[imc-presse] [attac-d-presse] Gemeinnützigkeit: Weg nach Karlsruhe frei / BFH weist Revision zurück

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Thu Jan 28 08:24:21 CET 2021


Pressemitteilung als PDF:
https://link.attac.de/pm-revision-bfh-abgelehnt

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Pressemitteilung
Attac Deutschland
Frankfurt am Main, 28. Januar 2021


* Gemeinnützigkeit: Bundesfinanzhof hält an umstrittenem Urteil fest

* Revision von Attac zurückgewiesen / Weg für Verfassungsbeschwerde frei

Die juristische Auseinandersetzung um die Gemeinnützigkeit von Attac
Deutschland geht in die letzte Runde: Der Bundesfinanzhof (BFH) hat die
Revision des globalisierungskritischen Netzwerks gegen das Urteil des
Hessischen Finanzgerichts vom Februar 2020 zurückgewiesen. Damit ist der
Rechtsweg ausgeschöpft. Attac kann in Karlsruhe Verfassungsbeschwerde
gegen den Entzug der Gemeinnützigkeit einreichen.

Mit ihrer Entscheidung, die Revision zurückzuweisen, haben die
Richter*innen am BFH nach Ansicht von Attac die Gelegenheit versäumt,
ihr Urteil vom Februar 2019 einer kritischen Prüfung zu unterziehen.

„Offenbar liegt dem BFH nichts daran, den auch unter Fachleuten
entstandenen Eindruck zu korrigieren, er habe sich in seinem Urteil über
die Gemeinnützigkeit von Attac mehr von politischen als
rechtswissenschaftlichen Erwägungen leiten lassen“, stellt Dirk
Friedrichs vom bundesweiten Attac-Koordinierungskreis fest. „Mit ihrer
juristisch umstrittenen, überaus engen Auslegung der gemeinnützigen
Zwecke der politischen Bildung und der Förderung des demokratischen
Staatswesens behindern die Richter*innen am BFH die Arbeit von tausenden
fürs Gemeinwohl engagierten Vereinen.“

In seinem Beschluss vom Februar 2019 hob der BFH das für Attac positive
Urteil der ersten Instanz auf und verwies das Verfahren zurück an das
Hessische Finanzgericht in Kassel. In seinem Urteil, das auch in der
juristischen Fachwelt kritisiert wurde, steckte der BFH den Rahmen für
politisches Engagement von gemeinnützigen Organisationen deutlich enger
als die bisherige Rechtsprechung. Bei ihrer erneuten Entscheidung Anfang
2020 mussten die Richter*innen der ersten Instanz der Auslegung des BFH
folgen und die Klage von Attac abweisen – gegen ihre eigene Überzeugung.
So meinte der Vorsitzende Richter in Kassel, das Urteil des
Bundesfinanzhofs sei „mit heißer Nadel gestrickt“.

Maria Wahle, ebenfalls Mitglied im Attac-Koordinierungskreis,
kommentiert: „Aus der Begründung für die Ablehnung der Revision spricht
dasselbe autoritäre Demokratieverständnis von vorgestern wie aus dem
ersten Beschluss des Bundesfinanzhofs. Statt eine aktive, sich
einmischende Zivilgesellschaft zu fördern, geht es den Richter*innen
offenbar vor allem darum, ihr Grenzen zu setzen. In Zeiten einer
zunehmenden Politik- und Demokratieverdrossenheit ist dies ein falsches
Signal.“

Die Auseinandersetzung um die Gemeinnützigkeit von Attac hat Bedeutung
für die gesamte Zivilgesellschaft. Bereits wenige Wochen nach dem
BFH-Urteil im Februar 2019 entzogen Finanzämter weiteren Organisationen
die Gemeinnützigkeit.

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Für Rückfragen:

* Dirk Friedrichs, Vorstand Attac-Trägerverein /
Attac-Koordinierungskreis, Tel. 0177 3276 659

* Frauke Distelrath, Pressesprecherin Attac Deutschland,
Tel. 0151 6141 0268

* Rechtsanwalt Dr. Till Müller-Heidelberg, Kanzlei Dr.
Müller-Heidelberg, Fuchs und Partner, Tel. 06721 1812-0

* Rechtsanwalt Prof. Dr. Andreas Fisahn, Universität Bielefeld, Tel.
05224 997182

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Dokumente:

* Zurückweisung Revision durch den BFH (Beschluss vom 20.12.2020,
zugestellt am 27.1.2021):
https://link.attac.de/bfh-zurueckweisung-revision

* Begründung Revision (3.6.2020):
https://link.attac.de/begruendung-revision

* Urteil Hessisches Finanzgericht (26.2.2020):
https://link.attac.de/urteil-hessisches-finanzgericht

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Weitere Informationen:

* Pressemitteilung zum Urteil des Hessischen Finanzgerichts am 26.
Februar 2020: https://link.attac.de/pm-urteil-hessisches-finanzgericht

* Pressemitteilung zum BFH-Urteil am 26. Februar 2019:
https://link.attac.de/pm-bfh-urteil-2019

* Webseite zur Auseinandersetzung um die Gemeinnützigkeit von Attac (mit
Hintergrund und weiteren Dokumenten): www.attac.de/jetzt-erst-recht
 
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Hintergrund

Das Frankfurter Finanzamt entzog Attac 2014 die Gemeinnützigkeit mit der
Begründung, das Netzwerk sei zu politisch. Insbesondere der Einsatz für
eine Finanztransaktionssteuer oder eine Vermögensabgabe diene keinem
gemeinnützigen Zweck, hieß es zur Begründung. Bereits im November 2016
gab das Hessische Finanzgericht der Klage von Attac statt und bestätigte
dessen Gemeinnützigkeit.

Auf Weisung des Bundesfinanzministeriums unter Wolfgang Schäuble
beantragte das Frankfurter Finanzamt jedoch Revision beim BFH in
München. Das Finanzministerium trat dem Revisionsprozess auch offiziell
als Verfahrensbeteiligter bei.

Der BFH hob das Urteil der ersten Instanz im Februar 2019 auf und
verwies das Verfahren zurück an das Hessische Finanzgericht. In seinem
viel kritisierten Urteil steckte der BFH den Rahmen für politisches
Engagement von gemeinnützigen Organisationen sehr viel enger als die
bisherige Rechtsprechung gesteckt und legte insbesondere den
gemeinnützigen Zweck „Förderung der Bildung“ deutlich restriktiver aus.
Die Richter in Kassel mussten bei ihrer erneuten Entscheidung am 26.
Februar 2020 der Rechtsauslegung des BFH folgen, ließen aber
ausdrücklich eine Revision zu. Am 27. Januar 2021  wies der BFH die
Revision von Attac zurück. Das globalisierungskritische Netzwerk wird
nun binnen vier Wochen Verfassungsbeschwerde einreichen.

Durch den Entzug der Gemeinnützigkeit dürfen Mitglieder und Unterstützer
von Attac ihre Beiträge und Spenden nicht mehr von der Steuer absetzen.
Stiftungen und andere Institutionen können Projekte von Attac nicht mehr
fördern. Zudem muss Attac Steuern zahlen, die für gemeinnützige Vereine
nicht anfallen, beispielsweise Schenkungssteuern.

Gemeinsam mit anderen Organisationen hat Attac die Gründung der „Allianz
Rechtssicherheit für politische Willensbildung" angestoßen, die im Juli
2015 die Arbeit aufgenommen hat. Der Allianz setzt sich für ein modernes
Gemeinnützigkeitsrecht und eine Änderung der Abgabenordnung ein. Ihr
angeschlossen haben sich mehr als 180 Vereine und Stiftungen – darunter
neben Attac beispielsweise auch Brot für die Welt, Amnesty
International, Medico International, Oxfam, Terres des Hommes und
Campact. (www.zivilgesellschaft-ist-gemeinnuetzig.de)

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Frauke Distelrath
Pressesprecherin Attac Deutschland
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Münchener Str. 48, 60329 Frankfurt/M
Tel. 069 900 281-42; 0151 6141 0268
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