[imc-presse] PE: Innenministerium mauert weiter

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Mon Mar 19 19:08:27 CET 2012


Liebe Presse,

unten eine Presseerklärung des AK Spitzelklage zu unserem weiteren
Vorgehen bezüglich der Klage gegen den Spitzeleinsatz in Heidelberg.

schöne Grüße
Alex für den AK Spitzelklage

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Presseerklärung des Arbeitskreises Spitzelklage:
Die Replik auf die Klageerwiderung und das „In Camera“-Verfahren

Am 16.03.2012 haben die sieben Betroffenen, die gegen den Einsatz eines
Verdeckten Ermittlers (VE) des Landeskriminalamtes in Heidelberg klagen,
die Replik auf die Klageerwiderung der Rechtsabteilung des
Landespolizeipräsidiums nach Karlsruhe geschickt.

Mit dieser Klageerwiderung versucht die Polizei, die Klage der sechs nicht
als „Zielperson“ definierten Kläger_innen als unzulässig abzuschmettern.
Bestritten wird, dass der Verdeckte Ermittler Simon Bromma in seiner
Funktion als Polizist an sich schon eine polizeiliche Datenerhebung
verkörpert. Weder E-Mail-Kontakt noch sonstige Kommunikationsdaten wie
Telefonnummern, Adressen u. ä. sind demzufolge nach Ansicht der
Sicherheitsbehörde eine „Erhebung persönlicher Daten“. Ebenso wenig will
die Behörde die vom VE bei seiner Enttarnung erwähnten „Personalakten“,
die er über sämtliche Menschen angelegt hatte, von denen er nach eigenen
Angaben mehr als den Vornamen wusste, als Datenerhebung in ihrem Sinne
gelten lassen. Dabei ist sogar in der Einsatzanordnung als Teilziel ein
„Aufhellen“ der linken Szene angegeben, das ohne personenbezogene Daten
einer Vielzahl von Menschen (aber in jedem Falle von mehr als den vier
Ziel- und Kontaktpersonen) nicht möglich wäre.
Die Dreistigkeit beim Umgang mit der Privatsphäre, die von der politischen
Polizei an den Tag gelegt wird, konkretisiert sich in dem Satz:

„Hier ist darauf hinzuweisen, dass es ausschließlich die Entscheidung des
Klägers war und ist, mit welchen Personen er in Kontakt tritt.“

Legitimiert werden soll der Einsatz durch eine im Bundesland
Baden-Württemberg zu beobachtende „Zunahme politisch motivierter
Kriminalität“ von linker Seite („PMK-Links“) im Jahre 2009, das Jahr des
NATO-Gipfels. Auffällig ist dabei, dass die erwähnten Delikte zum Großteil
niedrigschwellige Sachbeschädigungen sind, die in keinem Falle
schwerwiegend genug sind, einen Grundrechtseingriff solchen Ausmaßes zu
rechtfertigen. Konkrete Zahlen für die Region Rhein-Neckar-Kreis, dem
offiziell festgeschriebenen Einsatzbereich des Verdeckten Ermittlers,
werden dem Gericht nicht einmal vorgelegt.

Die vermeintlich „eskalative Zuspitzung“ zwischen rechter und linker Szene
wird im Gegenteil nur mit acht geplanten Veranstaltungen (ca. 50 Kilometer
von Heidelberg entfernt) begründet, von denen sechs von Faschisten
initiiert waren und davon wiederum zwei noch nicht einmal stattgefunden
haben. Die zu erwartende gewalttätige „Rechts/Links-Konfrontation“
illustrieren sie skandalöserweise mit einem Platzverweis, den
Polizeibeamte Angehörigen der rechten Szene am Rande einer linken
Demonstration in Sinsheim ausgesprochen haben. Wie dies zu einem
Polizeispitzeleinsatz in der linken Szene in Heidelberg führen kann,
entbehrt jedweder Logik. Somit hat ein Erstarken der rechten Szene in
Sinsheim zu einer Überwachung der gesamten linken Szene in Heidelberg
geführt.

Einziger Dreh- und Angelpunkt des Begründungszusammenhangs für den Einsatz
der Verdeckten Ermittler_innen ist und bleibt der zufällige Fund von
sieben „gebrauchsfertigen“ Mollies. Pikant daran ist die Tatsache, dass
die durchsuchten Räumlichkeiten im 53 Kilometer von Heidelberg entfernten
Helmstadt-Bargen mehrfachen Angriffen der örtlichen Neonaziszene
ausgesetzt waren und die Mollies unzweifelhaft dem Schutz von Leib und
Leben der Bewohner_innen dienen sollten.

Einmal mehr hat sich gezeigt, dass die örtlichen Polizeibehörden aus rein
antidemokratischer Überzeugung heraus gehandelt haben und nun im
Nachhinein versuchen, eine für das „Wohl des Landes“ bedrohliche
Gefahrenlage zu konstruieren. Die Kategorisierung in Ziel-, Kontakt- und
unvermeidbar betroffene dritte Personen oder nicht betroffene Menschen ist
hierbei als willkürlich beziehungsweise als taktisch gewählt einzustufen,
da Ziel- und Einsatzbereich der Verdeckten Ermittler_innen unbestreitbar
die gesamte linke und politisch aktive studentische Szene Heidelbergs war
und ist. Dementsprechend haben alle sieben Klagen dieselbe Berechtigung,
auch wenn der Polizeirechtsstaat in „zulässig“ und „nicht-zulässig“
aufspalten will.

Der Arbeitskreis Spitzelklage fordert weiterhin die Offenlegung sämtlicher
Facetten des widerrechtlich durchgeführten Spitzelskandals! Unter anderem
legten die sieben Kläger_innen gegen die vom Innenministerium unter
Reinhold Gall (SPD) verhängte Komplettsperrung beziehungsweise
großflächige Unkenntlichmachung/Schwärzung der Akten zum VE-Skandal in
Heidelberg Widerspruch ein. Die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts
Mannheim soll in einem "In Camera"-Verfahren, d.h. unter Ausschluss der
Öffentlichkeit, gefällt werden und steht noch aus. Eine
„Geheimhaltungsbedürftigkeit“ können wir in diesem Zusammenhang an keiner
Stelle erkennen.

Bei weiteren Fragen oder Unklarheiten stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung:
Arbeitskreis Spitzelklage | ak-spitzelklage at riseup.net |
http://spitzelklage.blogsport.de
Pressekontakt: M. Dandl (0162 9154917)




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