[imc-presse] [attac-d-presse] Gemeinnützigkeit: Attac legt Revision ein / Bundesfinanzministerium verweigert Akteneinsicht

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Mon Jun 8 08:02:49 CEST 2020


PM als PDF:
https://link.attac.de/pm-revision-und-klage-akteneinsicht

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Pressemitteilung
Attac Deutschland
Frankfurt am Main, 8. Juni 2020



* Gemeinnützigkeit: Attac legt Revision ein und klagt auf Akteneinsicht


* Bundesfinanzhof kann umstrittenes Urteil von 2019 korrigieren / Wie
viel Einfluss nahm das Bundesfinanzministerium auf die Entscheidung
gegen Attac?


Das globalisierungskritische Netzwerk Attac kämpft weiter auch
juristisch um seine Gemeinnützigkeit: Als nächsten Schritt durch die
Instanzen hat Attac Revision beim Bundesfinanzhof (BFH) gegen das Urteil
des Hessischen Finanzgerichts vom Beginn dieses Jahres eingelegt. Die
Revision ist nötig, um den Rechtsweg auszuschöpfen und notfalls
Verfassungsbeschwerde einlegen zu können. Der BFH in München wird sich
damit nach seinem Urteil vom Februar 2019 zum zweiten Mal mit der
Gemeinnützigkeit von Attac befassen müssen.

„Die Revision gibt den Richtern am Bundesfinanzhof nun Gelegenheit, ihr
eigenes Urteil einer kritischen Prüfung zu unterziehen. Mit ihrer
juristisch höchst umstrittenen, überaus engen Auslegung des
gemeinnützigen Zwecks der politischen Bildung haben sie der gesamten
kritischen Zivilgesellschaft Knüppel zwischen die Beine geworfen“, sagt
Dirk Friedrichs vom bundesweiten Attac-Koordinierungskreis. „Offenbar
ließ sich der BFH in seinem Urteil über die Gemeinnützigkeit von Attac
mehr von politischen als rechtswissenschaftlichen Erwägungen leiten.
Diesen auch unter Fachleuten entstandenen Eindruck können die Richter
nun korrigieren.“

In seinem Urteil vom Februar 2019 hob der BFH das für Attac positive
Urteil der ersten Instanz auf und verwies das Verfahren zurück an das
Hessische Finanzgericht in Kassel. Dabei steckte der BFH den Rahmen für
politisches Engagement von gemeinnützigen Organisationen äußerst eng.
Bei ihrer erneuten Entscheidung Anfang des Jahres mussten die Richter
der ersten Instanz der Rechtsauslegung des BFH folgen und die Klage von
Attac abweisen – gegen ihre eigene Überzeugung. So kritisierte der
Vorsitzende Richter in Kassel, das Urteil des Bundesfinanzhofs sei „mit
heißer Nadel gestrickt“.

+ Bundesfinanzministerium verweigert Akteneinsicht

Zu dem unguten Eindruck, das Urteil des BFH gegen Attac sei politisch
motiviert gewesen, tragen personelle Verflechtungen zwischen dem
obersten Finanzgericht und dem Bundesfinanzministerium (BMF) bei. Attac
hat deswegen wiederholt Akteneinsicht beim BMF beantragt, die jedoch
verweigert wird. Nun hat Attac Klage auf Akteneinsicht und
Informationszugang eingereicht.

Von besonderem Interesse ist dabei die Korrespondenz zwischen dem
Finanzministerium und dem Bundesfinanzhof. BFH-Präsident Rudolf
Mellinghoff und der für den „Fall Attac“ zuständige Abteilungsleiter im
BMF Rolf Möhlenbrock – beide zentrale Akteure bei der Aberkennung der
Gemeinnützigkeit von Attac – saßen und sitzen gemeinsam im Vorstand des
„Institut für Steuern und Finanzen“. Der wirtschaftsnahe Lobbyverein
tritt für die Senkung von Unternehmenssteuern ein, also das Gegenteil
dessen, wofür sich Attac engagiert.

Die Auseinandersetzung um die Gemeinnützigkeit von Attac hat Bedeutung
für die gesamte Zivilgesellschaft. Bereits wenige Wochen nach dem
BFH-Urteil im Februar 2019 entzogen Finanzämter weiteren Organisationen
die Gemeinnützigkeit.

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Für Rückfragen:

* Dirk Friedrichs, Vorstand Attac-Trägerverein /
Attac-Koordinierungskreis, Tel. 0177 3276 659

* Andreas van Baaijen, Geschäftsführer Attac Deutschland, Tel. 069 900
281 40

* Frauke Distelrath, Pressesprecherin Attac Deutschland, Tel. 069 900 281 42

* Anwälte Revision: Dr. Till Müller-Heidelberg, Kanzlei Dr.
Müller-Heidelberg, Fuchs und Partner, Tel. 06721 1812-0; Prof. Dr.
Andreas Fisahn, Universität Bielefeld, Tel. 05224 997182

* Anwältin Akteneinsicht: Anja Heinrich, Kanzlei Anja Heinrich, Tel. 030
8147 5758

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Dokumente:

* Begründung Revision (3.6.2020):
https://link.attac.de/begruendung-revision

* Klagebegründung Akteneinsicht (30.4.2020):
https://link.attac.de/klagebegruendung-akteneinsicht

* Urteil Hessisches Finanzgericht (26.2.2020):
https://link.attac.de/urteil-hessisches-finanzgericht

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Weitere Informationen:

* Pressemitteilung zum Urteil des Hessischen Finanzgerichts am 26.
Februar 2020: https://link.attac.de/pm-urteil-hessisches-finanzgericht

* Pressemitteilung zum BFH-Urteil am 26. Februar 2019:
https://link.attac.de/pm-bfh-urteil-2019

* Webseite zur Auseinandersetzung um die Gemeinnützigkeit von Attac (mit
Hintergrund und Dokumenten): www.attac.de/jetzt-erst-recht

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Hintergrund

Das Frankfurter Finanzamt entzog Attac 2014 die Gemeinnützigkeit mit der
Begründung, das Netzwerk sei zu politisch. Insbesondere der Einsatz für
eine Finanztransaktionssteuer oder eine Vermögensabgabe diene keinem
gemeinnützigen Zweck, hieß es zur Begründung. Bereits im November 2016
gab das Hessische Finanzgericht der Klage von Attac statt und bestätigte
dessen Gemeinnützigkeit.

Auf Weisung des Bundesfinanzministeriums unter Wolfgang Schäuble
beantragte das Frankfurter Finanzamt jedoch Revision beim BFH in
München. Das Finanzministerium trat dem Revisionsprozess auch offiziell
als Verfahrensbeteiligter bei.

Der BFH hob das Urteil der ersten Instanz im Februar 2019 auf und
verwies das Verfahren zurück an das Hessische Finanzgericht. In seinem
viel kritisierten Urteil steckte der BFH den Rahmen für politisches
Engagement von gemeinnützigen Organisationen sehr viel enger als die
bisherige Rechtsprechung gesteckt und legte insbesondere den
gemeinnützigen Zweck „Förderung der Bildung“ deutlich restriktiver aus.
Die Richter in Kassel mussten bei ihrer erneuten Entscheidung am 26.
Februar 2020 der Rechtsauslegung des BFH folgen.

Durch den Entzug der Gemeinnützigkeit dürfen Mitglieder und Unterstützer
von Attac ihre Beiträge und Spenden nicht mehr von der Steuer absetzen.
Stiftungen und andere Institutionen können Projekte von Attac nicht mehr
fördern. Zudem muss Attac Steuern zahlen, die für gemeinnützige Vereine
nicht anfallen, beispielsweise Schenkungssteuern.

Gemeinsam mit anderen Organisationen hat Attac die Gründung der „Allianz
Rechtssicherheit für politische Willensbildung" angestoßen, die im Juli
2015 die Arbeit aufgenommen hat. Der Allianz setzt sich für ein modernes
Gemeinnützigkeitsrecht und eine Änderung der Abgabenordnung ein. Ihr
angeschlossen haben sich mehr als 150 Vereine und Stiftungen – darunter
neben Attac beispielsweise auch Brot für die Welt, Amnesty
International, Medico International, Oxfam, Terres des Hommes und
Campact. (www.zivilgesellschaft-ist-gemeinnuetzig.de)

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Frauke Distelrath
Pressesprecherin Attac Deutschland
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Münchener Str. 48, 60329 Frankfurt/M
Tel. 069 900 281-42; 0151 6141 0268
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