[imc-presse] Die Notwenigkeit einer kurdischen Gegenöffentlichkeit in Deutschland

Civaka Azad info at civaka-azad.org
Mon Jun 18 12:12:33 CEST 2018


Sehr geehrte Damen und Herren,

im Folgenden leiten wir Ihnen eine ausführliche Stellungnahme zu der
Durchsuchung unserer Vereinsräumlichkeiten ohne Richterbeschluss
<http://civaka-azad.org/civaka-azad-hausdurchsuchung-ohne-richterbeschluss-angriff-auf-pressefreiheit/>
am Mittwochmorgen, dem 13. Juni 2018, weiter.

Für Fragen stehen wir Ihnen zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen,

Ali Cicek

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*Die Notwenigkeit einer kurdischen Gegenöffentlichkeit in Deutschland
<http://civaka-azad.org/die-notwenigkeit-einer-kurdischen-gegenoeffentlichkeit-in-deutschland/>

*

Im Jahr 2011 nahmen wir als Kurdisches Zentrum für Öffentlichkeitsarbeit
(Civaka Azad) unsere Arbeiten auf. Eine Informations- und
Öffentlichkeitsarbeit aus kurdischer Perspektive betrachteten wir als
notwendig, da die kurdische Gesellschaft häufig nicht selber zur Wort
kam, wenn über sie berichtet wurde. Unsere Arbeiten sind dementsprechend
sehr facettenreich und vielseitig: Sie erstrecken sich von der
Organisierung von Diskussionsveranstaltungen, der Teilnahme an
Informationsveranstaltungen verschiedenster Gruppen und Vereine,
Delegationen (Wahlbeobachtungen, Newrozfeierlichkeiten etc.) nach
Nordkurdistan oder Rojava/Nordsyrien, dem regelmäßigen Anfertigen von
Dossiers und Hintergrundberichten auf unserer Homepage, dem Veranstalten
von Fachkonferenzen sowie Pressekonferenzen bis zur Eröffnung von
Gesprächskanälen zwischen kurdischen VertreterInnen und deutschen
PolitikerInnen, Think-Thanks, der Presse oder Ministerien wie dem
Auswärtigen Amt.

*Notwendigkeit der medialen Gegenöffentlichkeit*

Die strategische 150jährige „deutsch-türkische Waffenbrüderschaft“ war
stets zum Nachteil der KurdInnen geprägt. Das Freiheitsstreben der
kurdischen Gesellschaft wurde in diesem Zusammenhang instrumentalisiert.
In den letzten 30 Jahren haben die verschiedenen Bundesregierungen,
trotz zeitlichen Meinungsverschiedenheiten mit den türkischen
Regierungen ihre repressive Politik gegenüber den KurdInnen systematisch
fortgeführt. Heute wird anstatt der deutsch-türkischen
Waffenbrüderschaft eher die Partnerschaft in der NATO als Argument
vorgeschoben,  obwohl sich die Türkei schon längst nicht mehr im
rechtlichen Rahmen der NATO bewegt. Auch missachtet die Türkei die
Beschlüsse der UN, wie zuletzt den Aufruf des UN-Sicherheitsrates für
einen Waffenstillstand in Syrien Anfang dieses Jahres. Nicht, dass sich
die türkische Regierung unter Erdoğan und der AKP-MHP an den Beschluss
gehalten hat, sie haben es nicht ernstgenommen und sind in den
nordsyrischen Kanton Afrin einmarschiert. Seitdem hat die Türkei die
Region eines souveränen Staates besetzt. Die politische Haltung der
Bundesregierung weist keine kritische Haltung gegen seinen gegenwärtigen
Partner Erdoğan und der AKP-MHP Koalition auf. Vielmehr setzt sie ihre
Solidarität mit den Verfolgern der KurdInnen fort.

Trotz der repressiven Politik der Bundesregierung gegenüber der
kurdischen Gesellschaft in Deutschland hat auch die Sympathie der
Öffentlichkeit hier für die KurdInnen  zugenommen. Vor allem die
demokratische Lösung in Nordsyrien, aber auch der erfolgreiche Kampf der
 KurdInnen gegen den Islamischen Staat (IS) in Syrien und im Irak hat in
den letzten Jahren das Bild im Ausland geprägt. Wie zuletzt beim
türkischen Einmarsch in Afrin gingen neben KurdInnen Millionen Menschen
aus aller Welt auf die Straßen, um gegen die türkische Besatzungspolitik
zu protestieren. In Deutschland haben sich bundesweit
Solidaritätsinitiativen für Afrin organisiert.

Civaka Azad bringt nicht nur die repressive Politik der Bundesregierung,
sondern auch die breite öffentliche Unterstützung und Solidarität mit
den KurdInnen zur Sprache. Denn die kurdische Frage ist nun nicht mehr
nur ein Instrument der Verhandlungen zwischen Berlin und Ankara, sondern
Millionen Menschen in Deutschland haben sich dieser Frage angenommen.

Civaka Azad hat sich bemüht, entgegen der negativen politischen
Darstellung der KurdInnen, durch die langjährige Informationsarbeit und
die Analyse der unübersehbaren demokratischen Errungenschaften in den
kurdischen Gebieten, innerhalb der Zivilgesellschaft Deutschlands immer
mehr Resonanz zu schaffen. Leider ist es auch eine Realität, dass die
Berichterstattung der Mainstreammedien auch die öffentliche Meinung
beeinflusst. Diese haben häufig entweder kein Interesse daran, ein
objektives Bild der Situation in Kurdistan in die deutsche
Öffentlichkeit zu tragen und/oder sie berufen sich einseitig und
unkritisch auf propagandistische Meldungen türkischer
Medien.^<http://civaka-azad.org/die-notwenigkeit-einer-kurdischen-gegenoeffentlichkeit-in-deutschland/#footnote_1_11225>


*Kurden in Deutschland als Ziel umfassender Repression*

Die Schätzungen über die in der Bundesrepublik lebenden Kurdinnen und
Kurden reichen von 800.000 bis zu einer Million. Ein weiterer
wesentlicher Bestandteil unserer Arbeit besteht darin, aktiv
Informations- und Dokumentationsarbeit über die in Deutschland lebende
kurdische Bevölkerung zu leisten. Zugleich setzen wir uns für die
Belange der hier lebenden kurdischen Migrantinnen und Migranten ein. Die
erneute Repressionswelle, die im vergangenen Frühjahr 2017 begann, hat
einmal mehr die Notwendigkeit unterstrichen, diese Maßnahmen in die
breite Öffentlichkeit zu tragen, um einen besseren Schutz vor
Repressalien zu gewährleisten. So schreibt Dr. Peer Stolle, Berliner
Rechtsanwalt und Bundesvorsitzender des RAV zuletzt: „Die durch die
Bundesregierung vorgenommene Erweiterung des PKK-Betätigungsverbotes
erfolgte nicht nur ohne Begründung; die Rundschreiben sind mutmaßlich
bewusst so offen formuliert, so dass einer willkürlichen und
uneinheitlichen Umsetzung Tür und Tor geöffnet wurde. (…) Vielmehr ist
dies als weitere Fortführung der immer im gegenseitigen Einverständnis
und Absprache erfolgten Repression gegen die kurdische Bewegung in
Deutschland und der Türkei anzusehen. Der Flüchtlingsdeal mit der Türkei
tut sein
Übriges.“^<http://civaka-azad.org/die-notwenigkeit-einer-kurdischen-gegenoeffentlichkeit-in-deutschland/#footnote_2_11225>
. Die Aktualität unserer regelmäßig erhobenen Forderung nach der
Aufhebung des Verbots hat sich tragischer Weise mit der Razzia in
unseren Vereinsräumlichkeiten erneut gezeigt. Artikel, die Kurdinnen und
Kurden unter Generalverdacht
stellen^<http://civaka-azad.org/die-notwenigkeit-einer-kurdischen-gegenoeffentlichkeit-in-deutschland/#footnote_3_11225>
, machen für uns einmal mehr die Dringlichkeit der Aufhebung des
PKK-Verbots deutlich. Die Repressionen gegen Kurden auf Basis des
PKK-Verbots sind in diesem Sinne als ein Demokratiedefizit in
Deutschland zu betrachten. Eine regelrechte Hetzjagd auf kurdische
Symbole in den sozialen Medien oder das Verbot von Öcalan-Porträts
reihen sich in die Vielzahl absurder Repressionsmaßnahmen ein.

*Politische Kritik an den Bundesregierungen*

Seit unserer Vereinsgründung haben die Regierungswechsel in Deutschland,
leider keinerlei nennenswerte Veränderungen in der Außenpolitik
gegenüber der autoritären Regierung in der Türkei und der kurdischen
Demokratiebewegung mit sich gebracht. Wir haben im Zusammenhang des
Angriffs auf den kurdischen Kanton Afrin  vor allem auf die deutschen
Rüstungsexporte aufmerksam gemacht. In diesem Zusammenhang verfassten
wir gemeinsam mit den Jusos, den Falken und anderen Gruppen einen
offenen Brief an den deutschen Außenminister Heiko
Maas^<http://civaka-azad.org/die-notwenigkeit-einer-kurdischen-gegenoeffentlichkeit-in-deutschland/#footnote_4_11225>
. Neben brisanten Themen wie Waffenexporten, machten wir auch regelmäßig
auf die türkische Unterstützung für den IS aufmerksam. So stellten wir
in unserem letzten Dossier zu dem Thema zwei zentrale Fragen, die nichts
an ihrer Aktualität eingebüßt haben: „Inwiefern wird Deutschland auch
zukünftig in der Lage bleiben, eigene Interessen im Mittleren Osten über
den Bündnispartner Türkei durchzusetzen? Wie weit ist Deutschland bereit
mit einem türkischen Regime zusammen zu arbeiten, das offen
diktatorische Züge trägt und zunehmend nationales und internationales
Recht
missachtet?“^<http://civaka-azad.org/die-notwenigkeit-einer-kurdischen-gegenoeffentlichkeit-in-deutschland/#footnote_5_11225>


*Civaka Azad macht mittels juristischer Gegenwehr weiter *

Wir erachten es für wichtig, nochmals unsere Aktivitäten in Erinnerung
zu rufen, um die eigentlichen politischen Gründe der Hausdurchsuchung in
unserem Büro am Mittwoch, dem 13. Juli 2018, verständlicher zu machen.
Unter Berücksichtigung unserer Arbeiten, die offen und transparent
geleitet wurden, war die Hausdurchsuchung eindeutig politisch motiviert
und rechtlich eindeutig illegal. Dieses rechtswidrige Vorgehen muss
unserer Ansicht nach Konsequenzen haben. Wir haben deshalb juristische
Schritte gegen die Durchsuchung unserer Räumlichkeiten, die Zerstörung
von Einrichtungsgegenständen und die Beschlagnahmung zahlreicher
Bürogegenstände eingelegt.

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Für die Finanzierung unserer Öffentlichkeitsarbeit sind wir auf Spenden angewiesen.
Alle Spenden werden zu 100% für die geförderten Projekte und Öffentlichkeitsarbeit aufgewendet.
Im Verein arbeiten alle ehrenamtlich. Wir freuen uns deshalb auch über Ihre Unterstützung:
Kontoinhaber: Civaka Azad – Kurdisches Zentr. f. Öffentlichkeitsarbeit
IBAN: DE10 1005 0000 0190 5858 62
BIC: BELADEBEXXX

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www.civaka-azad.org
info at civaka-azad.org
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Tel.: 030/91446137, Mobil: 0163/4834607

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