[imc-presse] [attac-d-presse] Zehn Jahre ohne Gemeinnützigkeit: Attac kämpft weiter!

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Wed Apr 10 11:06:02 CEST 2024


Pressemitteilung als PDF: 
https://link.attac.de/pm-10jahreohnegemeinnuetzigkeit

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Pressemitteilung
Attac Deutschland
10. April 2024


*Zehn Jahre ohne Gemeinnützigkeit: Attac kämpft weiter!*

*Demokratische Zivilgesellschaft darf nicht weiter behindert werden *

Zehn Jahre ist es am kommenden Sonntag her, dass Attac Deutschland die 
Gemeinnützigkeit aberkannt wurde. Das globalisierungskritische Netzwerk 
agiere zu politisch, begründete das Finanzamt Frankfurt seinen Bescheid 
vom 14. April 2014. Insbesondere der Einsatz für eine Regulierung der 
Finanzmärkte, eine Finanztransaktionssteuer – immerhin die 
Gründungsforderung von Attac – oder eine Vermögensabgabe seien nicht 
gemeinnützig, hieß es in dem Schreiben.

Seitdem wehrt sich Attac gegen die Aberkennung seiner Gemeinnützigkeit – 
juristisch und politisch. Die Auseinandersetzung erfuhr dabei von Beginn 
an große öffentliche Aufmerksamkeit. Denn der „Fall Attac“ hat nicht nur 
Bedeutung für das Netzwerk selbst, sondern beeinträchtigt auch die 
gesamte demokratische Zivilgesellschaft.

Dazu sagte *Judith Amler vom bundesweiten Attac-Koordinierungskreis* am 
heutigen Mittwoch vor Journalist*innen: „/Der Entzug der 
Gemeinnützigkeit behindert das Engagement von Attac für eine global 
gerechte Ökonomie. Die Folgen spüren wir jetzt, nach einem Jahrzehnt, 
auch wirtschaftlich massiv. Attac steht finanziell unter Druck. Das ist 
aber nicht alles. Mit Attac ist ein Präzedenzfall geschaffen worden, der 
kritisches demokratisches Engagement der Zivilgesellschaft nicht nur 
erschwert, sondern in Teilen sogar verhindert. Gemeinnützige Vereine 
müssen sich seither immer fragen, ob und wie sie sich demokratisch 
engagieren dürfen, und halten sich im Zweifel lieber zurück, wie Studien 
belegen. In Zeiten sinkender Zustimmung zur Demokratie und eines 
erstarkenden Rechtsextremismus ist das eine fatale Entwicklung. Deswegen 
kämpfen wir auch nach zehn Jahren weiter dafür, dass die fatale 
Entscheidung gegen Attac aufgehoben wird./“

Vor drei Jahren, nach Ausschöpfung des Rechtswegs, hat Attac 
Verfassungsbeschwerde eingelegt. Wann der Fall in Karlsruhe verhandelt 
wird, ist offen. In der Klageschrift betont Attac, welch wichtige Rolle 
das Grundgesetz zivilgesellschaftlichen Organisationen neben politischen 
Parteien im Prozess der Willensbildung gibt. Dazu sagte *Professor 
Andreas Fisahn*, der Attac vor dem Bundesverfassungsgericht vertritt, 
heute: „/Angesichts der großen Bedeutung der Vereinigungsfreiheit in 
einer pluralistischen Demokratie kann man das Gemeinnützigkeitsrecht – 
also die Abgabenordnung – verfassungskonform kaum so auslegen, dass die 
Absicht, auf die politische Meinungsbildung des Volkes Einfluss zu 
nehmen, ein expliziter Grund ist, eine Gemeinnützigkeit auszuschließen. 
Dies hat der Bundesfinanzhof in seinem viel diskutierten Attac-Urteil 
von 2019 verkannt – zum Schaden nicht nur von Attac, sondern von allen 
demokratisch engagierten Vereinen./“

Auch *Stefan Diefenbach-Trommer, Vorstand der Allianz „Rechtssicherheit 
für politische Willensbildung“* betonte die verheerenden Auswirkungen 
des Attac-Urteils für breite Teile der Zivilgesellschaft. Die von Attac 
mitgegründete Allianz, der heute fast 200 Vereine und Stiftungen 
angehören, setzt sich seit 2015 für ein modernes Gemeinnützigkeitsrecht 
ein. „/Der Fall Attac bleibt exemplarisch für den Druck auf 
zivilgesellschaftliches Engagement für Demokratie und 
Rechtsstaatlichkeit/“, sagte Diefenbach-Trommer. „/Das Attac-Urteil 
hatte Schockwellen durch die Zivilgesellschaft gejagt. Doch anders als 
im Koalitionsvertrag vereinbart hat die Ampel bisher keine Beruhigung 
und Rechtssicherheit hergestellt. Dabei war die Botschaft des 
Bundesfinanzhofs: ‚Wenn der Gesetzgeber Engagement für Demokratie, 
Menschenrechte oder soziale Gerechtigkeit fördern will, dann muss er 
diese Zwecke auch als gemeinnützig gesetzlich festhalten.‘ Viele Vereine 
scheitern leider genau daran, dass diese Zwecke im 
Gemeinnützigkeitsrecht nicht festgeschrieben sind. Engagement für 
Demokratie oder gegen Antisemitismus wird zwar gelobt und gefordert, 
aber nicht aktiv gefördert./“

*Für Rückfragen und Interviews: *

•    Judith Amler, Koordinierungskreis von Attac Deutschland, Tel. 
+4917662486383, judith.amler at attac.de

•    Rechtsanwalt Prof. Dr. Andreas Fisahn, Universität Bielefeld, Tel. 
05224997182, andreas.fisahn at uni-bielefeld.de

•    Stefan Diefenbach-Trommer, Vorstand der Allianz „Rechtssicherheit 
für politische Willensbildung“, Tel. 06421/9711891, 
diefenbach-trommer at zivilgesellschaft-ist-gemeinnuetzig.de

*
Weitere Informationen und Hinweise:*

*Selbstzensur durch Attac-Urteil:* Dem 2023 erschienen Report „ZiviZ 
Survey“ zufolge geben fünf Prozent der befragten Organisationen an, sich 
aus Sorge, um ihren Gemeinnützigkeitsstatus nicht intensiver politisch 
zu engagieren. Bei einem von ZiviZ erhobenen Stand von 656.888 
zivilgesellschaftlichen Organisationen in Deutschland bedeutet das, dass 
sich 30.000 Vereine nicht für Demokratie einmischen, obwohl sie es 
wollen. 
www.zivilgesellschaft-ist-gemeinnuetzig.de/30000-vereine-verstummen-wegen-zu-engem-gemeinnuetzigkeitsrecht-ziviz/ 


*Folgen für die politische Bildung:* In seinem Attac-Urteil von 2019 hat 
der Bundesfinanzhof (BFH) u.a. den gemeinnützigen Zweck der 
(politischen) Bildung ausgesprochen eng ausgelegt. Das unzeitgemäße, 
verkürzte Verständnis von Bildung des obersten Finanzgerichts wird von 
Bildungsexpert*innen scharf kritisiert: https://link.attac.de/polit-bildung
Das Urteil des BFH hat zudem massive Auswirkungen für die politische 
Bildungsarbeit in Deutschland, wie Befragungen zeigen: 
https://isasp.h-da.de/buergin/gemeinnuetzigkeit-politische-bildung#c2692

*Mehr Hintergrund und Dokumente zum „Fall Attac“:* 
www.attac.de/gemeinnuetzigkeit-hintergrund

*Aktionsbild „10 Jahre ohne Gemeinnützigkeit – aber kein bisschen 
leiser!“: *https://link.attac.de/aktionsbild2024

*Ampel-Koalitionsvertrag zu Zivilgesellschaft und Gemeinnützigkeit:* 
https://www.zivilgesellschaft-ist-gemeinnuetzig.de/ampel-koalitionsvertrag-2021-gemeinnuetzigkeit-zivilgesellschaft/ 


*Modernisierung des Gemeinnützigkeitsrechts – was bisher geschah:* 
https://www.zivilgesellschaft-ist-gemeinnuetzig.de/modernisierung-des-gemeinnuetzigkeitsrechts-ampel-chronik/ 


*Attac fordert Akteneinsicht:* Am Donnerstag, 18. April, ab 10 Uhr 
verhandelt das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg in Berlin die 
Informationsfreiheitsklage von Attac gegen das Bundesfinanzministerium. 
Das Ministerium verweigert die Herausgabe von Dokumenten, die Hinweise 
auf eine politische Einflussnahme des Ministeriums bei der Aberkennung 
der Gemeinnützigkeit von Attac enthalten könnten. In erster Instanz 
gewann Attac weitgehend. Dagegen hat das Ministerium Berufung eingelegt. 
Eine Presseeinladung erfolgt gesondert.

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*Der „Fall Attac“ – Chronologie:*

Mit seinem Bescheid vom 14. April 2014 aberkannte das Finanzamt 
Frankfurt Attac die Gemeinnützigkeit mit der Begründung, das Netzwerk 
agiere zu politisch. Insbesondere der Einsatz für eine Regulierung der 
Finanzmärkte, die Einführung einer Finanztransaktionssteuer oder einer 
Vermögensabgabe sei nicht gemeinnützig, hieß es in dem Schreiben.

Eine erste Klage von Attac vor dem Finanzgericht Kassel im Jahr 2016 war 
erfolgreich. Als das Finanzamt die Sache daraufhin auf sich beruhen 
lassen wollte, schaltete sich das damals von Wolfgang Schäuble geführte 
Bundesfinanzministerium wies das Frankfurter Finanzamt an, Revision vor 
dem Bundesfinanzhof (BFH) beantragen. Dieser hob in seinem viel 
kritisierten „Attac-Urteil“ vom Februar 2019 das Urteil der ersten 
Instanz auf. Dabei steckte der BFH den Rahmen für politisches Engagement 
von gemeinnützigen Organisationen äußerst eng. Diesem Urteil des BFH 
folgend mussten die Richter*innen der ersten Instanz die Klage von Attac 
erneut verhandeln und gegen ihre eigene Überzeugung ablehnen. So 
kritisierte der Vorsitzende Richter in Kassel, das Urteil des 
Bundesfinanzhofs sei „mit heißer Nadel gestrickt“.

Die Auseinandersetzung um die Gemeinnützigkeit von Attac hat Bedeutung 
für die gesamte Zivilgesellschaft. Bereits wenige Wochen nach dem 
BFH-Urteil im Februar 2019 entzogen Finanzämter weiteren Organisationen 
die Gemeinnützigkeit. Und auch Vereine, die es nicht getroffen hat, 
wagen seither weniger, sich politisch einzumischen. Das Urteil des BFH 
hat das Thema Gemeinnützigkeit auch auf die Agenda der politischen 
Parteien gesetzt. So hat die Ampel in ihrem Koalitionsvertrag 
vereinbart, das Gemeinnützigkeitsrecht zu reformieren, um 
Rechtssicherheit zu schaffen, hat ihr Versprechen bisher aber nicht erfüllt.

Attac hat im März 2021 Verfassungsbeschwerde gegen die Aberkennung 
seiner Gemeinnützigkeit eingelegt. Die Verhandlung darüber steht noch aus.

Als Teil der von Attac mitgegründeten Allianz „Rechtssicherheit für 
politische Willensbildung“ setzt sich das Netzwerk zudem für ein 
modernes Gemeinnützigkeitsrecht ein, das demokratisches 
zivilgesellschaftliches Engagement fördert, statt es zu behindern.



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