[imc-presse] PRESSEMITTEILUNG: OECD-Beschwerden gegen Hersteller von Überwachungssoftware

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Wed Feb 6 12:34:56 CET 2013


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PRESSEMITTEILUNG:

 

OECD-Beschwerden gegen Hersteller von Überwachungssoftware

Menschenrechtsorganisationen fordern unternehmerische Verantwortung ein

 

Berlin, 6. Februar 2013 – Die Münchener Trovicor GmbH und die
britisch-deutsche Gamma Group produzieren Überwachungssoftware, die von
autoritären Staaten zu Menschenrechtsverletzungen eingesetzt werden kann.
Privacy International, Reporter ohne Grenzen, das Bahrain Center for Human
Rights (BCHR), Bahrain Watch (BW) und das European Center for Constitutional
and Human Rights (ECCHR) haben deshalb OECD-Beschwerden gegen beide
Unternehmen eingereicht. Der entsprechende Schriftsatz zu Trovicor wurde
heute der deutschen Nationalen Kontaktstelle für die OECD-Leitsätze für
multinationale Unternehmen in Deutschland übergeben, der Schriftsatz zu
Gamma am vergangenen Freitag der Nationalen Kontaktstelle in Großbritannien.


 

Daten aus abgefangenen Telefon- und Internetverbindungen sind insbesondere
seit dem Beginn der Massenproteste im Februar 2011 in dem arabischen
Golfstaat Bahrain verwendet worden, um Dissidenten festzunehmen und ihnen
unter Misshandlungen Geständnisse abzupressen. 

 

 „Die Opfer wurden mit Sätzen konfrontiert, die sie in vertraulichen
Telefonaten oder E-Mails geäußert hatten“, sagte Maryam al-Khawaja,
geschäftsführende Präsidentin des Bahrain Center for Human Rights. „Es gibt
Belege für Menschenrechtsverletzungen auf breiter Front, bei denen auch mit
Hilfe des Internets  gegen Dissidenten vorgegangen wurde. Um diese
Übergriffe zu stoppen, müssen auch diejenigen zur Rechenschaft gezogen
werden, die zu ihnen beigetragen haben.“ 

 

Erleichtert werden solche Übergriffe durch leistungsfähige Technologie,
deren Einsatz allenfalls unter strengster rechtsstaatlicher Kontrolle zu
rechtfertigen wäre: Den Beschwerdeführern liegen Anhaltspunkte dafür vor,
dass Trovicor unter anderem in Bahrain Software wartet, mit deren Hilfe
Sicherheitsbehörden und Geheimdienste große Datenmengen aus Telefon- und
Computerüberwachung abfangen, aufzeichnen und analysieren können. Zudem gibt
es Indizien, dass Trovicors Technologie auf das Zusammenwirken mit
sogenannten Trojanern ausgelegt ist, die eine noch umfassendere Überwachung
bis hin zur Manipulation von Daten erlauben. Ein solches invasives Programm,
Gammas FinFisher, wurde auch auf den Rechnern bahrainischer Oppositioneller
gefunden. 

 

„Da die Regierungen Exporte von Überwachungstechnologie nicht ordentlich
überwachen, werden Firmen wie Gamma und Trovicor ausschließlich durch ihren
eigenen moralischen Kompass reguliert”, sagte Eric King, Forschungsdirektor
von Privacy International. „Wir hoffen sehr, dass der OECD-Prozess die
Unternehmen dazu bringt, ihre aktuellen und künftigen Kunden sehr genau
unter die Lupe zu nehmen und die Rolle zu hinterfragen, die ihre Produkte
dabei spielen, Aktivisten ins Visier zu nehmen und zu foltern sowie
Fürsprecher der Demokratie zu unterdrücken.“

 

Die OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen halten Firmen aus den
Unterzeichnerstaaten dazu an, bei ihren Auslandsgeschäften internationale
Menschenrechtsstandards zu wahren und entsprechende negative Auswirkungen
ihrer Tätigkeit zu vermeiden oder zu vermindern. 

Aufgrund der internationalen Berichterstattung über die Proteste der
Opposition in Bahrain und deren gewaltsame Niederschlagung müssen sich
Trovicor und Gamma seit spätestens Sommer 2011 über die dortigen
Menschenrechtsverletzungen im Klaren sein. Dennoch halten Sie nach Kenntnis
der Beschwerdeführer an ihren Geschäftsbeziehungen fest.

 

„Die Firmen laufen Gefahr, Beihilfe zu Folter und anderen schweren
Menschenrechtsverletzungen zu leisten, wenn sie ihre Überwachungssoftware in
Staaten wie Bahrain warten und instand halten, obwohl glaubhafte
Untersuchungen belegen, dass die bereitgestellte Software durch bahrainische
Behörden missbraucht werden kann“, kritisierte Wolfgang Kaleck,
Generalsekretär des European Center for Constitutional and Human Rights.
„Sollten sich die vorliegenden Verdachtsmomente bewahrheiten, verstoßen die
Unternehmen aus unserer Sicht gegen die OECD-Leitsätze.“

 

Auf wiederholte Anfragen von Medien und Menschenrechtsorganisationen haben
beide Firmen bislang weder umfassend Stellung zu den kritischen Aspekten
ihrer Tätigkeit in Bahrain bezogen noch Konsequenzen aus den dortigen
Menschenrechtsverletzungen gezogen. Deshalb wenden sich die Organisationen
nun im formalen Beschwerdeverfahren an die OECD-Kontaktstellen in
Deutschland und Großbritannien. 

 

Ziel der Beschwerden ist, dass Trovicor und Gamma ihre Verträge mit Bahrain
und anderen autoritären Staaten offenlegen und auf ihre
Menschenrechtsverträglichkeit prüfen. In Ländern, in denen es ausreichende
Anhaltspunkte dafür gibt, dass ihre Technologien zu
Menschenrechtsverletzungen beitragen können, müssen die Firmen ihre
Lieferungen und Dienstleistungen einstellen. In neue Verträge müssen
entsprechende Vertragsklauseln eingefügt, Altverträge sollten nachverhandelt
werden. Mit Blick auf künftige Vertragsabschlüsse sollten sich die
Unternehmen verpflichten, die Menschenrechtsverträglichkeit sowohl vorab als
auch fortlaufend zu überprüfen. Ferner sollten sie mit technischen
Vorkehrungen einem Missbrauch ihrer Technologien effektiv vorbeugen. 

 

Die Regierungen Deutschlands und Großbritanniens sind völkerrechtlich
verpflichtet, Menschenrechtsverstöße der auf ihrem jeweiligen Territorium
ansässigen Unternehmen zu verhindern. Dementsprechend sollten die
OECD-Kontaktstellen in beiden Ländern Empfehlungen an Trovicor und Gamma
aussprechen und regelmäßig über deren Einhaltung informieren. Beide
Regierungen sollten darüber hinaus Empfehlungen an staatliche Stellen und
Unternehmen entwickeln, wie Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang mit
Produktion und Handel von Überwachungstechnologie verhindert werden können. 

 

„Der unregulierte Handel mit Überwachungstechnologie in autoritären Staaten
ist eine der größten Bedrohungen für Pressefreiheit und Menschenrechtsarbeit
im Internet“, sagte Christian Mihr, Geschäftsführer von Reporter ohne
Grenzen. „Exporte solcher digitalen Waffen müssen den gleichen
Beschränkungen unterworfen werden wie Auslandsgeschäfte mit traditionellen
Rüstungsgütern.“ 

 

 

Weitere Informationen zum Fall (auch anbei):

http://www.ecchr.de/index.php/ueberwachungstechnologie/articles/oecd-beschwe
rden-gegen-hersteller-von-ueberwachungssoftware.html 

 

Für weitere Anfragen:

info at ecchr.eu 

 

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Zossener Str. 55-58, Aufgang D

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