[imc-presse] Türkei: Systematische Assimilationspolitik gegen kurdische Sprache

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Mon Jul 12 09:58:01 CEST 2021


*Civaka Azad Pressemitteilung, 12.07.2021*

Die kurdische Sprache gehört weltweit zu den wenigen Sprachen, deren
Nutzung jahrzehntelang als Straftat galt und deshalb geahndet wurde. Bis
1991 war in der Türkei ein striktes Sprachverbotsgesetz in Kraft, das
Kurdisch in allen Lebensbereichen unter Strafe stellte – ein Verbot
kurdischer Namen mit eingeschlossen. Zwar wurde das Gesetz aufgehoben
und die Reformpakete im Zuge der EU-Beitrittsverhandlungen ließen
zunächst eine gewisse Lockerung erhoffen. Doch in der Praxis wird die
kurdische Sprache weiter diskriminiert und ihre Nutzer:innen werden mit
Repression überzogen. Die zwei jüngsten Beispiele dieser Diskriminierung
spielten sich am vergangenen Wochenende ab und verdeutlichen die
fehlende Umsetzung der eingegangenen Verpflichtungen des türkischen Staates.

*Inhaftierungen aufgrund Predigt in kurdischer Sprache*

Am 3. Juli wurden insgesamt 26 Vertreter des Demokratischen
Islamkongresses (DIK) und des Vereins der Religionsgelehrten (DIAY-DER)
in Istanbul festgenommen. Sie wurden nach sieben Tagen Polizeigewahrsam
am Freitag dem Haftrichter vorgeführt. Das Gericht ordnete für neun von
ihnen Untersuchungshaft an, während die übrigen unter gerichtlichen
Meldeauflagen freikamen. Bei den Inhaftierten handelt es sich um Ekrem
Baran, Ali Fuat Hatip, Aydın Ayhan, Enver Karabey, Mehmet İnan, Mehmet
Emin Aslan, Nezir Erdemci, Hafik Tunç und Sefa Mehmetoğlu.

Rechtsanwalt Vedat Ece von der Freiheitlichen Jurist:innenvereinigung
<https://anfdeutsch.com/aktuelles/neun-vertreter-von-demokratischen-religionsverbanden-inhaftiert-27217>,
der die Festgenommenen vertritt, berichtet, der Grund für die Festnahmen
und Inhaftierungen seien die Aktivitäten der Vereine. Darauf deuteten
Verhörfragen hin wie: „Warum habt ihr nicht die Predigten der
Religionsbehörde (Diyanet) verlesen?“ und „Warum predigt und betet ihr
auf Kurdisch?“ Ece führt aus: „Sie wurden beschuldigt und verhaftet,
weil sie auf Kurdisch gepredigt und auf Kurdisch gebetet haben.

*Nach zehn Jahren: Haftstrafe für kurdischsprachiges BDP-Schild*

2011 wurde gegen den kurdischen Lokalpolitiker Talha Kaya aus der
Provinz Agirî (tr. Ağrı) ein Ermittlungsverfahren wegen
„Terrorpropaganda” und „Widerstand gegen Polizeibeamte“ eingeleitet.
Sein Vergehen war es, als damaliger Vorsitzender des Kreisverbands der
BDP in Bazîd (Doğubeyazıt) ein Schild am Parteigebäude angebracht zu
haben, auf dem der kurdische Name seiner Partei stand: /Partiya Aştî û
Demokrasiyê/, zu Deutsch: „Partei des Friedens und der Demokratie“.

Ein ganzes Jahrzehnt später hat die 2. Strafabteilung des Amtsgerichts
Doğubayazıt eine Entscheidung getroffen und Kaya wegen „Propaganda für
eine terroristische Organisation” zu einer Freiheitsstrafe von einem
Jahr und acht Monaten verurteilt. Für Talha Kaya offenbart die
Gerichtsentscheidung
<https://anfdeutsch.com/kurdistan/nach-zehn-jahren-haftstrafe-fur-kurdischsprachiges-bdp-schild-27229>die
Perspektive der türkischen Justiz auf die kurdische Sprache, wie er
sagt. Er finde das Urteil bezeichnend, schließlich handelte es sich bei
der BDP um eine legale Partei, die vor zehn Jahren eine Fraktion in der
türkischen Nationalversammlung hatte.

Kolonialistische Maßnahmen wie der Austausch von kurdischen
Hinweisschildern finden seit dem ersten Putsch gegen die kurdische
Kommunalpolitik im Herbst 2016 in großem Stil statt. In nahezu allen
zuvor von der HDP oder ihrer Schwesterpartei DBP geführten Rathäusern in
Nordkurdistan, in denen Verwaltungsbeamte des AKP-Regimes als
Zwangsverwalter eingesetzt wurden, gehörten die Verbannung der
kurdischen Sprache aus dem öffentlichen Leben oder die Verballhornung
von Ortsnamen zu den ersten Amtshandlungen.

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