[imc-presse] Gemeinsamer Offener Brief: Wollen Sie Flüchtlinge schützen - oder wollen Sie es nicht?

RAV e.V. gs at rav.de
Tue Jul 22 14:12:28 CEST 2014


Sehr geehrte Damen und Herren,

liebe Freundinnen und Freunde,

 

nachfolgend und in der Anlage senden wir Ihnen mit der Bitte um
Berücksichtigung in Ihren Medien einen Offenen Brief, der heute an den
Regierenden Berliner Bürgermeister Wowereit, Senatorin Kolat, Senator Henkel
und den Leiter der Berliner Ausländerbehörde, Herrn Mazanke verschickt
wurde.

 

Der Offene Brief wird mitgezeichnet vom Komitee für Grundrechte und
Demokratie e.V. , Pro Asyl e.V., der  Vereinigung Demokratischer Juristinnen
und Juristen e.V., dem Flüchtlingsrat Berlin e.V.,  Yonas Endrias, Ibrahim
Kanalan, Natascha Kelly (Mitglieder im Landesbeirat für Integrations- und
Migrationsfragen), dem Migrationsrat Berlin Brandenburg e.V. und Reach Out.
Opferberatung und Bildung gegen Rechtsextremismus und Rassismus in Berlin.

 

Für Rückfragen oder Kontaktaufnahme stehen Berenice Böhlo (Rechtsanwältin
und Vorstandsmitglied im RAV) und Ibrahim Kanalan (Volljurist und Mitglied
im Landesbeirat für Integrations- und Migrationsfragen) zur Verfügung. Bitte
melden sie sich zur Vermittlung bei der Geschäftsstelle des RAV 030.4172
3555.

 

Mit freundlichen Grüßen

 

Sigrid v. Klinggräff

RAV-Geschäftsstelle

 

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GEMEINSAMER OFFENER BRIEF, 22. Juli 2014

 

Wollen Sie Flüchtlinge schützen – oder wollen Sie es nicht?

 

Sehr geehrter Herr Regierender Bürgermeister Wowereit,

sehr geehrte Frau Senatorin Kolat,

sehr geehrter Herr Senator Henkel,

sehr geehrter Herr Mazanke,

 

Das „Einigungspapier Oranienplatz“, das nach langen Verhandlungen zwischen
der Senatorin Kolat im Auftrag des Berliner Senats und Delegierten der
Flüchtlinge erarbeitet wurde, ist am 18. März 2014 als „friedliche Lösung“
des Flüchtlingsprotests präsentiert worden. Doch was für eine Lösung wird
hier für wen präsentiert?

 

Die Flüchtlinge, die seit Oktober 2012 in Berlin für ihre Rechte
demonstriert haben, räumten am 8. April 2014 freiwillig ihr Protestcamp am
Oranienplatz. Ein Großteil der Flüchtlinge aus der Gerhart-Hauptmann-Schule
zog unter massiver Polizeipräsenz Ende Juni 2014 aus der Schule aus. Die
Orte des Protestes sind damit aufgegeben worden. Das ist eine Lösung:
allerdings ausschließlich eine ordnungspolitische für den Berliner Senat.

 

Eine Lösung für die Flüchtlinge, die das „Einigungspapier Oranienplatz“
betrifft, ist dagegen nicht in Sicht. Wer sind diese Flüchtlinge? Wir
sprechen von über 500 Menschen, die ihre Herkunftsländer verlassen mussten,
die teilweise lebensgefährliche Fluchtwege hinter sich haben, um Europa zu
erreichen, die massive Gewalt erlebt haben, die in ihrer großen Mehrheit
aufgrund dieser Erfahrungen an schweren Traumatisierungen leiden. Und wir
sprechen über Menschen, die seit fast zwei Jahren immer wieder versuchen,
auf diese unhaltbaren menschenunwürdigen Zustände hinzuweisen.

 

Während Sie, Frau Senatorin Kolat, in dem Einigungspapier formulierten, dass
für die Teilnehmer/innen der „Vereinbarung Oranienplatz“ „auf Antrag eine
umfassende Prüfung der Einzelfallverfahren im Rahmen aller rechtlichen
Möglichkeiten erfolgt“, „die Ausländerbehörde die Antragstellerinnen und
Antragsteller beratend unterstützt“ und „die Flüchtlinge [
] Unterstützung
und Begleitung bei der Entwicklung ihrer beruflichen Perspektiven“ erhalten,
lehnen Sie, Herr Senator Henkel, jegliche Zuständigkeit für diese Menschen
ab. Aus dem „Einigungspapier“ ergäbe sich keinerlei Verpflichtung zur
umfassenden Einzelfallprüfung.

 

Diese ablehnende Haltung des Innensenats setzen Sie, Herr Mazanke, entgegen
den Vorgaben aus dem „Einigungspapier“ durch die momentane Praxis gegen die
Flüchtlinge gewendet um: Die Anträge auf Aufenthaltserlaubnis können zwar
bei der Berliner Ausländerbehörde gestellt werden, werden in Berlin aber
entweder NICHT bearbeitet, oder es findet eine Würdigung der einzelnen
Schicksale durch die Berliner Ausländerbehörde im Einzelfall NICHT statt.
Vielmehr bekommen die Flüchtlinge teilweise schon bei ihrer ersten
Vorsprache die Ablehnung ihrer Anträge in die Hand gedrückt. Selbst die
Umverteilungsanträge nach Berlin werden aufgrund Ihrer pauschal verweigerten
Zustimmung abgelehnt.

 

Das Hauptanliegen der Flüchtlinge und deren Gründe, die Vereinbarung zu
schließen, werden damit ignoriert. Das ist ein falsches Spiel auf dem Rücken
der Betroffenen, bei dem ausschließlich der Innensenat und die Berliner
Ausländerbehörde die restriktiven Spielregeln bestimmen.

 

Die Betroffenen sind so dazu gebracht worden, den Oranienplatz und die
Schule zu räumen und sich registrieren zu lassen. Sie sind damit in
Vorleistung gegangen. Die versprochene Gegenleistung allerdings wird
verweigert. Das ist das Gegenteil einer „Senatspolitik der ausgestreckten
Hand“, und es ist vor allem kein „politischer und humanitärer Erfolg für
Menschen, die viel Leid erlebt haben“, wie Sie, Herr Regierender
Bürgermeister, in Ihrer Regierungserklärung vom 10. April 2014 das
„Einigungspapier Oranienplatz“ bezeichnet haben.

 

Sie, Frau Senatorin Kolat, haben in dem „Einigungspapier“ außerdem erklärt,
Sie unterstützten „die Flüchtlinge, ihre politischen Forderungen in die
Gremien im Land Berlin, auf die Bundesebene und nach Europa zu tragen“ und
die Umsetzung des „Einigungspapiers“ begleiten zu wollen. Wo ist Ihre Stimme
geblieben?

 

Sie, Herr Bürgermeister Wowereit, haben in Ihrer zitierten
Regierungserklärung erklärt, dass es „die Aufgabe von Innenverwaltung und
Ausländerbehörde [ist], diese Prüfverfahren konstruktiv zu begleiten. [
].
Niemand hat den Flüchtlingen Zusagen über das Ergebnis dieser Verfahren
gemacht und hätte es auch nicht machen können. Sehr wohl aber
Vertrauenszusagen: dass nicht pauschal geurteilt wird, sondern jedes
einzelne Schicksal einzeln betrachtet wird. [
]. Für diese sorgfältige
Prüfung mit humanitärem Blick gibt es nun die nötige Zeit.“ Das Gegenteil
aber passiert nun. Wo ist Ihre Stimme geblieben?

 

Sie schulden den Betroffenen eine Erklärung.

 

Wir möchten dringend mit Ihnen in einen Austausch treten über die Umsetzung
des Papiers, über eine mögliche Lösung für die Menschen. Um den von Ihnen
und Ihrer Kollegin, Senatorin Kolat, gegebenen Zusagen die dringend
notwendigen Umsetzungen folgen zu lassen, müssen Sie von Ihrer
Richtlinienkompetenz Gebrauch machen und „Vertrauenszusagen“ damit praktisch
werden lassen. Dazu suchen wir mit Ihnen das Gespräch. Das Gutachten von
Prof. Dr. Fischer-Lescano, das von der Integrationsbeauftragten in Auftrag
gegeben wurde, bietet dafür eine hilfreiche Grundlage.

 

Mit freundlichen Grüßen

 

Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein e.V. | Greifswalder Str. 4 |
10405 Berlin | Tel 030.417 235 55 | Fax 030.417 235 57 | www.rav.de |
kontakt at rav.de

 

Komitee für Grundrechte und Demokratie e.V. | Köln  |
www.grundrechtekomitee.de | Pro Asyl e.V. | Frankfurt/M. | www.proasyl.de |
VDJ. Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen e.V. | Krefeld |
www.vdj.de | Flüchtlingsrat Berlin e.V. | Berlin |
www.fluechtlingsrat-berlin.de | Yonas Endrias, Ibrahim Kanalan, Natascha
Kelly (Mitglieder im Landesbeirat für Integrations- und Migrationsfragen) |
Berlin | www.berlin.de/lb/intmig/beirat | Migrationsrat Berlin Brandenburg
e.V. | Berlin | www.migrationsrat.de  Reach Out. Opferberatung und Bildung
gegen Rechtsextremismus und Rassismus | Berlin | www.reachout.de 

 

AnsprechpartnerInnen über RAV-Geschäftsstelle (030. 4172 3555): Berenice
Böhlo (Rechtsanwältin und Vorstandsmitglied im RAV) und Ibrahim Kanalan
(Volljurist und Mitglied im Landesbeirat für Integrations- und
Migrationsfragen)

 

 

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Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein e. V.

Haus der Demokratie und Menschenrechte

Greifswalder Straße 4 | 10405 Berlin

Tel +49 (0)30 417 235 55 | Fax +49 (0)30 417 235 57

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Mo - Fr 10:00 - 16:00

 

 

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