[imc-presse] Gemeinsame Pressemitteilung zum Deutschen Juristentag: Bürgerrechte im Internet schützen, nicht abbauen

RAV e.V. gs at rav.de
Mon Oct 1 09:58:38 CEST 2012


Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Freundinnen und Freunde,

anbei und hier folgend eine gemeinsame Presseerklärung des
Organisationsbüros der Strafverteidigervereinigungen, des Republikanischen
Anwältinnen- und Anwältevereins (RAV) und des Chaos Computer Clubs (CCC) zu
den Beschlüssen des Deutschen Juristentages.

Wir bitten um Weiterleitung und Veröffentlichung in Ihren Medien.

Mit besten Grüßen

Ilona Picker
RAV-Geschäftsstelle

***

Bürgerrechte im Internet schützen, nicht abbauen

Das Organisationsbüro der Strafverteidigervereinigungen, der Republikanische
Anwältinnen- und Anwälteverein (RAV) und der Chaos Computer Club (CCC)
lehnen die Vorschläge des Deutschen Juristentages zur Strafverfolgung im
Internet ab.

Online
http://www.rav.de/publikationen/mitteilungen/mitteilung/buergerrechte-im-int
ernet-schuetzen-nicht-abbauen-266/

PDF-Version im Anhang

Am 21. September 2012 ging der Deutsche Juristentag mit der Präsentation
seiner Beschlüsse zu Ende. Die Abteilung Strafrecht des Deutschen
Juristentags fordert, zur Verfolgung bestimmter Straftaten im Internet
»weiterreichende Ermittlungsmöglichkeiten der Strafverfolgungsbehörden
(unter anderem Telekommunikationsüberwachung)« zu schaffen. Konkret werden
insbesondere das »heimliche Eindringen in ein informationstechnisches System
zum Zwecke einer repressiven Quellen-Telekommunikationsüberwachung«, die
Online-Durchsuchung, »spezielle Herausgabepflichten bzgl. Verkehrsdaten« und
die Vorratsdatenspeicherung verlangt.

Der Deutschen Juristentag fordert damit die Ausweitung heimlicher
Überwachungsmaßnahmen, obwohl diese aus gutem Grunde von weiten Teilen der
Öffentlichkeit als Eingriffe in die Kommunikationsfreiheit des Bürgers
skeptisch betrachtet werden. Bereits heute werden Verbindungs- und
Standortdaten und die Identität von Telefon-, Mobiltelefon-, E-Mail- und
Internetnutzern in Strafverfahren standardmäßig abgefragt. Die
Bundesnetzagentur hat allein für das Jahr 2009 4,5 Mio. 
Auskunftsersuchen deutscher Sicherheitsbehörden ermittelt. Bei solchen
Maßnahmen werden regelhaft Informationen über eine große Anzahl
Unbeteiligter ohne deren Wissen erhoben und an die Polizei weitergegeben.
Dabei beschränkt sich die Informationsauswertung nicht allein auf die
schlichten Verbindungsdaten, sondern macht über die Begleitumstände der
Kommunikation (Geodatenanalyse, Auswertung mobiler
Transaktionen) auch Handlungen und Neigungen aus dem Privatleben sichtbar.

Der Schutz dieser Daten vor dem Zugriff des Staates wird umso bedeutsamer,
je mehr alle privaten Lebensbereiche von digitalen Kommunikationsmedien und
Mobilfunknetzen abhängen. Die Freiheit, unbeobachtet zu kommunizieren, muss
daher in Zukunft besser geschützt und nicht etwa abgebaut werden.
Wissenschaftliche Untersuchungen in jüngerer Zeit stellen den Nutzen
beispielsweise der Vorratsdatenspeicherung bei der Bekämpfung von
Terrorismus und schweren Straftaten ohnehin in Frage. Erst dieser Tage
musste der Bundesdatenschutzbeauftragte erneut darauf hinweisen, dass
Telekommunikationsunternehmen weiterhin in großem Umfang persönliche Daten
von Kunden speicherten, die weit über das hinausgehen, was zur Abrechnung
der Verbindungen erforderlich und zulässig wäre.

Abzulehnen ist auch die von dem Deutschen Juristentag geforderte Einführung
der Online-Durchsuchung zur Strafverfolgung. Es ist in diesem Zusammenhang
daran zu erinnern, dass das erst im letzten Jahr durch den Chaos Computer
Club aufgedeckte Problem, dass die von den Behörden in Deutschland
verwandten Trojaner-Software nicht den verfassungsrechtlichen Anforderungen
genügen konnte, weiterhin ungelöst ist.

Das Organisationsbüro der Strafverteidigervereinigungen, der Republikanische
Anwältinnen- und Anwälteverein und der Chaos Computer Club lehnen diese
Beschlüsse des Deutschen Juristentages deshalb ab. Sie weisen schließlich
darauf hin, dass der Deutsche Juristentag als privater Verein nicht die
Juristinnen und Juristen in Deutschland repräsentiert. In der Abteilung
Strafrecht haben nur ca. 80 Teilnehmende abgestimmt.

Für Rückfragen stehen zur Verfügung:
Dipl. Inf. Constanze Kurz, Sprecherin des CCC, mailto:presse at ccc.de
Rechtsanwalt Sönke Hilbrans, Vorstandsmitglied im RAV, Tel.: 030 44679224
Rechtsanwalt Jasper von Schlieffen, Geschäftsführer des Organisationsbüro
der Strafverteidigervereinigungen, Tel.: 030 3101820

Berlin, 30.09.2012

--
Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein e.V.
Greifswalder Str. 4
10405 Berlin
www.rav.de | kontakt at rav.de
Mo, Di, Do, Fr 10 -16h
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