölkerungen sind in diesen Ländern mit rassistischen, nationalistischen,
menschenunwürdigen und despotischen Politiken konfrontiert. Inakzeptabel ist
nicht nur der Rassismus und die Unterdrückung der KurdInnen z.b. in der Türkei,
sondern auch deren oben beschriebene indirekte und direkte Unterstützung durch
die Innen- und Außenpolitik der Bundesrepublik – die anstatt für die
Menschenrechte und einen Friedensdialog zu wirken, die türkische Regierung,
entgegen eigens deklarierten demokratischen und menschenrechtlichen Ansprüchen,
juristisch, wirtschaftlich und militärisch unterstützt.

Es sind politische Entscheidungen, die für die zunehmende systematische
Kriminalisierung und Ausgrenzung der Kurdinnen von der Teilhabe an Rechten in
Deutschland verantwortlich sind. Es ist wichtig zu sehen, dass den KurdInnen in
Deutschland durch das fast 20 Jahren andauernde PKK Verbot auf vielfältige Weise
soziale und politische Rechte vorenthalten werden. Ihnen wird auf diese Weise
zum Teil direkt, zum Teil indirekt, der Zugang zu Bildung, Wohnraum und
Arbeitsplätzen, in öffentliche Institutionen und Ämter ebenso wie in Vereine und
Sport systematisch erschwert. Das Problem sind weder die KurdInnen noch die
kurdischen Jugendlichen, das Problem ist ein Verbot – dass die systematische
Kriminalisierung und wie im letzten Fall in Mannheim Rassismus produziert. Das
Problem ist eine politische Entscheidung, die auf Ausgrenzung und struktureller
Gewalt beruht.Wir können nicht Gewalt, Ausgrenzung und Misshandlungen von
KurdInnen als normal betrachten und „einfach wegschauen“.


Unübersehbar ist, welchen destruktiven Einfluss es auf demokratische Prozesse
hat, wenn Politiker wie z.B. der Baden-Württembergische Innenminister Reinhold
Gall oder der Integrationsministerin Bilkay Öney, eilig auf den „Zug
aufspringen“ und nach mehr Verboten, Einschränkungen und polizeilichen Maßnahmen
rufen – und das von den Medien unhinterfragt und ohne gegenteilige Meinungen zu
zitieren, die ebenfalls geäußert wurden und werden, in die Öffentlichkeit
werfen.



Deswegen fordern wir:

 „Demokratie stärken, PKK Verbot aufheben“!

Hört auf mit der systematischen Kriminalisierung und Ausgrenzung der KurdInnen
in Deutschland.



Hört auf mit den Feindbildern und Vorurteilen gegenüber KurdInnen!



Tretet ein für mehr Dialog, mehr Demokratie und mehr Toleranz, für  eine
Vielfalt der politischen Interessen.



Unser Appell an die Politischen Entscheidungsträger in der BRD ist;

Demokratie und Verbote können nicht gemeinsam gelebt werden. Eins von Beiden ist
zu viel. Die Entscheidung liegt in euren Händen.



Unser Appell an die Medien ist;

Berichtet bitte über die Hintergründe der kurdischen Frage und die
Menschenrechtsverletzungen in der Türkei - sowie die positiven politischen
Entwicklungen in den kurdischen Provinzen der Türkei und die Anliegen der
KurdInnen in Europa - Hört bitte damit auf die Öffentlichkeit und die
Gesellschaft in verzerrender Weise hauptsächlich dahingehend zu informieren,
dass KurdInnen im Wesentlichen ein Sicherheitsproblem wären.



Unser Appell an die deutsche Öffentlichkeit und Gesellschaft;

Das PKK Verbot erschwert unser Zusammenleben durch eine grenzenlose
systematische Kriminalisierung. Im Sinne der Ermöglichung wirklicher und
gelebter Demokratie sollte es sofort aufgehoben werden. Auch in weiteren
Europäischen Ländern ist die PKK nicht verboten.



YEK-KOM – Föderation der kurdischen Vereine in Deutschland e.V.

15.09.12



Für Presseanfragen stehen der Vorsitzende von YEK-KOM, Herr Yüksel Koc unter der
Telefonnummer  0173-8244709 und der stellvertretende Vorsitzende Erol Polat
unter 0173-2791277 zur Verfügung





Civaka Azad - Kurdisches Zentrum für Öffentlichkeitsarbeit e.V.
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Bornheimer Landstraße 48, 60316 Frankfurt
Tel.: 069/84772084
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