[imc-presse] PM Strafanzeige gegen Erdogan - Völkerstrafgesetzbuch von der BAW zu Gesinnungsinstrument degradiert

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Thu Feb 2 12:20:34 CET 2012


Rechtsanwältin Britta Eder

Rechtsanwalt Dr. Heinz-Jürgen Schneider

MAF-DAD Verein für Demokratie und internationales Recht e.V.


 *Pressemitteilung*

Ressort: Innenpolitik

*Völkerstrafgesetzbuch von der Bundesanwaltschaft (BAW) zum
Gesinnungsinstrument degradiert - Buch zur Strafanzeige gegen Erdogan und
Weitere erscheint im Pahl-Rugenstein Verlag*

*Strafanzeige gegen Erdogan und Generalstabschefs abgelehnt. BAW spricht
Beschuldigten ohne weitere Prüfung Immunität zu. RechtsanwältInnen reichen
Einspruch ein. Buch zur Strafanzeige erscheint im Pahl-Rugenstein Verlag.*

Anfang November 2011 wurde von uns eine Strafanzeige nach dem
Völkerstrafgesetzbuch gegen führende türkische Politiker sowie die letzten
Generalstabschefs bei der Bundes-anwaltschaft (BAW) in Karlsruhe
eingereicht. Grundlage der Anzeige waren belegte, schwerwiegende
Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit - u.a. extralegale
Hinrichtungen, Totenschändung, Chemiewaffeneinsätze und militärische
Anschläge auf ZivilistInnen - gegen die kurdische Bevölkerung in der Türkei.

Erstattet wurde die Anzeige im Namen von Hinterbliebenen der Opfer dieser
Verbrechen und deutschen Persönlichkeiten aus Politik und Kultur. Darunter
befanden sich u.a. der Bundestagsabgeordnete Harald Weinberg und die
Stadträtin Marion Padua. Diese waren in der kurdischen Stadt Sirnak nur
knapp einem Bombenanschlag entgangen, der nach bisherigen Erkenntnissen von
Personen aus dem Bereich der türkischen Sicherheitskräfte verübt wurde.

Die für derartige Ermittlungsverfahren zuständige BAW hat nun mitgeteilt,
dass sie keine Ermittlungen aufnehmen will. Zur Begründung weist sie darauf
hin, dass eine inhaltliche Auseinandersetzung mit den auf mehr als 100
Seiten beschriebenen zehn Fällen, den vorgelegten Beweismitteln und dem
Hintergrundmaterial nicht vorgenommen wurde. Von der Einleitung eines
Verfahrens wurde vielmehr aus vermeintlich formalen Gründen abgesehen.
Begründet wurde dies - in sehr nachlässiger Weise - auf knapp zwei Seiten.

Aus der Begründung wird deutlich, mit welcher Motivation sich die BAW der
Strafanzeige nach dem Völkerstrafgesetzbuch gewidmet hat:

Offenbar wurden lediglich Vorwände gesucht, eine Verfolgung ablehnen zu
können. Gleichzeitig entbehrt die Begründung in großen Teilen jeder
juristischen und tatsächlichen Grundlage. Es drängt sich der Eindruck auf,
dass der Anzeigentext nicht einmal vollständig gelesen wurde.



   1.

   Ministerpräsident R.T. Erdogan wurde „uneingeschränkte“ Immunität
   zuerkannt

Ein derartiges Vorgehen widerspricht nicht nur der ständigen Rechtsprechung
und Praxis des Internationalen Strafgerichtshofs, sondern auch dem Anspruch
und den Zielen des Völkerstrafrechts sowie des deutschen
Völkerstrafgesetzbuches.

Mit dem Völkerstrafgesetzbuch von 2002 hat die Bundesrepublik Deutschland
u.a. das Ziel einen Beitrag zur Verfolgung schwerster Straftaten wie
Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder Kriegsverbrechen
leisten zu können, auch wenn der „Tatort“ nicht in Deutschland liegt.

Zu Ermittlungen und Anklagen auf Grundlage des Völkerstrafgesetzbuches kam
es bisher lediglich wenn es politisch opportun erschien - wie in den Fällen
von Beschuldigten aus Afrikanischen Staaten oder Ex-Jugoslawien. Anzeigen
gegen Politiker und hochrangige Militärs aus Nato-Staaten wurden hingegen
regelmäßig unter formalen Gesichtspunkten niedergeschlagen. Das betraf den
ehemaligen US-Verteidigungsminister D. Rumsfeld wegen seiner Verantwortung
für die Folterungen im Gefängnis von Abu Ghuraib genauso wie
Bundeswehr-Oberst Klein, der ein Massaker an Zivilisten im afghanischen
Kundus befohlen hatte.

In Kontinuität dazu steht die jetzige Ablehnung von Ermittlungen gegen
Erdogan und Weitere. Die engen deutsch-türkischen Beziehungen im Bereich
Politik, Wirtschaft, Militär, Rüstung und Sicherheit sind der offenbare
Grund für die „schützende Hand“ gegenüber den für Kriegsverbrechen
verantwortlichen.

Das Ziel des internationalen Strafrechts und seiner diversen Gerichtshöfe
ist jedoch gerade, dass Staats- und Regierungsämter oder hohe militärische
Kommandoposten, keinen Schutz vor Strafverfolgung genießen sollen.

„Die Gleichheit aller vor dem Gesetz ist eine Grundvoraussetzung einer
demokratischen Rechtsordnung. Eine politisch motivierte Abweichung davon
widerspricht dem Ziel einer internationalen Strafverfolgung und stellt
faktisch einen Freibrief für die Zukunft dar,“ kommentiert Rechtsanwalt
Heinz-Jürgen Schneider.



   1.

   Hinsichtlich der weiteren Personen (Verteidigungsminister und
   Generalstabschefs) ist nach § 153f Abs. 1 Satz 1 StPO von der Verfolgung
   abgesehen worden, da zu erwarten sei, dass sich die Beschuldigten in
   Zukunft lediglich „auf amtliche Einladung der Bundesregierung im
   Bundesgebiet aufhalten werden.“ Deshalb könnten sie nach § 20
   Gerichtsverfasssungsgesetz (GVG) für die Dauer ihres Aufenthalts nicht
   verfolgt werden.


 Ein Absehen von Verfolgung nach § 153f StPO ist allerdings nur dann
möglich, wenn Deutsche weder als Täter noch als Opfer an den Taten
beteiligt sind. Hier lässt die Bundesanwaltschaft nicht nur jede
Auseinandersetzung damit vermissen, dass mit dem MdB Harald Weinberg und
der Stadträtin Marion Padua gerade auch Bundesbürger geschädigte
AnzeigeerstatterInnen sind. Die BAW verkennt zusätzlich, dass die
Beschuldigten sich z.B. auf der jährlich stattfindenden
Sicherheitskonferenz in München nicht auf amtliche Einladung in der BRD
aufhalten, da diese privat organisiert und keine offizielle
Regierungsveranstaltung ist.

„Wir werden Einspruch gegen diese politisch motivierte Ablehnung von
Ermittlungen nach dem Völkerstrafgesetzbuch einlegen. Die juristische
Auseinandersetzung darum, dass die Verantwortlichen aus der Türkei zur
Verantwortung gezogen werden, wird fortgesetzt,“ kommentiert Rechtsanwältin
Britta Eder.

Nach Einreichung der Anklage ist es zu weiteren schweren Kriegsverbrechen
gekommen - berichtet wird u.a. vom Einsatz von verbotenen Kampfmitteln und
der Bombardierung von Zivilisten - bei denen insgesamt mehr als 70 Menschen
starben.

Am 2. Februar erscheint im Pahl-Rugenstein Verlag das Buch zur Strafanzeige
unter dem Titel: „Kriegsverbrechen in der Türkei - Strafanzeige nach dem
Völkerstrafgesetzbuch gegen Ministerpräsident Erdogan und die türkischen
Generalstabschefs“- ISBN Nr.: 987-3-89144-501-3.

Weitere Informationen und den Wortlaut der Anzeige finden sie auf der Seite

*www.kriegsverbrechen-tuerkei.info*

*Für Rückfragen stehen wir jederzeit gerne unter der Tel. Nummer 0176 - 207
05 646 zur Verfügung*
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