[imc-presse] RAV, VDJ u Strafverteidigerorganisationen: Gemeinsame PM zum morgigen Prozessauftakt NSU 2.0 am Landgericht FFM

RAV e.V. gs at rav.de
Tue Feb 15 10:03:57 CET 2022


Sehr geehrte Damen und Herren,

anlässlich des morgigen Prozessauftakts am Landgericht Frankfurt/M gegen 
Alexander M. (*»*NSU 2.0*«*) fordern der Republikanische Anwältinnen- 
und Anwälteverein (RAV), die Vereinigung demokratischer Juristinnen und 
Juristen (VDJ) und die Strafverteidigerorganisationen weitere und 
konsequente Ermittlungen auch gegen Beschuldigte aus polizeilichen Kreisen.

Die entsprechende Pressemitteilung findet sich hier im Anhang, hier 
folgend und auch auf der Webseite des RAV, hier: 
https://www.rav.de/publikationen/mitteilungen/mitteilung/prozessauftakt-im-ermittlungskomplex-nsu-20-836 


Wir bitten um Kenntnisnahme und Verarbeitung in und mit Ihren Medien.

Für einen Pressekontakt melden Sie sich bitte in der Geschäftsstelle des 
RAV unter 030.417 235 55 oder kontakt at rav.de.

Mit freundlichen Grüßen

Sigrid v. Klinggräff
RAV-Geschäftsstelle

***

*Gemeinsame Pressemitteilung von RAV, VDJ und 
Strafverteidigerorganisationen, 15.2.2022
*

*Prozessauftakt im Ermittlungskomplex »NSU 2.0«
*

*RAV, VDJ und Strafverteidigervereinigungen kritisieren hessische 
Ermittlungsbehörden:
Die Verstrickung der hessischen Polizei in die Drohserie wird nicht 
aufgeklärt.*

Am 16. Februar 2022 beginnt vor dem Landgericht Frankfurt/M. der Prozess 
gegen den 54-jährigen Alexander M., der von 2018 bis 2021 eine Vielzahl 
von Drohschreiben u.a. mit volksverhetzendem Inhalt unter dem Kürzel 
»NSU 2.0« an Menschen versandt haben soll, die sich als Politiker*innen, 
Anwält*innen und Künstler*innen klar gegen Rassismus und Antisemitismus 
positioniert haben.

Erste Adressatin dieser Schreiben war unsere Kollegin, die Frankfurter 
Rechtsanwältin Seda Başay-Yıldız, die im Verfahren gegen die 
rechtsextreme Terrorzelle NSU Angehörige der Mordopfer in der Nebenklage 
vertreten hatte. Zu ihren Mandant*innen gehörten darüber hinaus 
mutmaßliche Islamisten, die sie in Straf-, Ausweisungs- und 
Abschiebeverfahren anwaltlich vertrat.

Unsere Kollegin und ihre Familie wurden in rund 20 Schreiben über Monate 
hinweg aufgrund ihrer anwaltlichen Tätigkeit mit dem Tod bedroht, und 
zwar unter Nennung persönlicher Daten, die nicht öffentlich zugänglich 
sind. Sie musste daher umfangreiche Sicherungsmaßnahmen an ihrem Haus 
vornehmen und war gezwungen, zeitweise Polizeischutz in Anspruch zu nehmen.

*Polizei in Frankfurt/Main und »NSU 2.0«*

Im Rahmen der Ermittlungen stellte sich heraus, dass ca. eine Stunde vor 
dem Versenden des ersten Drohfaxes am 2. August 2018 die persönlichen 
Daten und die Privatadresse von Frau Başay-Yıldız und ihrer gesamten 
Familie in mehreren polizeilichen Datenbanken auf dem 1. Polizeirevier 
Frankfurt/M abgefragt worden waren. Ihre abgerufene Meldeadresse wurde 
zudem am Abend desselben Tages im Internet veröffentlicht. Der Weg der 
Drohschreiben führt damit ganz offensichtlich auch über das 1. 
Polizeirevier in Frankfurt. Auch in zwei weiteren Fällen waren 
persönliche Daten von Empfänger*innen der Drohschreiben von hessischen 
Polizeicomputern aus abgefragt worden.

Die Ermittlungsverfahren gegen die Polizeibeamt*innen laufen bis heute, 
allerdings sehr schleppend.

*Staatsanwaltschaftliche Ermittlungslücken*

Mit der Anklage gegen Alexander M. hat die Staatsanwaltschaft 
Frankfurt/Main die Frage, wie Alexander M. an die persönlichen Daten 
unserer Kollegin gekommen ist, nicht beantwortet. »/Die Verbindung 
zwischen der Abfrage der persönlichen Daten unserer Kollegin über einen 
Polizeicomputer und dem Verschicken von Drohschreiben stellt eine 
ernsthafte Gefährdung für unsere Kollegin und ihre Familie dar/«, 
erklärt die stellvertretende Vorsitzende des RAV, Rechtsanwältin 
Nedelmann. »/Wenn der Staat hier nicht aufklärt, sondern sich weiterhin 
weigert, konsequent auch gegen Beschuldigte aus polizeilichen Kreisen zu 
ermitteln, dann haben wir ein verfassungsrechtliches Problem./«

Mit besonderer Sorge beobachten die Anwaltsvereinigungen, dass der 
hessische Innenminister Beuth die Anklage als Anlass genommen hat, die 
Polizei als entlastet zu sehen. So teilte das hessische Innenministerium 
der Deutschen Presse-Agentur auf Anfrage im Oktober 2021 mit: 
»/Hessische Polizistinnen und Polizisten waren zu keinem Zeitpunkt 
Absender oder Tatbeteiligte der NSU-2.0-Drohmails-Serie/«.(1)

»/Nur wenn auch die Frage einer möglichen Verstrickung hessischer 
Polizeibehörden aufgeklärt ist, kann der Ermittlungskomplex NSU 2.0 
abgeschlossen werden/«, erklärt Rechtsanwältin Gilsbach aus dem Vorstand 
des RAV. Die VDJ, die Strafverteidigervereinigungen und der RAV werden 
daher das Verfahren mit großer Aufmerksamkeit beobachten.

  * Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein (RAV e.V.)
  * Vereinigung demokratischer Juristinnen und Juristen (VDJ e.V.)
  * Organisationsbüro der Strafverteidigervereinigungen


(1) Vgl. Die Welt v. 28.10.2021, »Beuth: Polizisten bei ›NSU 2.0‹ zu 
keinem Zeitpunkt 
Mittäter«,https://www.welt.de/regionales/hessen/article234701792/Beuth-Polizisten-bei-NSU-2-0-zu-keinem-Zeitpunkt-Mittaeter.html

*Pressekontakt:*
Rechtsanwältin Franziska Nedelmann, Tel.: 030.41 72 35 55

---
Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein e. V.
Haus der Demokratie und Menschenrechte
Greifswalder Straße 4 | 10405 Berlin
Tel +49 (0)30 417 235 55 | Fax +49 (0)30 417 235 57
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