[imc-presse] PM Ausweisung kurdischer Politiker

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Wed Apr 4 16:17:08 CEST 2012


*Pressemitteilung*
Ressort: Innenpolitik

Zynisches Signal: Vorstände des kurdischen Dachverbands YEK-KOM ausgewiesen

Das Regierungspräsidium Karlsruhe hat in der letzten Woche den
unbefristeten Aufenthaltsstatus (die
Niederlassungserlaubnis) des stellvertretenden Vorsitzenden des
Dachverbands der kurdischen Vereine
in Deutschland, YEK-KOM, Bahaddin Dogan, sowie des Mitglieds des
Disziplinarrates des
Dachverbandes, Ahmet Zeyrek, annulliert. Grundlage der Entscheidung ist §
54 Abs. 5 des
Aufenthaltsgesetzes. Vorerst müssen die seit Jahrzehnten im Asyl in der
Bundesrepublik lebenden
Politiker im Rahmen einer Residenz- und Meldepflicht zweimal in der Woche
bei der Polizei
Unterschriften leisten. Sie dürfen ihre Wohnorte nicht verlassen. Falls der
juristische Widerspruch
keinen Erfolg hat, wird beiden, durch den Status einer Duldung eine
dauerhafte Residenzpflicht
auferlegt. Neben weiteren Nachteilen wird ihnen durch diese Maßnahmen u.a.
die Grundlage für ein
politisches Engagement und soziale Kontakte entzogen.

In § 54 Abs 5 heißt es: „Ein Ausländer wird in der Regel ausgewiesen, wenn
Tatsachen die
Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder
angehört hat, die den
Terrorismus unterstützt, oder er eine derartige Vereinigung unterstützt
oder unterstützt hat (...)“

Die Arbeit des Dachverbandes YEK-KOM ist kultureller und
menschenrechtlicher Art. Sie besteht
hauptsächlich darin, sich um die sozialen und kulturellen Belange der in
Deutschland lebenden
KurdInnen zu kümmern und die politische Vertretung der MigrantInnen
wahrzunehmen. Die beiden
Mitglieder der Leitung von YEK-KOM aufgrund ihres Engagements für die
Rechte der KurdInnen und
einen Friedensdialog in der Türkei sowie der Teilnahme an Demonstrationen
und damit der
Unterstützung des Terrorismus zu bezichtigen, ist nicht hinnehmbar. Die
Ausweisung von Bahhadin
Dogan und Ahmet Zeyrek muss zurückgenommen werden. Die auf Betreiben des
Baden-
Württembergischen Verfassungsschutzes erteilte Ausweisung der Politiker
soll deren legitime politische
Arbeit verhindern.

Wir kritisieren das Vorgehen des Regierungspräsidiums aufs Schärfste. Gegen
Bahaddin Dogan liegt in
der Türkei ein Haftbefehl vor. Er hatte vor seiner Flucht beim
Menschenrechtsverein IHD gearbeitet.
„Das Innenministerium von Baden Württemberg legt mit der Kriminalisierung
einer Tätigkeit in legalen
Kulturvereinen als "Unterstützung einer terroristischen Vereinigung" eine
ähnliche Logik an den Tag,
wie die türkische Regierung, die Tausende zivile kurdische Politiker wegen
ihrer Menschenrechts- und
Kommunalpolitik als "Terroristen" inhaftieren lässt. Das ist ein fatales
Signal. Politiker sämtlicher
Fraktionen des Europaparlaments sowie der Menschenrechtsbeauftragte der
Bundesregierung haben
kritisiert, dass diese "KCK-Verfahren" gegen kurdische Politiker von
denjenigen Kräften umgesetzt
werden, die eine friedliche Lösung der kurdischen Frage verhindern wollen,"
so die innenpolitische
Sprecherin der Bundestagsfraktion Die Linke, Ulla Jelpke.

„Es wäre wesentlich sinnvoller seitens der verantwortlichen Politiker und
Juristen, die Kampagne des
Dachverbandes YEK-KOM zur Anerkennung der kurdischen Identität in der
Bundesrepublik zu
unterstützen, statt diejenigen zu kriminalisieren, die für eine positive
und selbstbewusste Integration
der KurdInnen in die Gesellschaft wirken,“ fordert Barbara Cárdenas,
migrationspolitische Sprecherin
der Linksfraktion in Hessen.

Politischen Vertretern des kurdischen Dachverbands YEK-KOM den
Aufenthaltsstatus in einer Zeit zu
entziehen, in der die Türkische Regierung, trotz vorherigen
Friedensverhandlungen mit der PKK, die
kurdische Frage mit Gewalt eskaliert und die gesamte türkische Gesellschaft
nach dem autoritären
Vorbild der Zeit nach dem Militärputsch 1980 strukturiert, ist mehr als
zynisch. Anstatt die türkische
Regierung unter Druck zu setzen, sich an Menschenrechte und das Völkerrecht
zu halten und auf einen
möglichen Friedensdialog mit der PKK hinzuarbeiten, unterstützen die
deutschen Behörden die Politik
der Gewalt der Regierung Erdogan durch die zunehmende Kriminalisierung der
aktiven kurdischen
MigrantInnen in Deutschland. Das ist eine Schande.
*
Für Rückfragen stehen wir gerne unter der Tel. Nr. 0176 207 05 646 zur
Verfügung*

Heidrun Dittrich, Mitglied des Bundestags (MdB), Die Linke
Nicole Gohlke, MdB, Die Linke
Ulla Jelpke, MdB, Die Linke
Ingrid Remmers, MdB, Die Linke
Barbara Cárdenas, Mitglied des Landtags (MdL) Hessen, Die Linke
Cansu Özdemir, Abgeordnete der Hamburgischen Bürgerschaft, Die Linke
Marion Padua, Stadträtin Nürnberg, Linke Liste
Bärbel Beuermann, Stadträtin Herne, Die Linke
Hamide Akbayir, ehem. MdL NRW, Die Linke
Ali Atalan, ehem. MdL NRW, Die Linke
Martin Dolzer, Soziologe
Yilmaz Kaba, Landesvorstand Die Linke Niedersachsen

*Hintergrund*

Im Verlauf einer Anhörung im Bundestag am Freitag den 30. März ist deutlich
geworden, dass die
Situation in der Türkei bezüglich der Menschenrechte und der kurdischen
Frage sich wieder den 1990er
Jahren angleicht. Sämtliche ReferentInnen, darunter Vertreter der
Alevitischen Gemeinde, GewerkschafterInnen
und sozialistische und kurdische ParlamentarierInnen, skizzierten
besorgniserregende
Menschenrechtsverletzungen und die, hinter vermeintlichen demokratischen
Reformen kaschierte, auf
Unterdrückung und Gewalt basierende Regierungspolitik der AKP.

Seit 2009 wurden 6500 kurdische PolitikerInnen, darunter 6 Abgeordnete, 31
BürgermeisterInnen und
mehr als 100 StadträtInnen sowie 110 JournalistInnen inhaftiert. Im Jahr
2011 wurden 1555 Fälle von
Folter sowie 1421 Menschenrechtsverletzungen in Gefängnissen angezeigt,
jegliche Opposition
kriminalisiert. Ende März tötete die türkische Polizei im Verlauf des
Newrozfestes den Politiker der
prokurdischen Demokratischen Friedenspartei BDP, Haci Zengin, mit einer
Tränengasgranate. Der 10.
Fall dieser Art seit 2009. Feiernde Menschen und mehrere Abgeordnete,
darunter Ahmet Turk wurden
mit Tränengasgranaten angegriffen und zum Teil brutal zusammengeschlagen.

Ebenfalls in Baden-Württemberg wurde dem kurdischen Politiker Muzzafer
Ayata vor kurzem Politikund
Publikationsverbot erteilt. 6 kurdische Aktivisten befinden sich zurzeit
aufgrund des §129b in
Untersuchungshaft. Legitime politische Arbeit als Terrorismus zu definieren
unterstützt im Fall der
KurdInnen diejenigen Kräfte in der Türkei, die einen endlosen Krieg führen
wollen. Ein Friedensdialog
wird auf diese Weise, durch die verfehlte strategisch-wirtschaftlich
orientierte Politik der
Landesregierung in Baden Württemberg und der Bundesregierung verhindert.
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