[imc-presse] Pressemitteilung und Aufruf zur Kundgebung_Gerechtigkeit für die EL HIBLU 3!

RAV e.V. gs at rav.de
Tue Mar 23 11:54:11 CET 2021


Sehr geehrte Damen und Herren,

in Malta droht drei jungen Migranten aus afrikanischen Ländern eine
lebenslange Haftstrafe, weil sie sich dafür einsetzten, nach der Rettung
aus akuter Seenot im Mittelmeer nicht mit weiteren Geflüchteten zurück
in die Lager Libyens verbracht zu werden. Aus Bedrohten werden Täter und
aus Deeskalation wird ›Terrorismus‹.

Dazu senden wir Ihnen die heutige Pressemitteilung des RAV unter dem Titel

*Gerechtigkeit für die ›EL HIBLU 3‹.**
**Der RAV fordert zum zweiten Jahrestag ihrer Seenot-Rettung die
Einhaltung internationalen Rechts.*

Der Seite 2 der Mitteilung können Informationen zum *juristischen
Hintergrund* zur Sache entnommen werden.
Auch von der Webseite des RAV kann auf die PM zugegriffen werden -
*hier*
<https://www.rav.de/publikationen/mitteilungen/mitteilung/gerechtigkeit-fuer-die-el-hiblu-3/9655106b3a6f5539f755173334c3f345/>.


Des Weiteren machen wir aufmerksam auf eine *Kundgebung*, die von
verschiedenen Organisationen**(u.a. /RAV e.V., See-Watch/ e.V.,
/Alarmphone, //borderline-europe/ e.V.) am *Freitag, 26.3.21 um 11h *vor
der *Maltesischen Botschaft* (Klingelhöferstr. 7, 10785 Berlin)
durchgeführt werden wird. Wir laden herzlich ein, daran teilzunehmen und
davon zu berichten.

Mit freundlichen Grüßen

Sigrid v. Klinggräff
RAV-Geschäftsstelle

***
*Gerechtigkeit für die ›EL HIBLU 3‹**
RAV fordert zum zweiten Jahrestag ihrer Seenot-Rettung die Einhaltung
internationalen Rechts*

In Malta droht drei jungen Migranten aus afrikanischen Ländern eine
lebenslange Haftstrafe, weil sie sich dafür einsetzten, nach der Rettung
aus akuter Seenot im Mittelmeer nicht mit weiteren Geflüchteten zurück
in die Lager Libyens verbracht zu werden. Aus Bedrohten werden Täter und
aus Deeskalation wird ›Terrorismus‹.

*Was war geschehen?* Am 28. März 2019 rettete das Frachtschiff /El Hiblu
1/ über 100 Menschen – darunter 20 Frauen und mindestens 15 Kinder – aus
akuter Seenot. Als die Menschen bemerkten, dass das rettende Schiff Kurs
auf Libyen nahm, brach an Bord Verzweiflung und Panik aus. /Amnesty
International/ bestätigte seinerzeit, dass die Geretteten zu keinem
Zeitpunkt gewalttätig gegen die Besatzung vorgingen. Drei der Geretteten
– zwei Minderjährige sowie ein 19-Jähriger – hätten vielmehr für die
Schiffsführer gedolmetscht, um die in Panik geratenen Flüchtlinge zu
beruhigen. Die Besatzung der /El Hiblu 1/ beschloss daraufhin, das
Schiff in Richtung Malta zu steuern.

*Was sind die Folgen?* Die drei Teenager wurden von den maltesischen
Behörden festgenommen und bis November 2019 in Untersuchungshaft
interniert, kamen dann auf Kaution frei. Sie sind seitdem als die ›El
Hiblu 3‹ bekannt. Unter Meldeauflagen und strenger Ausgangssperre nehmen
sie monatlich an einer Gerichtsverhandlung teil, die Teil des
Ermittlungsverfahrens ist. Malta ermittelt gegen sie u.a. wegen
›Terrorismus‹. »/Damit werden die Ereignisse vom März 2019 auf den Kopf
gestellt und international anerkannte Rechtsstaatsprinzipien in Frage
gestellt/«, so RAV-Vorstandsmitglied Berenice Böhlo. »/Wir beobachten in
großer Sorge die Erosion des Rechtsstaats und eine neue Eskalation bei
der Kriminalisierung von Geflüchteten/«, so Böhlo.

Erst am 4. März 2021 konnte eine der Geflüchteten als Augenzeugin über
die Ereignisse vom März 2019 berichten. Die nächste Anhörung ist für den
15. April 2021 angesetzt, und der RAV sowie ihre europäische
Partnerorganisation, die /Europäischen Demokratischen Anwältinnen und
Anwälte/ (EDA-AED), beobachten den Prozess weiter.

*Was sind die Forderungen?* Der RAV fordert die Einstellung des
Verfahrens. Er verweist in einem Statement (dazu unten) auf die
Notwendigkeit, internationale Normen und Vereinbarungen zu respektieren
und deren Durchsetzung zu befördern. Das Hantieren mit dem Begriff
›Terrorismus‹ ist dazu kein Beitrag, sondern ein Angriff auf den
Rechtsstaat und die Menschenwürde. Die Diffamierung von Menschen, die um
ihr Leben und ihre Rechte kämpfen, muss endlich ein Ende haben.

_*KUNDGEBUNG*_

*GERECHTIGKEIT FÜR DIE ›EL HIBLU 3‹!*
*26. März 2021, 11:00 Uhr*
Maltesische Botschaft
Klingelhöferstraße 7 | 10785 Berlin

****

*Zum juristischen Hintergrund*

Libyen ist unbestritten kein ›sicherer‹ Ort, auch nicht für die
Einschiffung von Geflüchteten und Migrant*innen, die auf See gerettet
werden. *Der RAV erinnert daran*: Die Menschenrechtsberichte der UNO und
der Europäischen Union dokumentieren systematische
Menschenrechtsverletzungen gegen Migrant*innen in Libyen, darunter
unrechtmäßige Tötungen, willkürliche Inhaftierungen, Folter und
unmenschliche Behandlung, alarmierende Raten von Unterernährung, von
sexualisierter und geschlechtsspezifischer Gewalt einschließlich
Gruppenvergewaltigung, Sklaverei, Zwangsarbeit und Erpressung.

Die EU-Mitgliedstaaten sind verpflichtet, die Genfer
Flüchtlingskonvention – insbesondere das Prinzip des /non-refoulement/ –
und die Verpflichtungen gemäß der Europäischen Menschenrechtskonvention
einzuhalten. *Der RAV erinnert daran:* Das Verbot der Folter oder
unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung ist ein
notstandsfestes Recht, das unter keinen Umständen einschränkbar ist.

Denklogisch umfasst der Schutz vor Folter das Unterlassen von
Anweisungen und Handlungen, durch welche die Betroffenen den Folterern
erst zugeführt werden. Mittäter kann auch derjenige sein, der
Menschenrechtsverletzungen durch das Verbringen von Menschen in die
Herrschaftssphäre der Täter – hier Libyen – erst ermöglicht. *Der RAV
erinnert daran:* Juristisch stellt dies Beihilfe zur Folter dar. Richten
sich die Verpflichtungen aus den internationalen und europäischen
Abkommen direkt zunächst an staatliche Stellen, gelten diese Handlungs-
bzw. Unterlassensnormen über die nationalen Rechtsordnungen auch für
Private, d.h. z.B. für die Besatzungsmitglieder nicht-staatlicher Schiffe.

Die Menschen an Bord des Schiffes /El Hiblu 1/ handelten, um ihre Rechte
nach internationalem Recht zu verteidigen, insbesondere ihr Recht, frei
von der ernsthaften Gefahr von Folter, Vergewaltigung, Sklaverei und
anderer unmenschlicher und erniedrigender Behandlung zu sein, sollten
sie gewaltsam nach Libyen zurückgebracht werden. *Der RAV erinnert
daran:* Zwei der ›El Hiblu 3‹ waren zudem zum Zeitpunkt der
vorgeworfenen Handlungen noch minderjährig und sind somit rechtlich als
besonders schutzbedürftig anzuerkennen. Ihre speziellen Bedürfnisse und
Rechte müssen zu jedem Zeitpunkt des Verfahrens Berücksichtigung finden.

  * Alle Verpflichtungen, die sich aus dem internationalen und
    europäischen Recht, den Menschenrechten und dem Flüchtlingsrecht
    ergeben, müssen vollständig umgesetzt werden.
  * Es muss anerkannt werden, dass es sich bei den Angeklagten um
    schutzbedürftige Minderjährige mit besonderen Bedürfnissen handelt,
    die erfüllt werden müssen. Das gilt auch für alle Verpflichtungen,
    die sich aus dem UN-Übereinkommen über die Rechte des Kindes in
    dieser Hinsicht ergeben, die umzusetzen sind.
  * Zu beachten sind rechtfertigende Gründe für Handlungen, die sich
    gegen rechtswidrige Befehle und Akte richten, durch die Betroffene
    unausweichlich der Folter, Vergewaltigung, Sklaverei und anderen
    grausamen und unmenschlichen Behandlung ausgesetzt werden.
  * Garantien des Rechts auf ein faires Verfahren sind in vollem Umfang
    einzuhalten.
  * Angeklagte müssen angemessenen Zugang zum Recht auf Verteidigung
    ohne jegliche Einschränkung erhalten.
  * Jede Art der Zusammenarbeit mit Libyen im Bereich der Migration und
    Seenotrettung ist einzustellen, und die Achtung der Rechte von
    Geflüchteten und Migrant*innen sind stets zu gewährleisten.

---
Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein e. V.
Haus der Demokratie und Menschenrechte
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