[imc-presse] Protest gegen die Verleihung des Steiger Awards an R.T. Erdogan
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Tue Mar 13 13:47:24 CET 2012
Sehr geehrte Damen und Herren,
anbei ein Offener Brief aus Protest gegen die Verleihung des Steiger Awards
an R.T. Erdogan am 17. März in Bochum
Für Rückfragen stehen wir Ihnen gerne unter der Tel. Nr. 0176 20705646 zur
Verfügung*
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*Offener Brief anlässlich der Verleihung des Steiger Awards an den
türkischen Ministerpräsidenten R.T. Erdogan*
*An Henning Mankell (Laudator), Lou Reed (Preisträger), Bundeskanzler A.D.
Gerhard Schröder (Laudator), Ministerpräsidentin NRW, Hannelore Kraft,
Oberbürgermeisterin von Bochum Dr. Ottilie Scholz, den Moderator der
Steiger Awards Max Schautzer, Hape Kerkeling (dessen Musical „Kein Pardon
während der Preisverleihung aufgeführt werden soll) und die Jury der
Steiger Awards*
Sehr geehrte Damen und Herren,
wir sind empört über die Verleihung des Steiger Awards an den Türkischen
Ministerpräsidenten R.T. Erdogan. Eine Auszeichnung des Ministerpräsidenten
erscheint uns schlichtweg als das falsche Signal, da dieser die Türkei zur
Zeit in ein Chaos aus Repression, Bürgerkrieg, Kriegsverbrechen sowie
soziale Ungerechtigkeit führt.
Die Fakten sprechen für sich und gegen eine Auszeichnung von
Ministerpräsident Erdogan:
-
100 Inhaftierungen von Journalistinnen seit 2009
-
6200 Inhaftierungen von kurdischen PolitikerInnen (im Rahmen der
sogenannten KCK Verfahren), darunter 6 im Jahr 2011 gewählte Abgeordnete
der Türkischen Nationalversammlung, 17 BürgermeisterInnen, mehr als 100
Stadträte, ca. 1000 Frauenaktivistinnen, mehrere Hundert GewerkschafterInnen
-
mehr als 2000 Inhaftierte Kinder, meist wegen der Teilnahme an
Demonstrationen oder vermeintlichen Steinwürfen
-
seit 2009 stieg die Zahl der politischen Gefangenen seit der
Regierungsübernahme durch die AKP im Jahr 2002 von ca. 5000 auf ca. 11000
-
die Anzahl der insgesamt in der Türkei Inhaftierten betrug 2002 ca. 54
000 - Heute sind es mehr als 124 000
-
mehr als 4200 angezeigte Fälle von Folter seit 2009, seit 2010 töteten
Polizisten bei Demonstrationen mindestens 10 Menschen durch
Tränengasgranaten
-
Kriegsdienstverweigerer werden kriminalisiert, inhaftiert, gefoltert
-
die Umsetzung einer Regierungspolitik, die seit 2009 progromartige
Ausschreitungen gegen kurdische BürgerInnen provoziert - mehrere Menschen
wurden gelyncht
-
die Umsetzung einer Regierungspolitik die gegen die Emanzipation der
Frauen ausgerichtet ist
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die Umsetzung einer Regierungspolitik die Homosexuelle und Transgender
stigmatisiert und Verfolgung aussetzt
-
eine erstarrte Position der Regierung in Bezug auf eine Einigung in
Zypern
-
seit 2009 häufen sich zudem die Berichte über Kriegsverbrechen durch
Sicherheitskräfte und die türkische Armee - darunter die bewusste Tötung
von ZivilistInnen (u.a. 34 Menschen starben bei einer Bombardierung von,
auch laut Bericht eines Untersuchungsausschusses der Türkischen
Nationalversammlung eindeutig als Zivilisten erkennbaren Personen in Sirnak
Uludere), extralegale Hinrichtungen nach der Festnahme von Guerillas,
Zerstörung von ganzen Regionen durch napalmähnliche Waffen sowie Berichte
über Chemiewaffeneinsätze
-
die Beendigung des Friedensdialogs in Bezug auf die kurdische Frage.
Neben Diskussionen in der Türkischen Nationalversammlung fanden in Oslo
Gespräche zwischen von der Türkischen Regierung entsandten VertreterInnen
und VertreterInnen der PKK sowie Gespräche mit Abdullah Öcalan auf der
Gefängnisinsel Imrali statt. Diese wurden 2011 beendet, obwohl ein
friedlicher und demokratischer Weg bereits diskutiert war und möglich
gewesen wäre. Die kurdische Seite orientiert seitdem noch immer auf
Frieden, die türkische Regierung dagegen auf eine militärische Zuspitzung
des Konflikts.
-
ständige völkerrechtswidrige Bombardements vermeintlicher Stellungen der
PKK im Nordirak - unzählige ZivilistInnen starben
-
eine entsprechend der Weisung der grauen Eminenz der AKP, Fethullah
Gülen, auf Eskalation der Situation und die Vernichtung der politisch
tätigen KurdInnen ausgerichtete Rhetorik und Politik
-
Im November 2011 zeigten Angehörige von Opfern von Kriegsverbrechen,
MenschenrechtlerInnen und Bundestagsabgeordnete in der Bundesrepublik
Minister-präsident Erdogan wegen gravierenden Menschenrechtsverletzungen
und Kriegsverbre-chen an. Die Anzeige basierte auf Grundlage des
Völkerstrafgesetzbuches.
Wir sind der Ansicht, dass ein Ministerpräsident, der nicht für einen
demokratischen Wandel, sondern für unzählige nicht juristisch begründbare
Verhaftungen (so auch EU ParlamentarierInnen sämtlicher Fraktionen in Bezug
auf die KCK Verfahren), eine auf Repression und Gewalt orientierte Politik
in Bezug auf die kurdische Frage, die gezielte Einschränkung der
Meinungsfreiheit sowie eine große Anzahl an Menschenrechtsverletzungen und
sogar Kriegsverbrechen verantwortlich ist, nicht mit einem Preis
ausgezeichnet, sondern stattdessen stark kritisiert und politisch, wie auch
juristisch sanktioniert werden sollte.
Im Text zur Preisverleihung an Erdogan heißt es: „(...) Seit Jahren bemüht
sich S.E. Premierminister Recep Tayyip Erdogan um einen demokratischen
Wandel in seinem Land. In diesen Tagen wird deutlich, dass die Türkei eine
Schlüsselrolle im Nahen Osten übernimmt. Die Türkei ist dabei von
entscheidender strategischer Bedeutung. Das wirtschaftliche Potenzial der
Türkei und ihre Funktion sind nicht zu unterschätzen. Längst ist die Türkei
ein wichtiger Partner Deutschlands und Europas geworden.(...)“
Hier wird deutlich warum die Türkei und deren Ministerpräsident Erdogan
seitens der Bundesregierung und der Deutschen Industrie ohne Rücksicht auf
die Menschenrechte sowie Völkerrecht hofiert werden. Motivation der
Auszeichnung sind wirtschaftliches Potential, die geostrategische
Absicherung der Ressourcen, Öl, Gas und Wasser, die strategische
Vorherrschaft der EU und USA (NATO) im Mitteleren Osten und Waffenexporte.
Wir bitten Sie sehr geehrte Damen und Herren Henning Mankell, Lou Reed,
Bundeskanzler A.D. Gerhard Schröder, Ministerpräsidentin von NRW, Hannelore
Kraft, Oberbürgermeisterin von Bochum, Dr. Ottilie Scholz, Max Schautzer
und Hape Kerkeling,
sich gegen eine Verleihung des Steiger Awards an Ministerpräsident Erdogan
zu stellen, das Ereignis zu boykottieren - oder im Rahmen ihrer dortigen
Beiträge auf die Verantwortung von Ministerpräsident Erdogan für die
benannten Menschenrechtsverletzungen und Kriegsverbrechen, eine auf Gewalt
orientierte Politik, die Eskalation der kurdischen Frage sowie soziale
Ungerechtigkeit hinzuweisen.
*UnterzeichnerInnen:*
Prof. Dr. Norman Paech, Völkerrechtler
Prof. Dr. Werner Ruf, Friedensforscher
Dr. Peter Strutynski, AG Friedensforschung
Andrej Hunko, Mitglied des Bundestags (MdB), Die Linke, Parlamentarische
Versammlung des Europarats
Ulla Jelpke, Mitglied des Bundestags (MdB), Die Linke
Hamide Akbayir, Mitglied des Landtags (MdL) NRW, Die Linke
Ali Atalan, MdL NRW, Die Linke
Barbara Cárdenas, MdL Hessen, Die Linke
Cansu Özdemir, Mitglied der Hamburgischen Bürgerschaft, Die Linke
Marion Padua, Stadträtin Nürnberg, Linke Liste
Martin Dolzer, Soziologe
Britta Eder, Rechtsanwältin
Yilmaz Kaba, Mitglied im Landesvorstand Die Linke Niedersachsen
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