[imc-presse] Pressemitteilung: Recht auf juristische Verteidigung in kurdischer Sprache: Ein Entgegenkommen à la AKP

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Fri Nov 16 11:38:37 CET 2012


Sehr geehrte Damen und Herren,

 

folgend leiten wir Ihnen eine Pressemitteilung über die neuliche
Gesetzesänderung der türkischen Regierung hinsichtlich des Rechtes auf
Verteidigung in der Muttersprache vor Gericht.

Bitte um Kenntnisnahme.

 

Mit freundlichen Grüßen

Devriş Çimen

Civaka Azad - Kurdisches Zentrum für Öffentlichkeitsarbeit e.V.

 

***

 

Pressemitteilung: Recht auf juristische Verteidigung in kurdischer Sprache:
Ein Entgegenkommen à la AKP    

 

Von Civaka Azad - Kurdisches Zentrum für Öffentlichkeitsarbeit e.V. / am
16.11.2012 

 

Der Hungerstreik in den Gefängnissen der Türkei geht weiter. Wir schreiben
heute den 66.Tag. Und der Gesundheitszustand der Hungerstreikenden nimmt
dramatische Züge an. Laut Angaben einer unabhängigen
Gefängnisbeobachtungskommission, zu dem unter anderem Mitglieder des
türkischen ÄrztInnenverbandes (TTB) und des Menschenrechtsverbands IHD
angehören, befinden sich 221 Gefangene gegenwärtig in einem
lebensbedrohlichen Zustand. Auch deshalb wächst der Druck, national wie
international, auf die AKP-Regierung den 10.000 Hungerstreikenden und ihren
Forderungen entgegenzukommen. 

 

Zugeständnis unter Bedingungen

Während der türkische Ministerpräsident bei jedem öffentlichen Auftritt den
Hungerstreik als bloße Showeinlage beiseiteschiebt, kam von seinem
Justizminister Sadullah Ergin vor einigen Tagen eine überraschende
Erklärung, dass die AKP-Regierung eine Neuregelung hinsichtlich des
juristischen Verteidigungsrechts in kurdischer Sprache schnellstmöglich
durchs Parlament bringen will. Damit würde die Regierung einer zentralen
Forderung der Hungerstreikenden entgegenkommen. Doch wie sieht diese
Neuregelung genau aus? Und werden sich die Hungerstreikenden mit der
Neuregelung zufrieden geben?

Die Antwort der Hungerstreikenden hierauf ist ein unmissverständliches Nein.
Das verkündete der Sprecher der Hungerstreikenden Deniz Kaya am 14. November
über eine schriftliche Erklärung durch seine Anwälte. Die Gründe für dieses
Nein, werden schnell ersichtlich, wenn man sich die Gesetzesvorlage Mal
genauer anschaut: In der Vorlage heißt es zu Anfang noch, dass sich die
Angeklagten  in derjenigen Sprache verteidigen dürfen, in welcher sie sich
besser ausdrücken können. Doch der Haken an der ganzen Sache kommt in den
Folgesätzen. Demnach werden ausschließlich für diejenigen die
Dolmetscherkosten vor Gericht übernommen, die der türkischen Sprache
überhaupt nicht mächtig sind. Alle anderen, die zumindest ein paar Worte
Türkisch sprechen können, müssen ihre Dolmetscherkosten selbst tragen, wenn
sie darauf beharren, sich in einer anderen Sprache verteidigen zu wollen.
Den meisten kurdischen Angeklagten dürfte die Aufbringung dieser Kosten
vermutlich schwerfallen, wodurch sie von diesem neuen Recht ausgeschlossen
wären. Doch es bleibt nicht allein bei dieser Einschränkung. Selbst wenn die
Angeklagten das Geld für einen Dolmetscher zusammenkriegen, wird ihnen
während des gesamten Gerichtsverfahrens bloß an zwei Stellen das Recht auf
eine kurdischsprachige Verteidigung gewährt: Einmal nach Verlesung der
Anklageschrift und das zweite Mal beim Abschlussplädoyer. Hinzu kommt, dass
es durch die kurdischsprachige Verteidigung sowie ihrer Übersetzung ins
Türkische zu keiner Prozessverzögerung kommen darf. Dieser Satz in der
Gesetzesvorlage überlässt das ohnehin stark eingeschränkte Recht auf die
juristische Verteidigung des Angeklagten in seiner Muttersprache zusätzlich
der Willkür des Richters. Denn es ist offensichtlich, dass die Verteidigung
in einer anderen Sprache samt ihrer Übersetzung vor Gericht mehr Zeit in
Anspruch nehmen wird. Hat der Richter es besonders eilig oder ist ihm der
Angeklagte nicht sympathisch, kann er dies zum Anlass nehmen, um aufgrund
von vermeintlicher Prozessverzögerung dieses Recht diesem gleich wieder zu
entziehen. 

 

Täuschungsmanöver der AKP

Die AKP-Regierung möchte den Hungerstreikenden also ein Recht gewähren,
welches sie doch nicht so wirklich gewähren will. Daher stößt das Vorhaben
der türkischen Regierung auf scharfe Kritik von unterschiedlichsten Kreisen,
wie der Partei für Frieden und Demokratie (BDP), Menschrechtsvereinen,
verschiedenen RechtsanwältInnenkammern und den Angehörigen der
Hungerstreikenden. Die Vertreter des türkischen Justizministeriums
verteidigten prompt ihre Gesetzesvorlage und erklärten, dass ohne die
genannten Einschränkungen die Prozesssprache sich vollständig ändern würde. 

 

Es ist nicht weiter verwunderlich, dass auch die Hungerstreikenden von
keinem Entgegenkommen der Regierung, sondern vielmehr von einem
Täuschungsmanöver sprechen. Doch lassen wir den Sprecher der
Hungerstreikenden Deniz Kaya hierzu zu Wort kommen:

 

"Das ist ein bloßer Betrug. Dieses Manöver bedeutet so viel wie: ,Wenn ihr
kurdisch spricht, werdet ihr eine Geldstrafe zahlen müssen.' [.] Es ist
nicht vorstellbar, dass wir solch einen Schritt akzeptieren. Wir akzeptieren
keinen kurdischen Wahlfachunterricht an der Schule, wir akzeptieren keine
privaten entgeltlichen kurdischen Sprachkurse und wir akzeptieren auch
nicht, dass wir Geld bezahlen sollen, um uns in unserer Muttersprache vor
Gericht verteidigen zu können. Wir fordern, dass unsere Muttersprache und
unsere Kultur verfassungsrechtlich geschützt werden und dass wir mit unserer
Muttersprache und unserer Kultur in unserem Heimatland leben können. Die
gesamte Öffentlichkeit soll wissen, dass wir außer dessen nichts anderes
akzeptieren werden und uns auf keine Spielchen oder Manipulationen einlassen
werden."

 

 

Zum Weiterlesen:

 

Die Verteidigung in Kurdisch im Gewahrsam der großen türkischen RichterInnen

Ezgi Basaran / Journalistin, Kolumnistin der Zeitung Radikal,15.11.2012

 
<http://www.civaka-azad.org/index.php/startseite/194-die-verteidigung-in-kur
disch-im-gewahrsam-der-grossen-tuerkischen-richterinnen>
http://www.civaka-azad.org/index.php/startseite/194-die-verteidigung-in-kurd
isch-im-gewahrsam-der-grossen-tuerkischen-richterinnen

 

Noch eine Betrugsmasche der AKP...

Mahmut Sakar, Rechtsanwalt und stellvertretender Vorsitzender von MAF-DAD
e.V. - Verein für Demokratie und internationales Recht / 14.11.2012

 
<http://www.civaka-azad.org/index.php/startseite/193-noch-eine-betrugsmasche
-der-akp>
http://www.civaka-azad.org/index.php/startseite/193-noch-eine-betrugsmasche-
der-akp

 

 

Für weitere Informationen und Rückfragen stehen wir gerne unter der Nummer
069 84772084 zur Verfügung.

 

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www.civaka-azad.org //  info at civaka-azad.org 

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