[imc-presse] Pressemitteilung: VG Karlsruhe betrachtet Heidelberger Spitzeleinsatz als rechtswidrig
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Wed Aug 26 20:39:47 CEST 2015
Heidelberg, den 26.08.2015
Presseerklärung: Das Verwaltungsgericht Karlsruhe betrachtet den Einsatz
des Verdeckten Ermittlers Simon Bromma als rechtswidrig
Der Einsatz eines Verdeckten Ermittlers (VE) im Jahr 2010 gegen die
linke Szene in Heidelberg war nachweislich umfassend rechtswidrig: In
der heutigen Verhandlung entschied das Verwaltungsgericht Karlsruhe,
dass die Ausforschung linker Gruppen und die umfangreiche
Informationssammlung über Hunderte von Aktivist*innen in keiner Weise
durch die Rechtslage gedeckt sei. Vielmehr war die Überwachungsmaßnahme,
die die Grundrechte zahlreicher Menschen über fast ein Jahr hinweg außer
Kraft gesetzt hatte, von der einsatzanordnenden Behörde nicht
hinreichend begründet worden. Die Fortsetzungsfeststellungsklage, die
vor mehr als vier Jahren von sieben Betroffenen eingereicht worden war,
hatte somit auf ganzer Linie Erfolg.
Während seines knapp einjährigen Einsatzes hatte sich der Polizeibeamte
Simon Bromma ab Anfang 2010 als linker Student „Simon Brenner“
ausgegeben und über viele Monate hinweg politische und persönliche
Informationen über zahllose linke Aktivist*innen in Heidelberg erhoben,
die er an das Landeskriminalamt Baden-Württemberg und die
Polizeidirektion Heidelberg weiter gab. Der mit geheimdienstlichen
Methoden bewerkstelligte Eingriff in elementare Grundrechte sollte dabei
keineswegs der Aufklärung eventueller Straftaten dienen, sondern
ausschließlich der Datenerhebung über linke Gruppen und Einzelpersonen.
Nur durch einen Zufall konnte der Verdeckte Ermittler am 12. Dezember
2010 enttarnt werden. Die staatlichen Behörden hatten die Aufklärung des
Heidelberger Spitzelskandals, der damals für bundesweites Medienecho
gesorgt hatte, seither umfassend behindert. Auch die im Sommer 2011 von
sieben Betroffenen eingereichte Fortsetzungsfeststellungsklage war durch
Sperrung von weiten Aktenteilen und durch Verschleppung von Anträgen
immer wieder blockiert worden.
Zu der fünfstündigen Verhandlung waren Dutzende von
Medienvertreter*innen und mehr als 60 Prozessbeobachter*innen gekommen,
die wegen des großen Interesses teilweise auf dem Flur stehen mussten.
Bereits nach kurzer Zeit kam das Gericht zu der Einschätzung, dass die
polizeiliche Überwachungs- und Kriminalisierungsmaßnahme zumindest gegen
die klagende Zielperson absolut rechtswidrig gewesen sei, da in der
VE-Einsatzanordnung keinerlei ausreichende Gründe aufgeführt waren. Die
in dieser Ermächtigungsgrundlage genannten politischen Aktivitäten der
Ziel- und Kontaktpersonen sowie der aufgeführten linken Gruppierungen
genügten nicht im Geringsten den Voraussetzungen, die die Rechtslage -
die §§ 20 und 22 des baden-württembergischen
Landespolizeiaufgabengesetzes - vorsehen. Die zugrunde gelegte
Gefahrenprognose - eine angebliche Zunahme „linksextremistisch
motivierter Gewalttaten in Baden-Württemberg im Jahre 2009“ - sei
offensichtlich nicht auf die damalige politische Situation im
Rhein-Neckar-Kreis übertragbar.
Da bezüglich der anderen Kläger*innen keinerlei schriftlichen Akten über
den Spitzeleinsatz vorlagen - alle entsprechenden Unterlagen hatte das
Innenministerium schon vor Jahren durch Sperrerklärungen zur Geheimsache
erklärt -, wirkte das VG Karlsruhe zunächst unschlüssig, inwieweit über
diese Betroffenen tatsächlich Daten an das Landeskriminalamt
weitergegeben worden waren. Erst nachdem zwei Kläger*innen ausführlich
das Konfrontationsgespräch geschildert hatten, in dessen Verlauf der
enttarnte LKA-Beamte am 12. Dezember 2010 detaillierte Angaben zu seiner
Tätigkeit gemacht und seine Anfertigung von zahllosen Personenakten
beschrieben hatte, erkannte das Gericht die unrechtmäßige
Überwachungsaktion in vollem Ausmaß an und gestand den Betroffenen zu,
klagebefugt zu sein - eine Tatsache, die hauptsächlich seitens der
Polizei immer wieder in Frage gestellt worden war. Nachdem bereits die
Ausspähaktion gegen die offizielle Zielperson für unrechtmäßig erklärt
worden war, ergab sich daraus folgerichtig, die Rechtswidrigkeit der
Maßnahme gegen alle Betroffenen festzustellen.
Der Anwalt der Kläger*innen, Martin Heiming, zeigte sich sehr zufrieden:
„Das Gericht hat ohne Einschränkung anerkannt, dass der Polizei
keinerlei konkrete Anhaltspunkte für Straftaten vorlagen, sondern dass
sie sich ohne wirklichen Anlass ein besseres Bild der linken Szene in
Heidelberg verschaffen wollten. Wir können den Verlauf der heutigen
Verhandlung als vollen Erfolg bewerten.“
„Das Urteil ist eine schallende Ohrfeige für einen Repressionsapparat,
der sich für allmächtig hält und seine Befugnisse im Verborgenen immer
weiter ausbaut. Nur durch Zufall wurde die Repressionsmaßnahme
aufgedeckt, und nur der Geduld und Stärke der sieben Kläger*innen ist es
zu verdanken, dass der Spitzeleinsatz gerichtlich für unrechtmäßig
erklärt wurde“, sagte eine Vertreterin des AK Spitzelklage und ergänzte:
„Mit dem heutigen Richterspruch haben nicht nur die Kläger*innen und die
zahllosen weiteren Betroffenen aus Heidelberg Recht bekommen; er ist
zudem ein klares Signal, das andere linke Gruppen vor ähnlichen
Spitzelattacken schützt. Wir möchten uns bei all den Organisationen und
Einzelpersonen bedanken, die uns in den vergangenen Jahren solidarisch
unterstützt haben.“
Der AK Spitzelklage erwartet mit Spannung die schriftliche Ausfertigung
des Urteils, mit dem erst Mitte September zu rechnen ist. Auch künftig
wird sich der AK Spitzelklage gegen den Einsatz Verdeckter
Ermittler*innen und die Überwachung linker Aktivist*innen einsetzen -
eine dringende Notwendigkeit, wie die immer wieder bekannt werdenden
Fälle von unrechtmäßigen Spitzeleinsätzen zeigen. Beispielsweise wurde
erst heute früh der Fall der in Hamburg verdeckt eingesetzten
Polizeibeamtin Maria Böhmichen bestätigt.
Für Rückfragen stehen wir gerne zur Verfügung:
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Arbeitskreis Spitzelklage
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