[imc-presse] Pressemitteilung §129b gegen Kurden

Bündnis ai solibuendnisaliihsan at googlemail.com
Wed Feb 8 14:49:13 CET 2012


*Pressemitteilung*
Ressort: Innenpolitik - Justiz
*
Solidaritätskundgebung für den gemäß §129b in Untersuchungshaft
befindlichen kurdischen Aktivisten Ali Ishan Kitay *

*Verfahren nach 129b, Isolationshaft, Solidarität gegen Repression,
Kundgebung am 11.Februar vor dem Gefängnis am Holstenglacis*


Seit dem 12. Oktober 2011 sitzt der kurdische Aktivist Ali Ihsan Kitay in
Hamburg wegen des Vorwurfs der „Mitgliedschaft in einer terroristischen
Vereinigung“ gemäß § 129b in Haft. Er soll 2007-2008 in Hamburg und der
nördlichen Region verantwortlicher Kader der PKK gewesen sein.

Der kurdische Politiker saß bereits mehr als 18 Jahre in der Türkei im
Gefängnis und wurde dort mehrfach gefoltert. Nun sitzt Ali Ihsan Kitay in
Isolationshaft. Konkrete Straftaten oder Anschläge in Deutschland werden
ihm nicht vorgeworfen. Die Generalbundesanwaltschaft (BAW) bewertet die PKK
jedoch als terroristische Vereinigung im Ausland.

Mit der Kriminalisierung von KurdInnen nach dem §129b verfolgen die
herrschenden Eliten in der Bundesrepublik wirtschaftliche und strategische
Ziele. Die Türkei wird als Energiedrehscheibe im Mittleren Osten gesehen.
Die AKP dient zudem als „bestes Modell“ der Zusammenarbeit im Rahmen der
Kontrolle der Ressourcen Öl und Gas im Mittleren Osten.

Die Regierung Erdogan betreibt auf Weisung ihrer „Grauen Eminenz,“ dem
Prediger Fethullah Gülen eine Vernichtungspolitik gegen die kurdische
Bevölkerung sowie die emanzipatorische kurdische Bewegung. Das Militär
verübt Kriegsverbrechen, es wird wieder auf offener Straße gefoltert, mehr
als 6000 PolitikerInnen und AktivistInnen sitzen in Haft. Die Wirtschaft
des Landes wird nach neoliberalen Kriterien zugerichtet, jegliche
Opposition unterdrückt.

Mit der Kriminalisierung der KurdInnen nach 129b und
Demonstrationsverbo-ten sowie Rüstungsexporten beteiligt sich die
Bundesregierung, ohne Rücksicht auf die Menschenrechte an einer aggressiven
und unwürdigen Politik. Dagegen  wird mit dieser Kundgebung Widerstand
geleistet. Im Aufruf der VeranstalterInnen, des Solidaritäts-bündnisses für
Ali Ihsan Kitay heißt es: „Weg mit den §129a und b, Freiheit für Ali Ihsan
Kitay und die weiteren kurdischen Gefangenen, Weg mit dem PKK Verbot und
der EU-Terrorliste. Unsere Solidarität gegen Ihre Repression.“

Die Kundgebung findet am 11.02.2012 vor dem Gefängnis am Holstenglacis in
Hamburg statt .

Für Rückfragen stehen wir gerne unter der e-mail: *
solibuendnisaliihsan at googlemail.com*  zur Verfügung


*Anhang: *

*Die Hintergründe der 129b  Verfahren gegen kurdische AktivistInnen*

Seit dem 12. Oktober 2011 sitzt der kurdische Aktivist Ali Ihsan Kitay in
Hamburg wegen des Vorwurfs der „Mitgliedschaft in einer terroristischen
Vereinigung“ gemäß § 129b in Haft. Er soll 2007-2008 in Hamburg und der
nördlichen Region verantwortlicher Kader der PKK (Arbeiterpartei
Kurdistans) gewesen sein.  Ali Ihsan Kitay saß bereits mehr als 18 Jahre in
der Türkei im Gefängnis und wurde dort mehrfach gefoltert.

Der Aktivist der kurdischen Bewegung ist den verschärften Bedingungen der
Isolationshaft ausgesetzt. Besuche von Verwandten und Bekannten können
14tägig für eine halbe Stunde stattfinden. Die Gespräche mit BesucherInnen
finden hinter einer Trennscheibe im beisein von Beamten des LKA statt und
werden von den Behörden filmisch aufgezeichnet. Die gesamte Post
einschließlich der Verteidigerpost wird überwacht. Seit Wochen hat der
Inhaftierte der kein Deutsch spricht, keinen Zugang zu türkischsprachigen
Büchern. Diese werden ihm trotz Genehmigung durch den Haftrichter, von der
Gefängnisleitung vorenthalten. Das Hamburger Untersuchungsghefängnis ist
für seine besonders rigide Praxis, insbesondere im Umgang mit migrantischen
Gefangenen, bekannt.  Zudem versuchten Wärter, vor einer Beschwerde durch
Abgeordnete der Hamburger Bürgerschaft, sogar die Gehrichtung während des
Hofgangs vorzuschreiben. Der Hofgang wird mittlerweile mit einem
Gefangenen aus dem islamischen Spektrum gewährt, mit dem Gespräche aufgrund
unterschiedlicher Muttersprachen jedoch nicht möglich sind.
Der Bundesgerichtshofs entschied am 28. Oktober 2010, dass zukünftig der
Paragraph 129b des Strafgesetzbuches »Mitgliedschaft in einer kriminellen
oder terroristischen Vereinigung im Ausland« gegen die PKK und deren
Nachfolgeorganisationen angewandt werden soll. Als eine solche
Nachfolgeorganisation ist nach Ansicht der Generalbundesanwaltschaft auch
die KCK (Gemeinschaft der Kommunen Kurdistans) zu betrachten. Bisher
erfolgten Verurteilungen nach Paragraf 129 (Mitglied einer kriminellen
Vereinigung) oder dem Vereinsgesetz (Ahndung mit Geldstrafe).

„Das Vorgehen im Zusammenhang mit dem §129b ist verfassungsrechtlich
bedenklich. Es wird der Exekutive - dem Justizministerium - überlassen, zu
entscheiden, ob eine ausländische Vereinigung terroristisch ist - oder ob
sie legitimen Widerstand gegen eine Diktatur leistet oder als legitime
Befreiungsbewegung gelten darf,“ kritisiert u.a. die Rechtsanwältin Britta
Eder. Diese Entscheidung sei von politischen und geostrategischen
Standpunkten und Interessenlagen abhängig, so Eder. Zudem hätten die
bisherigen 129 b-Verfahren gezeigt, dass oftmals auch Aktionen zivilen
Ungehorsams oder Aufklärungsarbeit über Menschenrechtsverletzungen als
Mitgliedschaft oder Unterstützung angesehen werden.

Konkrete Straftaten oder Anschläge in Deutschland werden Ali Ihsan Kitay
nicht vorgeworfen. Die BAW bewertet die PKK jedoch als terroristische
Vereinigung im Ausland, da sie über militärisch strukturierte
Guerillaeinheiten verfüge, die Attentate auf türkische Polizisten und
Soldaten verübe. So habe die PKK seit 2004 auch Anschläge auf zivile Ziele
in Großtädten und Tourismuszentren der Türkei begangen. Die Organisation
hatte sich jedoch stets von Anschlägen auf Zivilisten distanziert und
langjährige Waffenruhen eingehalten. Tatsächlich zu den Anschlägen bekannt
haben sich die Freiheitsfalken (TAK), die die PKK seit langem als zu
gemäßigt kritisieren. Die BAW verkennt zudem, dass die PKK seit einigen
Jahren eine basisnahe kommunale Selbstverwaltung und kulturelle Rechte für
die Kurden innerhalb der Staaten Türkei, Syrien Iran und Irak anstrebt und
keinen eigenen Staat.

Zwei weitere 28-jährige kurdische Aktivisten, Ridvan Ö. Und Mehmet A.
wurden im Juli 2011   festgenommen. Auch in Frankfurt wird seit August 2011
gegen Vakuf M. nach §129b  verhandelt. Allen wird vorgeworfen leitende
Funktionen innerhalb verschiedener PKK Strukturen eingenommen zu haben. Bei
einem weiteren Beschuldigten wurde die Auslieferung aus der Schweiz
beantragt. In Hamburg forderte das Bündnis Free Ali Ihsan im Verlauf von
Kundgebungen „Weg mit den §129a und b, Freiheit für Ali Ishan Kitay und die
weiteren kurdischen Gefangenen, Weg mit dem PKK Verbot und der
EU-Terrorliste.“
*
Juristischer Hintergrund*

Die AnwältInnen der nach §129b kriminalisierten Kurden kritisieren
erhebliche Lücken in der Argumentation der BAW. Thema der Verhandlungen
muss ihrer Ansicht nach sein, dass es sich beim türkisch-kurdischen
Konflikt um einen bewaffneten Konflikt nach Konfliktvölkerrecht handelt.

Auch nach der Erkenntnislage der BAW ist die Guerilla der PKK, die (HPG –
Volksverteidigungskräfte), eine in militärischen Formationen gegen
überwiegend militärische Ziele auf türkischer Seite vorgehende
Organisation. Damit ist sie eine Konfliktpartei in einem bewaffneten
Konflikt im Sinne des Völkerrechts.  Eine Einstufung der Aktionen der
Organisation als Anschläge oder Terror trifft folglich nicht zu.

„Der bewaffnete Kampf der HPG sei gemäß dem 1. Zusatzprotokoll der Genfer
Konventionen nicht illegal, wenn er sich gegen lang anhaltende rassistische
oder koloniale Unterdrückung richtet und für das Selbstbestimmungsrecht
eines Volkes im Rahmen des humanitären Völkerrechts geführt wird,“ so
Anwälte der Betroffenen kurdischen AktivistInnen. Diese Kriterien sind in
Anbetracht der dokumentierten kontinuierlichen, gravierenden
Menschenrechtsverletzungen, extralegalen Hinrichtungen und nachgewiesenen
Kriegsverbrechen, bis hin zu Chemiewaffeneinsätzen, seitens des türkischen
Militärs sowie der Sicherheitskräfte erfüllt. Auch das Heidelberger
Institut für Konfliktforschung datiert den Beginn des schweren Konflikts in
heutiger Prägung, „der sich seit ca. 30 Jahren militärisch zugespitzt hat,“
auf das Jahr 1920. Tatsächlich wurden die Grenzen zwischen dem Irak, Iran,
Syrien und der Türkei 1916 auf Grundlage kolonialer Begehrlichkeiten u.a.
Englands, Frankreichs und Deutschlands gezogen. Seitdem leben ca. 50
Millionen KurdInnen mit wenig Möglichkeit zu institutioneller
Selbstbestimmung in diesen Staaten.

*Politischer Hintergrund*

Der politische Hintergrund der Kriminalisierung ist  mehr als deutlich. Die
Bundesregierung hat aus wirtschaftlichen und geostrategischen Interessen
ein großes Interesse die in der Türkei sehr erfolgreich agierende kurdische
Bewegung zu schwächen. Es geht um den Zugang zu Öl und Gasressourcen im
gesamten Mittleren Osten und den Bau der Nabuccopipeline. Die Türkei, mit
der zweitgrößten NATO Armee wird dabei als Bündnispartner und zukünftige
Energiedrehscheibe gesehen, die feudalistisch-autoritäre AKP (Wahrheits-
und Gerechtigkeitspartei) Regierung unter Ministerpräsident Erdogan als
demokratisch verklärt.
Die Realität, dass die PKK in der kurdischen Bevölkerung verankert ist und
seit Jahren auf einen Friedensdialog orientiert, wird dabei konsequent
ausgeblendet. Eine emanzipatorische und vor allem gut organisierte
basisdemokratische Kraft kann in einer strategisch wichtigen Region gerade
in Hinblick auf die Neuaufteilung des Mittleren Ostens scheinbar nicht
geduldet werden.
Dass seit 2009  die Repression gegen die kurdische Bewegung in der Türkei
auf allen Ebenen wieder massiv verstärkt wurde, dass Folter und extralegale
Hinrichtungen gegen Zivilpersonen zunehmen wird dabei ausgeblendet.

Die türkische Armee bombardiert zudem seit den Parlamentswahlen im Juni
2011 kontinuierlich völkerrechtswidrig Rebellenstellungen in den von der
kurdischen Bewegung kontrollierten Medya Verteidigungsgebieten im Nordirak.
Davon ist allerdings hauptsächlich die Zivilbevölkerung betroffen.
Unzählige Dörfer wurden zerstört, ZivilistInnen getötet. Immer wieder wird
seit Ende 2009 von Kriegsverbrechen der türkischen Armee bis hin zu
Chemiewaffeneinsätzen berichtet. Die graue Eminenz der AKP , der in den USA
lebende Prediger und Medienmogul im Stil Berlusconis, Fethullah Gülen,
forderte die Regierung im Verlauf einer ca. 45minütigen  Videobotschaft
bezüglich der KurdInnen  unter Beschwörung der nationalen Einheit im Namen
Allahs auf, die politisch tätigen Kurden zu vernichten: „Lokalisiert sie,
umzingelt sie (...) zerschlagt ihre Einheiten, lasst Feuer auf ihre Häuser
regnen, überzieht ihr Klagegeschrei mit noch mehr Wehgeschrei, schneidet
ihnen die Wurzeln ab und macht ihrer Sache ein Ende!“ In Bezug auf die
Guerilla sagte Gülen darüber hinaus„Ob 500, ob 5000, lass es 50.000
(gemeint sind die kurdischen Guerillas) sein, du hast eine Million (gemeint
sind Soldaten), kessele sie ein und vernichte sie.“ Unter diesen Vorzeichen
lassen sich die aggressive Kurdenpolitik der AKP und die Forderung nach
einer auf Aspekten der Massenvernichtung beruhenden tamilischen Lösung der
kurdischen Frage seitens regierungsnaher Kräfte besser verstehen. Mit
diesen Aussagen lenkt und bestimmt Gülen die aktuelle Politik gegenüber
Kurden und anderen fortschrittlichen Bewegungen in der Türkei.

Als Folge von zahlreichen Verhaftungswellen wurden seit April 2009 mehr als
9800 politische Tätige festgenommen, über 6000 davon inhaftiert. Die
meisten von ihnen sind Mitglieder und AktivistInnen aus legalen Parteien
und zivilgesellschaftlichen Organisationen, darunter sechs gewählte
ParlamentarierInnen und 16 BürgermeisterInnen aus den Reihen der kurdischen
BDP, Vertreterinnen der Frauenbewegung, AnwältInnen, JournalistInnen etc.

Fast allen wird Mitgliedschaft in bzw. Unterstützung der KCK vorgeworfen.
KCK ist die Gemeinschaft der Gesellschaften Kurdistans« (Koma Civaken
Kurdistan), ein auf Initiative des inhaftierten PKK-Chefs Abdullah Öcalan
gebildeter Dachverband, der nach Ansicht der türkischen Staatsanwaltschaft
den städtischen Arm der Arbeiterpartei Kurdistans darstellen soll. Selbst
der Menschenrechtsbeauftragte des Bundestages, Markus Löhning, äußerte
erhebliche rechtsstaatliche Bedenken an diesen Prozessen und sagte: ...Nach
meiner Meinung ist das ein Versuch bestimmter Kreise den
Entspannungsprozess bezüglich der kurdischen Frage zu unterminieren.
Fundamentale Rechte werden bei dem KCK Verfahren verletzt…“.

Die Regierungen in Europa und insbesondere auch der BRD ziehen aus dieser
Kritik allerdings keinerlei Konsequenzen. Vielmehr leisten sie mit
Waffenlieferungen, sicherheitspolitischer Zusammenarbeit, einer aggressiven
Kolonialpolitik zur Aufteilung des Mittleren Ostens und einer neuen
europaweiten Repressionswelle ihren Beitrag zur Bekämpfung der kurdischen
Bewegung. Die Inhaftierungen nach §129b stehen in diesem Zusammenhang.
*
Als Solidaritätsbündnis setzen wir unsere Solidarität gegen ihre
Repression. *
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