[imc-presse] PRESSEMITTEILUNG: Drohendes Berufsverbot für die Rechtsanwältin und Menschenrechtsaktivistin Eren Keskin in der Türkei

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Fri Apr 11 12:07:47 CEST 2008


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PRESSEMITTEILUNG

Drohendes Berufsverbot für die Rechtsanwältin und Menschenrechtsaktivistin
Eren Keskin in der Türkei

Unsere Kollegin Eren Keskin, bekannt für ihr unermüdliches und mutiges
Engagement für Menschen- und Freiheitsrechte in der Türkei, wurde am
20.03.08 durch das Amtsgericht Kartal/ Istanbul zu 6 Monaten und 20 Tagen
Haft sowie einer Geldstrafe in Höhe von 4000 NTLira (ca. 2000 €) gem. Art.
301 Abs. 2 Türkisches Strafgesetzbuch wegen Verunglimpfung und
Herabwürdigung des Türkischen Militärs verurteilt. Strafverschärfend wurde
gem. Absatz 3 des Art. 301 TStGB  bewertet, dass die Tat durch eine
türkische Staatsangehörige im Ausland begangen wurde.

Der Verurteilung liegt ein Interview zu Grunde, welches in der Zeitung
„Tagesspiegel“ vom 24.06.2006 veröffentlicht wurde und in welchem
Rechtsanwältin Keskin erneut ihre Überzeugung zum Ausdruck brachte, dass die
Politik der Türkei nach wie vor vom Militär bestimmt wird und ein
Zusammenschluss von Personen, welcher bei der Abteilung für
Sonderkriegsführung beim Generalstab angesiedelt ist, mit aller Macht die
Aufrechterhaltung der autoritären Staatsordnung zu bewirken versucht. Sie
sei der Ansicht, dass auch der Anschlag auf das oberste Verwaltungsgericht
in der Türkei durch diese Kräfte lanciert worden sei, um so Angst und
Schrecken vor einer vermeintlich islamischen Gefahr zu schüren, hierdurch
von den eigentlichen Demokratisierungsproblemen der Türkei abzulenken und
auf diese Art die Macht des Militärs zu stärken.

In der mündlichen Verhandlung berief sich die Kollegin Eren Keskin auf die
Meinungs- und Äußerungsfreiheit:  „Es ist meine Überzeugung, dass das
Militär die Demokratisierung der Türkei behindert. Ich bin der Ansicht, dass
das Militär zu großen Einfluss auf die Justiz und Politik der Türkei ausübt
und dass es sich daraus zurückziehen sollte. Ich habe damit nicht die Armee
herabwürdigen, sondern meine politische Meinung äußern wollen. Ich bin der
Überzeugung, dass das keine Straftat sein kann.“

Gegen das Urteil wurden Rechtsmittel eingelegt. Etliche Strafverfahren
ähnlichen Hintergrunds gegen Eren Keskin  sind noch anhängig oder befinden
sich in der Rechtsmittelinstanz. Aber nicht nur die drohende Haft soll
unsere Kollegin zum Schweigen bringen.

Auf die Aufforderung des Präsidiums des militärischen Generalstabs hin hat
die Rechtsanwaltskammer Istanbul schon mit Beschluss vom 06.12.2007 ein
Disziplinarverfahren gegen Eren Keskin eingeleitet, an dessen Ende ein
erneutes Berufsausübungsverbot droht. Allein die breite öffentliche
Diskussion dieser Entscheidung hat bereits jetzt dazu geführt, dass
Mandantinnen und Mandanten eingeschüchtert das Mandat entziehen und sich aus
Angst kaum noch Menschen mit ihrer Sache an die Kollegin Keskin wenden, so
dass diese auch existenziell in eine Notlage gerät.

Bereits am 12.07.2002 hatte die Nationale Anwaltskammer der Türkei ein
einjähriges Berufsausübungsverbot gegen Eren Keskin verhängt, welches durch
das Justizministerium bestätigt worden war. Auch damals lagen Verurteilungen
wegen Meinungsäußerungsdelikten dem Entzug der Zulassung zu Grunde.

Wir fordern die Anwaltskammer auf, Kolleginnen und Kollegen, welche von
ihrem unveräußerlichen Recht auf freie Meinungsäußerung Gebrauch machen,
nicht in ihrer Berufsausübung zu behindern, sondern sich stützend hinter
diese zu stellen und so die freie Advokatur und die Menschenrechte in der
Türkei zu stärken.

Berlin, 11.04.08
Jutta Hermanns für den RAV




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