[imc-presse] Pressemitteilung: IGH verhandelt über Entschädigungen für Opfer von NS-Verbrechen aufgrund einer Klage Deutschlands gegen die Republik Italien

RAV e.V. gs at rav.de
Thu Sep 8 09:29:42 CEST 2011


Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein e.V. (RAV)

Aktion Sühnezeichen Friedensdienste e.V. (ASF)

 

PRESSEMITTEILUNG vom 8.9.2011

 

Internationaler Gerichtshof (IGH) verhandelt über Entschädigungen für Opfer
von NS-Verbrechen aufgrund einer Klage Deutschlands gegen die Republik
Italien

Kundgebung griechischer NS-Opfer und deutscher UnterstützerInnen vor dem IGH
in Den Haag am Montag, den 12. September 2011 von 9:00 – 10:00 Uhr

Kundgebung deutscher UnterstützerInnen am Freitag, den 9. September 2011 um
11.00 Uhr vor dem Außenministerium in Berlin

„Dieses Verfahren ist von zentraler Bedeutung für die Durchsetzung
transnationaler Menschenrechte“

 

Vor dem Internationalen Gerichtshof (IGH) in Den Haag beginnen am Montag,
den 12. September 2011, die Anhörungen über die Klage Deutschlands gegen die
Republik Italien. Als Beobachter hat der Gerichtshof Griechenland zu dem
Verfahren zugelassen. Gegenstand der Verhandlungen, die bis zum 16.
September 2011 angesetzt wurden, ist die Frage der Durchsetzbarkeit von
Urteilen, die NS-Opfer wegen erlittener Kriegsverbrechen erfolgreich vor
Gerichten in Italien und Griechenland erstritten haben. Die Bundesregierung
sieht in diesen Urteilen eine Verletzung der Staatenimmunität. Sie erhob
bereits Ende 2008 Klage vor dem IGH, um die Vollstreckung dieser
rechtskräftigen Urteile zu verhindern und - mit der Autorität des IGH -
einen Schlussstrich unter die zivilrechtliche Entschädigung von NS-Opfern
ziehen zu können. 

 

Der Republikanische Anwältinnen- und Anwälteverein (RAV), Aktion
Sühnezeichen Friedensdienste und eine Vielzahl anderer Initiativen
unterstützen dagegen die Forderungen der bislang nicht entschädigten
NS-Opfer. Da sie vor dem IGH selbst nicht Partei sein dürfen und somit am
Verfahren auch nicht unmittelbar beteiligt sind, werden am Freitag, den 9.
September 2011 vor dem Außenministerium in Berlin und am 12. September vor
dem IGH in Den Haag Kundgebungen stattfinden, um zumindest auf diese Weise
ihren Stimmen Gehör zu verschaffen.

 

„Dieses Verfahren ist von zentraler Bedeutung für die Durchsetzung
transnationaler Menschenrechte,“ sagt Rechtsanwalt Carsten Gericke,
Geschäftsführer des Republikanischen Anwältinnen- und Anwältevereins (RAV).
„Sollte sich die Position Deutschlands vor dem IGH durchsetzen, ist zu
befürchten, dass dies nicht nur negative Auswirkungen auf eine Vielzahl von
Verfahren nicht entschädigter Opfer von NS-Kriegsverbrechen haben wird,
sondern in Zukunft generell die Durchsetzbarkeit von
Entschädigungsansprüchen nach Kriegsverbrechen gravierend erschwert, wenn
nicht gar vereitelt werden kann.“ 

 

„Alle Schulden zählen“, sagt Christian Staffa, Geschäftsführer von Aktion
Sühnezeichen Friedensdienste. „Uns geht es um eine konkrete Anerkennung für
das Leid und die Zerstörung, die die deutsche Besatzung für die griechische
und italienische Zivilbevölkerung bedeutet hat.“ 

 

Seit Jahrzehnten verweigern bundesdeutsche Regierungen einem Teil der Opfer
von NS-Kriegsverbrechen in ehemals von Nazi-Deutschland besetzten Ländern
Entschädigungsleistungen; Verfahren vor deutschen Gerichten blieben
ergebnislos. Dagegen hatten zahlreiche Klagen griechischer und italienischer
NS-Opfer und deren Angehöriger vor einheimischen Gerichten Erfolg. Bereits
im Jahr 2000 erstritten Überlebende und Angehörige eines Massakers deutscher
SS-Truppen im griechischen Distomo vor dem obersten Gericht Griechenlands
(Areopag) ein rechtskräftiges Urteil, demzufolge Deutschland 28 Mio. Euro zu
zahlen hat. Nachdem eine Vollstreckung dieser Entscheidung in Griechenland
scheiterte, erklärte der italienische Kassationsgerichtshof 2008 die
Vollstreckung in Italien für zulässig. Parallel dazu entschied der
Kassationsgerichtshof auch in Verfahren italienischer NS-Opfer, dass diese
ihre Ansprüche vor italienischen Gerichten geltend machen können. 

 

Vor diesem Hintergrund erhob die Bundesrepublik Deutschland am 22. Dezember
2008 gegen Italien Klage vor dem Internationalen Gerichtshof (IGH) in Den
Haag mit dem Ziel, die Durchsetzung von Entschädigungsansprüchen aus
NS-Kriegsverbrechen zu vereiteln. Zur Begründung beruft sich die
Bundesrepublik darauf, dass die italienischen Gerichte den Grundsatz der
Staatenimmunität verletzt hätten. Dieser schließe es kategorisch aus, dass
ein Staat vor Gerichten eines Staates verklagt werde. Die griechischen und
italienischen Gerichte hatten demgegenüber festgestellt, dass die
Durchsetzung der Menschenrechte vorrangig ist und der Grundsatz der
Staatenimmunität jedenfalls bei Kriegsverbrechen und schweren
Menschenrechtsverletzungen keine Geltung hat. 

 

Der Ausgang des Verfahrens ist daher von zentraler Bedeutung für die Zukunft
der transnationalen Menschenrechtsdurchsetzung, denn der IGH wird darüber zu
entscheiden haben, welche Rolle nationalen Gerichten bei der Durchsetzung
zivilrechtlicher Entschädigungsansprüche im Feld der „transitional justice“
zukommt und wie das Spannungsfeld zwischen Menschenrechten einerseits und
Staatenimmunität andererseits aufzulösen ist.

 

Die Verhandlung wird im Livestream übertragen auf: www.icj-cij.org 

 

Veranstaltungen und Termine:

 

Berlin, Freitag, den 9. September, 11 Uhr, Außenministerium

Kundgebung u.a. von Aktion Sühnezeichen Friedensdienste, VVN/BdA u.a. vor
dem Außenministerium unter dem Motto „Keine Staatenimmunität für
NS-Kriegsverbrechen“ mit Ludwig Baumann, Bundesvereinigung Opfer der
NS-Militärjustiz und Ulla Jelpke, MdB (Die Linke)

 

Montag, den 12. September, Den Haag:

ab 9:00 Uhr Kundgebung vor dem IGH in Den Haag

10:00 – 13:00 Uhr Besuch der Verhandlung mit Delegation griechischer
Überlebender und deutscher UnterstützerInnen

18:30 Uhr Podiumsdiskussion: Compensation for Massive Violations of Human
Rights: Contemporary Relevance and Challenges to State Immunity, Ort: The
Hague University of Applied Sciences, Johanna Westerdijkplein 75, The Hague;
mit: Prof. em. Michael Bothe (Johann Wolfgang Goethe-Universität
Frankfurt/Main), Martin Klingner (Rechtsanwalt, Vertreter der Kläger aus
Distomo/Griechenland) und Dr. Axel Hagedorn (Rechtsanwalt, Vertreter der
“Mothers of Srebrenica); Veranstalter: RAV, ECCHR

 

Kontakt:

Rechtsanwalt Martin Klingner

Tel.: (0049) 040-4396001

ab Sonntag in Den Haag mobil: 0049 162 1698656

 

Für weitere Informationen:

http://www.rav.de/projekte/keine-staatenimmunitaet-fuer-kriegsverbrechen/ 

 

Fact sheet: Weitere Hintergrundinformationen zu den konkret von dem
Verfahren betroffenen Gruppen von NS-Opfern können der Anlage (PDF Seite
4-5) entnommen werden

 

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Sigrid v. Klinggräff

RAV-Geschäftsstelle

Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein e. V.

Haus der Demokratie und Menschenrechte

Greifswalder Straße 4 | 10405 Berlin

Tel +49 (0)30 417 235 55 | Fax +49 (0)30 417 235 57

mailto:kontakt at rav.de | www.rav.de

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Mo, Di, Do, Fr 10:00 - 16:00

 

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