[imc-presse] [attac-d-presse] TroikaWatch kritisiert Troika-Untersuchungsbericht des Europäischen Parlaments

Attac-Pressestelle presse at attac.de
Thu Mar 13 13:16:38 CET 2014


Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Kolleginnen und Kollegen,

bitte beachten Sie die folgende Pressemitteilung von TroikaWatch zum
Untersuchungsbericht des Europäischen Parlaments zur Troika.

Mit dem internationalen Projekt TroikaWatch schauen aktive Bürger aus
ganz Europa der Troika auf die Finger und veröffentlichen ihre
Recherchen in einem regelmäßigen Newsletter. Mit dabei sind auch
Attac-Aktive.

Für Rückfragen steht Ihnen in Deutschland Stephan Lindner von Attac
zur Verfügung unter Tel. 0176 2434 2789, stlindner at ipn.de.


Mit freundlichen Grüßen
Frauke Distelrath


+++

Pressemitteilung
TroikaWatch
13. März 2014


* Antwort auf den Untersuchungsbericht des Europäischen Parlaments zur
Troika

* Begrenzte Untersuchungen führen zu begrenzten Ergebnissen

Heute stimmt das Europäische Parlament über den "Bericht zur
Untersuchung der Rolle und der Operationen der Troika (Europäische
Zentralbank, EU-Kommission und Internationaler Währungsfonds)" ab. In
Europa wurden in den letzten drei Jahren in einer nie da gewesenen Weise
Finanzinstitutionen auf Kosten der normalen Bürger herausgekauft. Der
Bericht gibt keine befriedigende Antwort darauf, warum dies geschah und
wie verhindert werden kann, dass sich dies wiederholt. Die Entscheidung,
eine solche Untersuchung auf Griechenland, Irland, Portugal und Zypern
zu begrenzen, ist nur ein Zeichen für diesen Missstand. Es hat den
Anschein, als hätte das Parlament übersehen, dass auch Spanien ein
Memorandum of Understanding mit der Troika unterzeichnet hat.

Während normale Bürger darunter litten, dass sie ihren Job verloren
haben, Einschnitte bei Löhnen und Renten hinnehmen mussten und manchmal
sogar starben, weil es Einschnitte im Gesundheitssystem gab, wurden
Finanzinstitute häufig herausgekauft, ohne dass man wenigstens das
Management austauschte. Der Bericht hat vollständig darauf verzichtet zu
untersuchen, warum es bei den Bailouts immer jede Menge Vorschriften für
die Regierungen gab, während den Regierungen bei den
Finanzinstitutionen, für die sie bezahlten, fast immer verweigert wurde,
irgendetwas zu sagen zu haben.

Für Griechenland führt der Bericht an, dass es eine Debatte innerhalb
der Troika gab, in der der IWF eine frühe Restrukturierung der Schulden
forderte, was von der EU zurückgewiesen wurde. Als einzige Begründung
wird dazu angeführt, dass die EZB wegen des schlechten Zustands des
Bankensystems und möglicher Ansteckungseffekte besorgt war. Allerdings
versäumte es der Bericht völlig, weitere Untersuchungen dazu
anzustellen, inwieweit diese Argumente tatsächlich stichhaltig sind,
wenn man die Größe des griechischen Schuldenproblems mit dem BIP der
Eurozone vergleicht.

Aber selbst, wenn die Argumentation der EZB stichhaltig wäre, bleibt
nach wie vor die Frage, warum nur die Menschen einiger weniger Staaten
für den Bailout des Europäischen Finanzsystems zahlen mussten und nicht
die Menschen aller Staaten. Denn in der Tat geschah der Bailout nicht
nur zu Gunsten von Institutionen in den Krisenstaaten, sondern zu einem
großen Teil zu Gunsten von Finanzinstitutionen in Kernstaaten wie
Deutschland oder Frankreich. Während in einigen Ländern das Leiden der
Menschen alle vernünftigen Grenzen überschreitet, profitieren andere
Länder wie z.B. Deutschland sogar noch von der Krise, indem sie hohe
Profite mit weitergereichten Krediten machen, von extrem niedrigen
Zinsen für ihre Staatsanleihen profitieren und Vorteile aus gigantischen
Kapitalzuflüssen aus den Krisenstaaten ziehen.

Der Bericht stellt fest, dass es massiven Druck auf einige Regierungen
gab, den Bailout ihrer Banken zu betreiben, insbesondere durch die EZB.
Es ist aber nicht genug, wenn im Bericht festgestellt wird "dass die
Europäischen Institutionen unter allen Umständen das Unionsrecht
respektieren müssen, insbesondere die Charter der fundamentalen Rechte
der Europäischen Union". Von einer solchen Untersuchung sollte man
erwarten können, eine Liste zu bekommen, wer wann wie welche Gesetzte
verletzt hat und welche personellen und institutionellen Konsequenzen
daraus zu ziehen sind.

Zu den Vorschlägen des Parlaments, insbesondere der Schaffung eines
Europäischen Währungsfonds (EWF): Ein Europa, das auf dem Grundsatz der
Solidarität beruht, braucht andere Änderungen als einen EWF. Auch wenn
eine solche Institution eingerichtet würde, würde das Europäische
Parlament nicht automatisch eine ausreichend fortschrittliche
Institution, wenn das nächste Mal wieder Finanzinstitutionen zu retten
sind, wie es mit dieser sehr begrenzten Untersuchung über die Troika
bewiesen hat. Wir erwarten von diesem Parlament, dass es in der Zukunft
in dieser Sache mutigere Untersuchungen unternimmt. Das, zusammen mit
anderen notwendigen Veränderungen hin zu einem Europa von mehr
Solidarität (was auch einschließen würde, Banken nicht um jeden Preis zu
retten und sich für Schuldenaudits einzusetzem) würde dringend
gebraucht, um die gegenwärtige Umverteilung von Reichtum von Arm zu
Reich zu stoppen.

***
Kontakt:

* Stephan Lindner (Attac Deutshland; Deutschland; deutsch und englisch):
stlindner at ipn.de, +49 176 24342789

* Thanos Contargyris (Attac Hellas; Griechenland; griechisch, englisch
und französisch): thanos at dialogos.gr, +30 6949727390
* Leonie Hogervorst (Corporate Europe Observatory; Belgien/ Niederlande,
niederländisch und englisch): leonie at corporateeurope.org, +32 2 893 0930

* Chiara Filoni (CADTM; Belgien/Italien; italienisch, französisch und
englisch): chiara at cadtm.org, +32 486 119

* Ajda Pistotnik (Humanitas; Slovenia; Slovenian and English):
ajda at humanitas.si, +386 1 43 00 343

Sargon Nissan (The Bretton Woods Project ;UK; English):
snissan at brettonwoodsproject.org, +44 20 3122 0644

***

Über TroikaWatch
TroikaWatch ist ein Netzwerk, das über die Troika, die Situation in den
von ihrer Politik betroffenen Ländern und die Opposition und den
Widerstand dagegen berichtet. Dies soll helfen, Kämpfe gegen die Politik
der Troika besser zu vernetzen und einen Beitrag dazu leisten, den
Widerstands gegen die Sparpolitik zu stärken.


Nähere Informationen zu TroikaWatch finden Sie unter:
http://www.troikawatch.net

Bitte beachten Sie:
TroikaWatch vereint als Netzwerk Individuen mit ganz unterschiedlichen
Ansichten. Meinungen in Presseerklärungen oder Zitate einzelner
Mitglieder bedeuten nicht notwendigerweise, dass sie von allen anderen
Mitgliedern des Netzwerks geteilt werden.


***

Anhang

Hier einige Highlights aus dem Untersuchungsbericht, von denen wir
denken, dass sie es wert sind, erwähnt zu werden. Der vollständige
Untersuchungsbericht in der Fassung, wie er dem Plenum zur Abstimmung
vorgelegt wird, finden sie unter
http://www.troikawatch.net/wp-content/uploads/2014/03/20140305ATT80482EN.pdf

- Punkt 17 über das griechische Programm:
Notes that the first agreement of May 2010 could not contain provisions
for a restructuring of the Greek debt, despite it being first proposed
by the IMF, which, in line with its usual practice, would have preferred
an early debt restructuring; recalls the ECB's reluctance to consider
any form of debt restructuring in 2010 and 2011 on the grounds that it
would have led to the crisis having a contagion effect on other Member
States, as well as its refusal to participate in the restructuring
agreed in February 2012;

- Punkt 19 über Irland:
Recalls the bilateral pressure reportedly exerted by the ECB on the
Irish authorities prior to the initial agreement between the latter and
the EU and IMF being adopted on 7 December 2010 and 16 December 2010,
respectively in the relevant MoUs containing the policy conditionality
for EU-IMF assistance; […]

- Punkt 54 über die EZB:
[…] notes that throughout the crisis the ECB has had crucial information
on the health of the banking sector and financial stability in general,
and that with this in mind it has subsequently exerted policy leverage
on decision-makers, at least in the cases of the Greek debt
restructuring, where the ECB insisted that CACs were to be removed from
government bonds it held, the Cypriot ELA operations, and the Irish
non-inclusion of senior-bondholders in the bail-in.

- Und ein Teil eines IWF-Protokolls aus dem Jahr 2010 mit Spekulationen
über die wahren Gründe des griechischen Bailouts:
Brazil’s executive director Paulo Nogueira Batista in a prepared
statement to the board for the May 9, 2010 meeting:
“The risks of the program are immense…As it stands, the programs risks
substituting private for official financing. In other and starker words,
it may be seen not as a rescue of Greece, which will have to undergo a
wrenching adjustment, but as a bailout of Greece’s private debt holders,
mainly European financial institutions.”

Quelle:
http://blogs.wsj.com/economics/2013/10/07/imf-document-excerpts-disagreements-revealed/

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Frauke Distelrath
Pressesprecherin Attac Deutschland
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Tel.: 069 900 281-42; 0151 6141 0268
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