[imc-presse] RAV-Pressemitteilung: Wortbruch gegenüber den Flüchtlingen vom Oranienplatz!

RAV e.V. gs at rav.de
Tue Jun 24 11:34:11 CEST 2014


Sehr geehrte Damen und Herren,

liebe Freundinnen und Freunde,

 

anbei und hier folgend eine Pressemitteilung vom heutigen Tag zu dem
Wortbruch des Berliner Innensenats gegenüber den Flüchtlingen vom
Oranienplatz und den (Minimal-)

Forderungen, die der Republikanische Anwältinnen- und Anwälteverein e.V.
(RAV) an den Innensenat richtet.

 

Wir bitten um Kenntnisnahme und Veröffentlichung in Ihren Medien.

Kontakt und weitere Informationen über Rechtsanwältin Berenice Böhlo
030-446792-24

 

Mit freundlichen Grüßen

 

Sigrid v. Klinggräff

RAV-Geschäftsstelle

 

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Pressemitteilung, 24.6.2014

Wortbruch gegenüber den Flüchtlingen vom Oranienplatz!

Auch eine Minimalzusage ist eine Zusage

 

Der Berliner Senat hat am 18.03.2014 das „Einigungspapier Oranienplatz“
präsentiert. Darin werden die Ziele und der Protest der Flüchtlinge als
notwendig und richtig anerkannt. Von allen Seiten der politisch
Verantwortlichen wurde diese sogenannte Einigung begrüßt. 

Der Flüchtlingsrat Berlin hingegen hat aus unserer Sicht zutreffend Art und
Zustandekommen auf das Schärfste kritisiert.[i] Tatsächlich lag weder eine
Einigung vor, noch war die damit verbundene Räumung des Oranienplatzes
„friedlich“. Mit den Bewohnern der besetzten Gerhart-Hauptmann-Schule hat es
zudem zu keiner Zeit Gespräche von Seiten des Senats gegeben. Nunmehr droht
die zwangsweise Räumung der Schule.

 

Somit ist festzuhalten, der Senat hat das Zustandekommen einer angeblichen
„Einigung“ falsch dargestellt.

 

Dennoch gilt: Mit dem „Einigungspapier“ hat der Senat zugleich die
Legitimität und Berechtigung des Protests sowie der Forderungen der
Flüchtlinge anerkannt. Darüber hinaus hat der Senat mit dem
„Einigungspapier“ folgende rechtsverbindliche Zusagen gemacht:

 

·         Der Senat erkennt die Zuständigkeit des Landes Berlin für die
Flüchtlinge vom Oranienplatz an.

·         Der Senat sichert den bis dahin schon faktisch geduldeten
Flüchtlingen zu, dass sie bei der Ausländerbehörde Berlin Anträge stellen
können und für die Dauer der Antragsbearbeitung nicht abgeschoben werden. 

·         Der Senat stellt Supportteams zur Unterstützung und Beratung der
Flüchtlinge zur Verfügung.

·         Der Senat gewährleistet im Gegenzug zum Abbau der Zelte Zugang zu
Sozialleistungen, d.h. Unterbringung, Versorgung und Krankenbehandlung. 

 

Tatsächlich stellt sich die Situation wie folgt dar:

 

·         Hürden bei der Umsetzung/Verhinderung der Arbeit der Supportteams

Die Supportteams waren in den ersten drei Monaten ausschließlich damit
beschäftigt, im Rahmen ungeklärter Fragen die Unterbringung, Versorgung,
Registrierung und Gesundheitsversorgung der Flüchtlinge zu regeln.
Verantwortlich waren Streitigkeiten innerhalb der unterschiedlichen
Senatsverwaltungen, maßgeblich hat die Innenverwaltung blockiert.

 

·         Keine Erklärung zur Zuständigkeit Berlins/keine
Umverteilungen/kein Abschiebeschutz: 

Die Innenverwaltung verweigert eine verbindliche Erklärung zur Zuständigkeit
des Landes Berlin. Sie hat bisher keine einzige der zugesagten
Umverteilungen vorgenommen. Der Berliner Innensenat betrachtet die Leute als
illegal, und die Integrationsbeauftragte stellt lediglich sogenannte
„Oranienplatzkarten“ aus, auf deren Rückseite vermerkt ist: „Diese Karte
entfaltet keinerlei rechtliche Ansprüche“. Ein Abschiebeschutz wird nicht
gewährt. Dementsprechend sind Flüchtlinge akut von Abschiebungen bedroht.

 

·         Keine Einzelfallprüfung: 

Erst seit dem 11.06.2014 besteht überhaupt die Möglichkeit, zur
Antragstellung in der Ausländerbehörde vorzusprechen. Seither erfolgen
Vorladungen verbunden mit der Drohung, dass im Falle des Nichterscheinens
das Recht auf Unterbringung und Versorgung verloren gehe. Humanitäre Gründe
werden ebenso ignoriert wie psychotherapeutische Stellungnahmen zu
traumatisierten Flüchtlingen. Die Innenverwaltung unterläuft so systematisch
die Ziele der Vereinbarung.

Vermittlungen in Deutschkurse, Praktika, Unterstützung bei der Arbeitssuche,
Ausgabe von Krankenscheinen sind entgegen dem „Einigungspapier“ bisher nur
höchst unzureichend bis gar nicht erfolgt.

 

Somit ist festzuhalten, der Senat macht Zusagen, seine Innenverwaltung setzt
sie nicht um:

 

Klaus Wowereit hatte in seiner Regierungserklärung „Flüchtlingspolitik in
Berlin“ vom 10.04.2014 von einem „fairen“ Verfahren im Umgang mit den
Flüchtlingen vom Oranienplatz gesprochen.[ii]

Die Innenverwaltung handelt entgegengesetzt und begeht somit Wortbruch.
Politisch heißt das, dass dem Berliner Innensenat das Schicksal der
Flüchtlinge vollkommen gleichgültig ist. „Hinhaltetaktik und Abschiebung
durch die Hintertür zeigen die Skrupellosigkeit der Innenverwaltung. Die
Betroffenen werden im juristischen Niemandsland gehalten. Sie geraten in
eine unzumutbare Situation, weil sie nicht wissen, ob sie nicht in den
nächsten Stunden festgenommen und abgeschoben werden“, so Rechtsanwältin
Böhlo, Vorstandsmitglied im RAV.

 

Der RAV fordert:

 

1. Rechtlich verbindliche Bescheinigungen der Ausländerbehörde und
Aushändigung an die Betroffenen mit folgendem Inhalt: Abschiebeschutz von
mindestens 6 Monaten, der für die Dauer der anhängigen Verfahren
entsprechend verlängert wird, die Bescheinigungsinhaber dürfen sich in
Berlin aufhalten. 

2. Beides hat das Land Berlin auch verbindlich gegenüber den Innenressorts
der anderen Bundesländer zu erklären und durchzusetzen.  

3. Unterbringung, Auszahlung von Sozialleistungen und Gesundheitsversorgung
sind zu gewähren. Das Landesamt für Gesundheit und Soziales ist anzuweisen,
allen Betroffenen entsprechende Bescheide und Krankenscheine auszuhändigen,
um so Rechtssicherheit für alle Beteiligten zu gewährleisten. 

4. Den Flüchtlingen vom Oranienplatz ist eine aufenthaltsrechtliche
Perspektive zu eröffnen. 

5. Keine Zwangsräumung der besetzten Gerhart-Hauptmann-Schule. Hier ist den
Bewohnern ein tatsächliches Angebot zu unterbreiten, das auch eine echte
aufenthaltsrechtliche Perspektive beinhaltet.

 

Wir halten fest, bei diesen Punkten handelt es sich um Minimalforderungen. 

 

Die deutsche und europäische Flüchtlingspolitik ist gescheitert. Bei dem
Versuch, Schutz vor Verfolgung in Europa zu finden, kommen jedes Jahr
mehrere tausend Menschen ums Leben. Der Protest der Flüchtlinge, wie er sich
am Oranienplatz, in der Gehart-Hauptmann-Schule und an anderen Orten zeigt,
ist berechtigt. 

 

Es hat eine grundlegende Neuausrichtung der Flüchtlingspolitik zu erfolgen,
die Flüchtlingen den sicheren Zugang nach Europa gewährleistet, ihre
Freizügigkeit schützt und ihre sozialen und politischen Rechte umsetzt.

 

Kontakt und weitere Informationen:

Rechtsanwältin Berenice  Böhlo: 030-446792-24

 

Ein von der Senatsverwaltung für Arbeit, Integration und Frauen in Auftrag
gegebenes Rechtsgutachten zur rechtlichen Situation der Flüchtlinge vom
Oranienplatz von Prof. Dr. Andreas Fischer-Lescano und Matthias Lehnert
(Universität Bremen) bestätigt ausdrücklich den rechtsverbindlichen
Charakter des „Einigungspapiers“ vom 18.03.2014.

Das Gutachten ist auf der Seite des RAV über den verkürzten Link
http://bit.ly/1q3RFdt abrufbar.

 

Der Sozialrechtsexperte Georg Classen vom Flüchtlingsrat Berlin kommt
eindeutig zu dem Schluss, dass aus der faktischen Duldung auch
sozialrechtliche Ansprüche folgen. Diese Erklärung kann hier
http://www.fluechtlingsinfo-berlin.de/fr/pdf/Krankenscheine_Lampedusa.pdf
eingesehen werden

 


  _____  


[i] Vgl. 19.03.14: Schein-Einigung für den Oranienplatz soll Räumung
ermöglichen,
<http://www.fluechtlingsrat-berlin.de/print_neue_meldungen2.php?post_id=675>
http://www.fluechtlingsrat-berlin.de/print_neue_meldungen2.php?post_id=675 


[ii] Vgl. 10.04.14: „Flüchtlingspolitik in Berlin: Augenmaß, Menschlichkeit
und klare Regeln“. Regierungserklärung des Regierenden Bürgermeisters von
Berlin zur Flüchtlingspolitik,


 
<http://www.berlin.de/rbmskzl/aktuelles/pressemitteilungen/2014/pressemittei
lung.103226.php>
http://www.berlin.de/rbmskzl/aktuelles/pressemitteilungen/2014/pressemitteil
ung.103226.php.

 

 

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Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein e. V.

Haus der Demokratie und Menschenrechte

Greifswalder Straße 4 | 10405 Berlin

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