[imc-presse] ECCHR-PRESSEMITTEILUNG

::ECCHR:: info at ecchr.eu
Wed Sep 4 14:07:05 CEST 2013



 

PRESSEMITTEILUNG

 

Bundesverfassungsgericht verweigert NATO-Opfern Entschädigung

Beschwerde zum Luftangriff auf die Brücke von Varvarin trotz
verfassungsrechtlicher Bedenken abgelehnt

 

Berlin, 4. September 2013 - Das Bundesverfassungsgericht hat in einem lang
erwarteten Beschluss (Az. 2 BvR 2660/06) die Beschwerde von 34 Opfern und
Hinterbliebenen des NATO-Luftangriffs auf eine Brücke im serbischen Dorf
Varvarin im Jahr 1999 abgelehnt. Die Betroffenen hatten bereits 1999 die
Bundesrepublik Deutschland vor dem Landgericht Bonn auf Entschädigung
verklagt. Ihnen bleibt durch den Spruch aus Karlsruhe weiterhin der Zugang
zu einem Entschädigungsverfahren verwehrt. Das ECCHR wird daher mit den
Klägern die Erhebung einer Beschwerde zum Europäischen Gerichtshof für
Menschenrechte (EGMR) prüfen.

 

"Es ist skandalös, dass die Geschädigten dieses Kriegsverbrechens auch knapp
fünfzehn Jahre nach der Bombardierung noch keinen gerechten Ausgleich ihrer
Schäden erhalten und dies obwohl die Bundesrepublik Deutschland und ihre
NATO-Bündnispartner für sich in Anspruch nehmen, den Krieg aus humanitären
Gründen geführt zu haben", sagte Rechtsanwalt Wolfgang Kaleck zum Ausgang
dieses Verfahrens.

 

Trotz der Ablehnung kritisiert das Gericht in dem Beschluss einige Aspekte
der Entscheidungen der Vorinstanzen, die für aktuelle und zukünftige
Verfahren von Bedeutung sind.

 

Das Bundesverfassungsgericht rügte zum einen ausdrücklich, dass die
Vorinstanzen den Klägern die volle Beweis- und Darlegungslast für den
tatsächlichen Geschehensablauf, also die Planung und Durchführung der
Bombardierung, militärische Interna auferlegt hatten, obwohl dies für
serbischen Kläger offenkundig unmöglich war. Dies wird für aktuelle und
künftige Verfahren weitreichende Bedeutung haben, wie etwa im laufenden
Zivilverfahren zum Luftangriff bei Kunduz. 

 

Zum anderen beanstandete das Bundesverfassungsgericht, dass die Fachgerichte
der Bundesregierung einen gerichtlich nicht überprüfbaren
Beurteilungsspielraum für die Erstellung so genannter Ziellisten eingeräumt
hatten. Diese Listen enthalten Objekte, die ein vermeintlich legitimes
militärisches Angriffsziel darstellten. Das Oberlandesgericht Köln und der
Bundesgerichtshof waren in ihren Entscheidungen der Auffassung der
Bundesregierung gefolgt, demzufolge eine Überprüfung derartiger Listungen im
außen- und verteidigungspolitischen Ermessen stehen und nicht justiziabel
sei. 

 

Mit der Entscheidung des Verfassungsgerichts bleibt allerdings den
Betroffenen weiterhin der Zugang zu Entschädigungsklagen für den
rechtswidrigen Angriff der NATO verwehrt. Weder gegen die NATO direkt, noch
gegen am NATO-Einsatz beteiligte Nationen wie die Bundesrepublik Deutschland
konnte bislang eine Entschädigung für den Verlust der Angehörigen erreicht
werden. Die Forderung, den Geschädigten von Kriegshandlungen einen Weg vor
die ordentlichen Gerichte zu eröffnen, bleibt damit aktuell.

 

Dem Verfahren lag die Bombardierung einer Brücke im serbischen Hinterland
während der NATO-Operation Allied Force im Zuge des Kosovo-Krieges zugrunde.
Am 30. Mai 1999, einem hohen kirchlichen Feiertag und Markttag mit vielen
Menschen auf den Straßen und Plätzen, hatten die Flugzeuge die Brücke in der
Kleinstadt Varvarin zweimal angegriffen und dabei zehn Menschen getötet und
30 weitere, davon 17 schwer, verletzt. Nachdem mehrere deutsche Gerichte
Schadensersatzansprüche bislang ablehnten, wandten sich die Vertreter der
Betroffenen an das Bundesverfassungsgericht.

 

Das ECCHR hat die Rechtsanwälte Sönke Hilbrans und Wolfgang Kaleck in dem
Verfahren unterstützt. Die Professoren Michael Bothe (Frankfurt am Main) und
Andreas Fischer-Lescano (Bremen) reichten als Gutachter zwei Stellungnahmen
auf Seiten der Betroffenen ein.

 

Schriftsätze, Urteile und mehr:
<http://www.ecchr.de/index.php/varvarin.html>
http://www.ecchr.de/index.php/varvarin.html

 

Für weitere Informationen kontaktieren Sie bitte:

ECCHR, E-Mail: info at ecchr.eu, Tel.: 030 / 40048590

____________________________________________________

 

European Center for Constitutional and Human Rights e.V. (ECCHR)

Zossener Str. 55-58, Aufgang D

D-10961 BERLIN

 

Phone: + 49 (0)30 - 40 04 85 90

Fax: + 49 (0)30 - 40 04 85 92

E-Mail:  <mailto:info at ECCHR.eu> info at ECCHR.eu

 

Website -
<http://de-de.facebook.com/pages/Ecchr-European-Center-for-Constitutional-an
d-Human-Rights/219348771491535> Facebook - Newsletter (
<http://www.ecchr.de/index.php/newsletter.html> Deutsch /
<http://www.ecchr.de/index.php/newsletter_en.html> English)

 

-------------- next part --------------
An HTML attachment was scrubbed...
URL: </pipermail/imc-presse/attachments/20130904/ede9944b/attachment-0001.htm>
-------------- next part --------------
A non-text attachment was scrubbed...
Name: not available
Type: image/jpeg
Size: 4540 bytes
Desc: not available
URL: </pipermail/imc-presse/attachments/20130904/ede9944b/attachment-0001.jpeg>
-------------- next part --------------
A non-text attachment was scrubbed...
Name: Varvarin, Pressemitteilung, 2013-09-04.pdf
Type: application/pdf
Size: 166188 bytes
Desc: not available
URL: </pipermail/imc-presse/attachments/20130904/ede9944b/attachment-0001.pdf>


More information about the imc-presse mailing list