[imc-presse] RAV-Pressemitteilung_Rechtsbrüche zur Durchsetzung des Castortransports

RAV e.V. gs at rav.de
Mon Nov 15 08:08:52 CET 2010


Sehr geehrte Damen und Herren,

 

anbei senden wir Ihnen eine Pressemitteilung des Republikanischen
Anwältinnen- und Anwältevereins e.V. (RAV) vom heutigen Tag. Wir bitten um
Kenntnisnahme, Weiterleitung und Veröffentlichung in Ihren Medien.

Vielen Dank.

 

Mit besten Grüßen,

 

Sigrid v. Klinggräff

RAV-Geschäftsstelle

 

Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein e. V.

Haus der Demokratie und Menschenrechte

Greifswalder Straße 4 | 10405 Berlin

Tel +49 (0)30 417 235 55 | Fax +49 (0)30 417 235 57

mailto:kontakt at rav.de | www.rav.de

VR 25942 B, Nr. 1, AG Charlottenburg, Bln

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Pressemitteilung

 

 

RAV fordert Konsequenzen aus systematischen Rechtsbrüchen zur Durchsetzung
des Castortransports

 

Nach den Beobachtungen des Republikanischen Anwältinnen- und Anwältevereins
(RAV) kam es während des Castortransports  zu systematischen Verletzungen
der Rechte auf Versammlungsfreiheit und auf der körperlichen Unversehrtheit
der Demonstrant/innen sowie weiterer Grundrechte. „Die vielfach zitierte
Überforderung einzelner Beamter kann dafür nicht als Begründung herhalten“,
bilanziert Rechtsanwalt Martin Lemke, stellvertretender Vorsitzender des
RAV.

 

 

Die Kritikpunkte im Einzelnen:

 

Unverhältnismäßiger Einsatz von Zwangsmitteln

In seit langem nicht erlebtem Ausmaß setzten Polizeibeamte großflächig, ohne
Vorwarnung und in unverhältnismäßiger Art und Weise Zwangsmittel wie Reizgas
und Schlagstöcke ein. Mitglieder des „Legal-Teams“, des Komitees für
Grundrechte und Demokratie und Bundestagsabgeordnete beobachteten, wie
friedlichen Demonstrant/innen aus weniger als 50cm Entfernung Reizgas direkt
in die Augen gesprüht wurde. Ganze Waldabschnitte wurden mit CS-Gas
vernebelt, so dass sämtliche dort Anwesende unterschiedslos betroffen waren.
Polizeibeamte - darunter in mindestens einem Fall sogar ein Polizeisanitäter
– wurden dabei beobachtet, wie sie ohne Vorwarnung und sichtbaren Grund auf
Demonstrant/innen einprügelten. Durch diese Vorgehensweise wurden insgesamt
mehr als 1000 Menschen verletzt. Über 30 Demonstrant/innen erlitten zum Teil
schwere Kopfverletzungen.

 

Schwerste Verletzungen nach CS-Gaseinsatz

Am Dienstag, den 9. November 2010, wurde ein professioneller Kletterer, der
sich an einen Baum gekettet hatte, von einem Polizeibeamten ohne Vorwarnung
in vier Meter Höhe mit Reizgas derart attackiert, dass er vom Baum stürzte.
Der Betroffene erlitt eine Fraktur im Brustwirbelbereich und musste mit
einem Rettungshubschrauber ins Krankenhaus gebracht werden. Zuvor hatten ihn
weitere Beamten unter Gewaltandrohung noch über 500 Meter weiter weg
getrieben, obwohl seine schwere Verletzung unübersehbar war und Augenzeugen
die Beamten auch darauf hinwiesen.

 

Unzulässiger Einsatz europäischer Polizeibeamter

Beobachter des Legal Teams stellten mehrfach den Einsatz bewaffneter
Polizeibeamter aus Frankreich und die Anwesenheit weiterer Beamter aus
EU-Staaten in ihren jeweiligen Landesuniformen fest. Eine hinreichende
Rechtsgrundlage hierfür ist bisher von Seiten des Landes Niedersachsen und
des Bundes nicht benannt worden. Fotografen dokumentierten zudem den
gewalttätigen Übergriff eines französischen Beamten auf einen
Protestierenden. Der RAV fordert unverzüglich eine Aufklärung dieses Falls –
auch in Hinsicht auf strafrechtliche Konsequenzen. 

 

Polizeikessel ohne Rechtsschutz

Während der Räumung der Sitzblockade in Harlingen am 8. November 2010
errichteten Polizeibeamte unter Leitung eines Hamburger Polizeiführers über
einen Zeitraum von mehr als sechs Stunden einen Polizeikessel, der ebenso
falsch wie beschönigend als „Freiluft-Gesa (Gefangenensammelstelle)“
deklariert wurde. Unter Umgehung des verfassungsrechtlich verbürgten
Richtervorbehalts bei Freiheitsentziehungen wurde keine der dort
festgehaltenen Personen einem Richter des Amtsgerichts Dannenberg zugeführt
und auf diese Weise Rechtsschutz verweigert und die gebotene Freilassung der
Betroffenen herausgezögert.

 

Durchsuchungen ohne richterlichen Beschluss

Am Montag, den 8. November 2010 stürmten Polizeibeamte u.a. der
Beweissicherungseinheit aus Oldenburg und der 5. Einsatzhundertschaft aus
Göttingen gegen 17 Uhr drei Höfe in Grippel, Zadrau und Langendorf und
durchsuchten ohne richterlichen Durchsuchungsbeschluss die jeweiligen
Scheunengebäude. Während der Durchsuchungsmaßnahme auf dem Hof in Grippel
erfolgte selbst gegenüber dort anwesenden Rechtsanwält/innen weder eine
Begründung noch eine Erörterung des polizeilichen Vorgehens. Die Beamten
waren vermummt und nicht gekennzeichnet.

 

Behinderung von Beobachter/innen

In einer Vielzahl dokumentierter Fälle versuchten Polizeibeamte die
Tätigkeit von Demonstrationsbeobachter/innen, Rechtsanwält/innen und
Bundestagsabgeordneten einzuschränken oder ganz zu unterbinden.

 

„Nach allen uns vorliegenden Berichten sind die Grundrechtsverstöße der
eingesetzten Polizeieinheiten keine Einzelfälle. Es handelt sich anscheinend
vielmehr um ein systematisches Vorgehen, das nicht hinnehmbar ist.  Auch die
Gefahr der Begehung von Ordnungswidrigkeiten oder eventuellen Straftaten
gegen Sachen etwa durch das „Schottern“ kann keine Rechtfertigung für
systematische gewalttätige Übergriffen und rechtsstaatswidriges Vorgehen
seitens der eingesetzten Polizeieinheiten sein“, kommentiert Rechtsanwalt
Martin Lemke.

 

„Das Vorgehen der Polizei während des Castortransports lässt befürchten,
dass in diesem Rahmen rechtswidrige Strategien der Eindämmung großer
demokratischer Protestbewegungen, die allein mit legalen polizeilichen
Mitteln nicht kontrollierbar erscheinen, geübt und durchgesetzt werden
sollten“, ergänzt Rechtsanwältin Britta Eder.

 

 

Ansprechpartnerin für weitere Informationen und Rückfragen: Rechtsanwältin
Britta Eder 0176 – 22169938. 

 

Der RAV ist ein bundesweiter Zusammenschluss von Rechtsanwältinnen und
Rechtsanwälten. Seit seiner Gründung im Jahr 1979 tritt der RAV für das Ziel
ein, Bürger- und Menschenrechte gegenüber staatlichen, wirtschaftlichen oder
gesellschaftlichen Machtansprüchen zu verteidigen und auf eine
fortschrittliche Entwicklung des Rechts hinzuwirken. Besonderes Augenmerk
gilt dabei dem Kampf um die freie Advokatur, denn die Freiheit von
staatlicher Bevormundung stellt für die anwaltliche Tätigkeit eine
notwendige Bedingung dar, um diese Aufgabe wahrnehmen zu können.

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