[imc-presse] Pressemitteilung des KNK zu den Gefechten in der türkischen-syrischen Grenzstadt Serêkaniyê (Ras al-Ain)

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Wed Nov 28 18:42:43 CET 2012


Sehr geehrte Damen und Herren,

 

folgend finden Sie eine Pressemitteilung des Kurdischen Nationalkongresses
(KNK) über die Geschehnisse im westkurdischen Landkreis Serêkaniyê (arab.
Ras al-Ain), wo es zu tagelangen Gefechten zwischen den dort ansässigen
KurdInnen und aus der Türkei eingedrungenen ausländischen Dschihadisten kam.


 

Wir bitten um Ihre Kenntnisnahme.

 

Mit freundlichen Grüßen

 

Dervis Cimen

Civaka Azad - Kurdisches Zentrum für Öffentlichkeitsarbeit e.V.

 

 

An die Presse und Öffentlichkeit

 

Türkei unterstützt dschihadistische Gruppe im Kampf gegen die Kurden

 

In der, in den kurdischen Gebieten Syriens liegenden, Stadt Serêkanîyê
(arab.: Ras al-Ain), zugleich auch Grenzstadt zur Türkei, finden seit dem 8.
November wichtige Entwicklungen statt. Serêkanî beherbergt als
multikulturelle Stadt verschiedene Volksgruppen wie Kurden, Araber, Assyrer
und Tscherkessen. Auf der gegenüberliegenden Seite der Grenze liegt auf
türkischem Staatsgebiet die im Kurdischen gleichnamige Stadt Serêkanîyê
(türk.: Ceylanpınar). Von dort aus überschritten die Al-Qaida zugehörigen
bewaffneten islamistischen Gruppen Guraba El Sham, Al-Nusra-Front und
Al-Tewhid-Front die Grenze und drangen in Serêkanîyê auf syrisches
Staatsgebiet vor. 

 

Die Mitglieder der genannten Gruppen sind in ihrer Mehrheit keine Syrer,
sondern ausländische Dschihadisten. Die Freie Syrische Armee (FSA) erklärte,
diese Gruppen gehörten nicht in ihre Reihen. Kommandozentrale und
logistisches Zentrum dieser Gruppen liegen in der Türkei, die diese
beherbergt und ihnen jegliche Waffen- und Logistikausrüstung zur Verfügung
stellt. Nach ihrem Eindringen in die Stadt Serêkanîyê lieferten sich diese
Gruppen zunächst Gefechte mit dem syrischen Militär, anschließend
verschanzten sie sich im arabischen Viertel der Stadt und versuchten, in die
kurdischen Stadtviertel vorzudringen. Um die Situation zu schlichten, wollte
der kurdische Volksratsvorsitzende von Serêkanîyê, Abid Xelîl, am 19.
November mit den Gruppen Gespräche führen. Doch diese eröffneten das Feuer,
wodurch Xelîl und eine weitere Person ums Leben kamen sowie drei Menschen
verletzt wurden. Infolgedessen kam es zwischen den kurdischen
Volksverteidigungseinheiten (YPG) und den dschihadistischen Gruppen zu
bewaffneten Auseinandersetzungen.

 

Als Letztere während der Gefechte in Schwierigkeiten gerieten, erhielten sie
von der türkischen Seite Unterstützung durch Beschuss mit
Kurzstreckenraketen. Sie wurden die gesamte Zeit über von der Türkei in
jeglicher Form unterstützt; ihre Verletzten brachten sie über die Grenze in
die Türkei. Trotz allem sind die Mitglieder dieser Gruppen aus weiten Teilen
der Stadt vertrieben worden, allein in einigen Stadtvierteln in
unmittelbarer Nähe zur türkischen Grenze sind einige verblieben. Durch
Vermittlung arabischer Clan-Führer herrscht aktuell Waffenstillstand. Doch
sollten die Gruppen erneut personellen Nachschub aus der Türkei erhalten,
könnten die Auseinandersetzungen jederzeit wieder losbrechen.

 

Die türkische Syrienpolitik beruht ausschließlich auf einer antikurdischen
Haltung. Bis vor zwei Jahren gingen die Türkei und Syrien dabei noch
zusammen und verfolgten die Kurden gar mit gemeinsamen Operationen. Tayyip
Erdoğan und Baschar al-Assad spazierten Arm in Arm und ihre Familien flogen
gemeinsam in Urlaub. Gemeinsamer Nenner war ihre antikurdische Position. Als
jedoch in Syrien die Proteste aufflammten, spekulierte die Türkei auf einen
frühzeitigen Fall des Regimes und nahm Partei für die Opposition. Ihr Ziel
dabei war, die möglichen neuen Machthaber auf eine gemeinsame antikurdische
Politik einzustimmen.

 

Allerdings ist das Regime in Syrien immer noch nicht gefallen. Und die
Kurden haben ihre eigene Machtposition ausgebaut und damit begonnen, ihre
eigenen Gebiete selbst zu verwalten. Auch aufgrund dessen sind die
kurdischen Gebiete in Syrien bisher weitgehend ruhig. Viele Menschen aus
Syrien, die vor den Auseinandersetzungen geflohen sind, haben Zuflucht in
den kurdischen Gebieten des Landes gefunden. Die Türkei fühlt sich dadurch
gestört. Sie will am liebsten Unruhe stiften in den kurdischen Gebieten und
die Errungenschaften der kurdischen Bevölkerung eliminieren. Dafür sammelt
sie salafistische und andere islamistische Gruppen, die mit Al-Qaida in
Verbindung stehen, aus dem Ausland, bewaffnet sie und schickt sie in die
kurdischen Gebiete. Hinter den Entwicklungen in Serêkanîyê steckt
ausschließlich die Türkei. Dasselbe versuchte sie in der kurdischen Stadt
Kobanî (Ayn El-Arab), ist jedoch gescheitert. Aber die Türkei und die
dschihadistischen Gruppen haben nicht von ihrem Vorhaben abgelassen. Die
Türkei betreibt inner- wie außerhalb ihrer Grenzen eine antikurdische
Politik. Das ist die Ursache der vorliegenden Problemsituation. 

 

Eine der Hauptsorgen der Türkei, die ihre Syrienpolitik maßgeblich
beeinflusst, sind die Errungenschaften der kurdischen Bevölkerung.
Gleichzeitig darf in der Politik der Türkei aber auch nicht die sunnitisch
ausgerichtete religiöse Annäherungsweise außer Acht gelassen werden. Auch
wenn die Ansichten der AKP nicht mit denen der islamistischen und
dschihadistischen Gruppen gleichgesetzt werden können, weisen doch beide
Lager gewisse Ähnlichkeiten auf. Deshalb hat die Türkei auch von Anfang an
mit der Gruppe Ihvan El Muslimun (Muslimbrüder) gearbeitet, sie innerhalb
der syrischen Opposition stark gemacht, war ihr dabei behilflich, ihr
Zentrum in die Türkei zu verlagern, und hat ihr auch sonst jedwede
Unterstützung gewährt.

 

Nun will die Türkei das Patriot-Raketenabwehrsystem der NATO. Diese hat
darauf positiv reagiert. Das Raketenabwehrsystem soll an der
syrisch-türkischen Grenze errichtet werden. Dabei vermag die syrische Armee
weder die Türkei anzugreifen, noch stellt sie eine Gefahr dar. Daher
entspricht es nicht der Realität, wenn behauptet wird, dieses Abwehrsystem
sei zur Verteidigung der Türkei gedacht. Es dient allein dem Zweck, eine
Pufferzone zwischen der Türkei und Syrien zu schaffen. Bekanntlich leben im
Norden Syriens die Kurden. Die Türkei will nun eine von ihr kontrollierte
Pufferzone, um dort die Errungenschaften der kurdischen Bevölkerung
zunichtemachen zu können.

 

Das Gebiet, in dem das Patriot-Raketenabwehrsystem errichtet werden soll,
liegt in unmittelbarer Nachbarschaft zu den Orten der Auseinandersetzungen.
Nach dem Aufbau des Raketenabwehrsystems wird die Türkei den Luftraum über
den Gebieten der Aufständischen und der Kurden weitgehend kontrollieren. Mit
den Patriot-Raketen können die Aufständischen gegen syrische Kampfflugzeuge
geschützt werden, was die Vorbedingungen für eine allgemeine Flugverbotszone
schafft. Dadurch werden für die Türkei zugleich auch die Bedingungen für
eine eigene Intervention in der Region oder für eine effektivere
Unterstützung der islamistischen Gruppen geschaffen, damit diese die
Kontrolle über die kurdischen Gebiete erlangen können. Dafür wird die Türkei
alles in ihrer Macht Stehende in Bewegung setzen. Das ist die
Annäherungsweise der Türkei und deshalb hat sie von der NATO das
Patriot-Raketenabwehrsystem verlangt.

 

Wie man es auch dreht und wendet, die Syrienpolitik der Türkei sorgt in der
Region für neue Probleme. Sollte sie damit erfolgreich sein, wird das zu
einem langjährigen Bürgerkrieg in Syrien, zu einem zweiten Libanon für die
Region und zu einem neuen Afghanistan für die Dschihadisten führen. Das ist
offensichtlich für niemanden hilfreich und verkompliziert die Probleme nur
noch. Doch eine einfache Akzeptanz des aktuellen Regimes, des Status quo, um
ein solches Szenario zu unterbinden, ist genauso wenig richtig und sinnvoll.


 

Wir halten daher eine Lösung für angebracht, bei der auf der Grundlage einer
klaren Distanzierung von einer militärischen Intervention ein politischer
Dialog für den Aufbau eines demokratischen Syriens begonnen werden sollte,
der keine politische, religiöse oder ethnische Gruppe ausschließt. Ein
solcher Dialog sollte von allen Kreisen unterstützt werden.

 

In diesem Rahmen rufen wir alle Kräfte und die aufgeklärte Öffentlichkeit
dazu auf, der aggressiven, antikurdischen und religiös motivierten Haltung
der Türkei gewahr zu werden und sich ihr entgegenzustellen und stattdessen
für eine politische Lösung einzutreten.

 

Nationalkongress Kurdistan (KNK), Exekutivrat

26.11.2012

 

 

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