[imc-presse] [attac-d-presse] Gemeinnützigkeit: Nach Attac jetzt Campact betroffen / Bundestag muss Handlungsspielräume für kritische Zivilgesellschaft sichern
Attac-Pressestelle
presse at attac.de
Mon Oct 21 11:58:57 CEST 2019
Pressemitteilung
Attac Deutschland
Frankfurt am Main, 21. Oktober 2019
* Präzedenzfall Attac: Auch Campact Gemeinnützigkeit entzogen
* BFH-Urteil behindert gesamte kritische Zivilgesellschaft / Bundestag
muss Gemeinnützigkeitsrecht endlich modernisieren
Nur wenige Monate, nachdem der Bundesfinanzhof (BFH) dem
globalisierungskritischen Netzwerk Attac die Gemeinnützigkeit
abgesprochen hat, ist auch der Kampagnenorganisation Campact die
Gemeinnützigkeit entzogen worden. Die Entscheidung des Berliners
Finanzamtes ist eine direkte Folge des im Februar gefällten BFH-Urteils
gegen Attac und zeigt, wie berechtigt die Befürchtungen
gesellschaftspolitisch engagierter Vereine vor einer weiteren
Einschränkung ihrer Arbeit sind.
"Wir haben zu Recht vor einem Präzedenzfall Attac gewarnt. Die
vorausgesagte verheerende Wirkung für die kritische Zivilgesellschaft in
Deutschland ist eingetreten. Mit Campact ist eine weitere große
Organisation betroffen, die sich aktiv für das Gemeinwohl einsetzt. Mit
seinem Urteil gegen Attac hat der BFH es ermöglicht, politisch
missliebigen Organisationen mithilfe des Gemeinnützigkeitsrechts Knüppel
zwischen die Beine zu werfen“, sagt Dirk Friedrichs vom Vorstand des
Attac-Trägervereins. „Nötig wäre das Gegenteil. Das letzte, was wir
angesichts der zunehmenden Angriffe von rechts brauchen, sind
schrumpfende Handlungsspielräume für alle, die sich für eine
solidarische Gesellschaft einsetzen.“
+ Bundestag muss Handlungsspielraum für kritische Zivilgesellschaft sichern
Attac fordert dringend eine Anpassung der Abgabenordnung an die
Erfordernisse einer modernen Demokratie: Der Satzungszweck „Förderung
des demokratischen Staatwesens“ muss als spezifischer Zweck anerkannt
werden, außerdem müssen weitere Zwecke wie „Soziale Gerechtigkeit“ und
„Menschenrechte“ in den Gemeinnützigkeitskatalog aufgenommen werden.
Stephanie Handtmann, Geschäftsführerin im Attac-Bundesbüro: „Das
Gemeinnützigkeitsrecht darf nicht zu einem Instrument verkommen, mit dem
Organisationen, die sich selbstlos für ein solidarisches Miteinander
einsetzen, klein gehalten werden. Eine widerstandsfähige Demokratie
braucht eine kritische Zivilgesellschaft und starke Organisationen, die
politische Entscheidungsprozesse aktiv begleiten und sich einmischen.
Diese wichtige gesellschaftliche Funktion darf nicht von Finanzämtern
über das Steuerrecht ausgehebelt werden.“
Der BFH hatte im Februar das für Attac positive Urteil der ersten
Instanz aufgehoben und das Verfahren mit engen Vorgaben an diese zurück
verwiesen. In seinem Urteil steckt der BFH den Rahmen für politisches
Engagement von gemeinnützigen Organisationen sehr viel enger als die
bisherige Rechtsprechung. Insbesondere die Zwecke „Förderung der
Bildung“ und „Förderung des demokratischen Staatwesens“ werden durch das
Urteil stark eingeschränkt. In dem erneuten Prozess vor dem Hessischen
Finanzgericht, der voraussichtlich im Januar beginnen wird, müssen die
Richter nun den engen Vorgaben des BFH folgen. Attac ist entschlossen,
seine Gemeinnützigkeit notfalls vor dem Bundesverfassungsgericht zu
verteidigen.
--
Webseite "Jetzt erst recht – Gemeinwohl ist politisch" (mit Hintergrund
und Dokumenten): www.attac.de/jetzt-erst-recht
--
Für Rückfragen:
* Stephanie Handtmann, Geschäftsführerin im Attac-Bundesbüro, Tel. 069
900 281 22, 0176 2419 1706
* Dirk Friedrichs, Vorstand Attac-Trägerverein e.V. /
Attac-Koordinierungskreis, Tel. 0177 3276 659
* Andreas van Baaijen, Geschäftsführer im Attac-Bundesbüro, Tel. 069 900
281 40, 0176 9981 3292
--
Hintergrund
Mit der Behauptung, Attac sei zu politisch, entzog das Finanzamt
Frankfurt dem Netzwerk im April 2014 die Gemeinnützigkeit. Insbesondere
der Einsatz für eine Finanztransaktionssteuer oder eine Vermögensabgabe
diene keinem gemeinnützigen Zweck, hieß es zur Begründung. Im November
2016 gab das Hessische Finanzgericht der Attac-Klage gegen den Entzug
der Gemeinnützigkeit voll statt. Trotz des klaren Richterspruchs wies
das Bundesfinanzministerium das Finanzamt an, beim Bundesfinanzhof in
München Revision zu beantragen. Im Januar 2018 trat das Ministerium dem
Revisionsprozess auch offiziell als Verfahrensbeteiligter bei.
Im Februar 2019 hat der Bundesfinanzhof das Verfahren zurück an das
Hessische Finanzgericht verwiesen. In dem erneuten Prozess
(voraussichtlich im Januar 2020) müssen die Richter in Kassel nun den
Vorgaben des BFH folgen, der den Rahmen für politisches Engagement von
gemeinnützigen Organisationen sehr viel enger spannt als sie selbst in
ihrem ersten Urteil.
Infolge des Entzugs der Gemeinnützigkeit können Mitglieder und
Unterstützer der Attac-Arbeit ihre Beiträge und Spenden nicht mehr von
der Steuer absetzen. Stiftungen und andere Institutionen können Projekte
von Attac nicht mehr fördern.
Gemeinsam mit anderen Organisationen hat Attac die Gründung der Allianz
"Rechtssicherheit für politische Willensbildung" angestoßen, die im Juli
2015 die Arbeit aufgenommen hat. Der Allianz setzt sich für ein modernes
Gemeinnützigkeitsrecht und eine Änderung der Abgabenordnung ein. Ihr
angeschlossen haben sich mehr als 130 Vereine und Stiftungen – darunter
neben Attac beispielsweise auch Brot für die Welt, Amnesty
International, Medico International, Oxfam, Terres des Hommes und
Campact. (www.zivilgesellschaft-ist-gemeinnuetzig.de)
Aktuell engagiert sich Attac Deutschland mit der Kampagne
„einfach.umsteigen – klimagerechte Mobilität für alle“ für eine
sozial-ökologische Verkehrswende. Unter dem Motto „Menschenrechte vor
Profit“ streitet Attac zudem für ein verbindliches Abkommen der
Vereinten Nationen, das Unternehmen zur Einhaltung der Menschenrechte
verpflichtet.
--
------------------------------------------------
Frauke Distelrath
Pressesprecherin Attac Deutschland
------------------------------------------------
Münchener Str. 48, 60329 Frankfurt/M
Tel. 069 900 281-42; 0151 6141 0268
presse at attac.de
------------------------------------------------
_______________________________________
Um diese Mailingliste abzubestellen oder die E-Mail-Adresse zu ändern, besuchen Sie bitte:
https://listen.attac.de/mailman/listinfo/attac-d-presse
Alle Pressemitteilungen von Attac Deutschland (mit Suchfunktion) finden Sie unter http://www.attac.de/presse
More information about the imc-presse
mailing list