[imc-presse] RAV-Presseerklärung: Funkzellenabfrage in Dresden war nicht zu rechtfertigen!

Kanzlei Hummel Kaleck kanzlei at diefirma.net
Wed Sep 14 16:32:43 CEST 2011


Pressemitteilung des Republikanischen Anwältinnen- und Anwältevereins
e.V. vom 14. September 2011 zu den Funkzellenabfragen im Februar 2011 in
Dresden


Funkzellenabfrage bei Versammlungen ist nicht zu rechtfertigen


„Es ist ungeheuerlich, dass die sächsische Landesregierung die
Funkzellenabfragen immer noch verteidigen lässt. Grundrechte und
rechtsstaatliche Prinzipien werden ignoriert, damit Polizei und Justiz
ihre offensichtlichen Fehler nicht eingestehen müssen.“ Mit diesen
Worten kommentiert Rechtsanwalt Martin Heiming, Vorsitzender des RAV,
das im Auftrag des sächsischen Innenministeriums erstellte Gutachten
des Berliner Professors Ulrich Battis.

„Der Totalerfassung einer vom Grundgesetz geschützten Versammlung stand
eine äußerst geringe Wahrscheinlichkeit der Aufklärung von 23 Straftaten
gegenüber“ stellt Heiming fest. „Die Funkzellenabfragen können daher nur
als unverhältnismäßig und rechtswidrig bezeichnet werden. Andernfalls
ließe sich mit der Begründung von Herrn Battis jedes polizeiliche Mittel
rechtfertigen.“

Das Gutachten verkennt gänzlich die Rechtsprechung des
Bundesverfassungsgerichts zur Bedeutung der Versammlungsfreiheit, wenn
es die vollständige datenmäßige Erfassung einer Versammlung für zulässig
hält. Dies gilt insbesondere auch angesichts des damit verbundenen
Einschüchterungseffekts auf tausende von Teilnehmenden. Dass sich mit
der Funkzellenabfrage aber überhaupt eine der verfolgten Taten aufklären
lässt, erscheint zudem mehr als zweifelhaft. Die Polizei hat bis heute
nicht erklärt, wie sie aus den mehreren Tausend festgestellten
Anschlussinhabern die Täter ermitteln will. Wenn eine Maßnahme aber kaum
erfolgversprechend ist, muss dies auch bei der Prüfung ihrer
Angemessenheit berücksichtigt werden. Dies unterbleibt in dem Gutachten.
Schließlich untersucht das Gutachten die Angemessenheit auch nur
bezüglich der Funkzellenabfrage der PD Sachsen für den 19. Februar 2011
und damit nur für einen Teil der angeordneten Funkzellenabfragen.

Zur in dem Gutachten ebenfalls erörterten Gewaltenteilung stellt Heiming
klar: „Dass der zuständige Ermittlungsrichter dem rechtswidrigen
Begehren der Staatsanwaltschaft stattgegeben hat, ändert nichts an der
Unverhältnismäßigkeit der Maßnahme. Es verdeutlicht vielmehr, welche
Stimmung rund um den 19. Februar 2011 in Dresden geherrscht hat, wenn
weder Polizei und Staatsanwaltschaft noch der Ermittlungsrichter die
evidente Rechtswidrigkeit der Maßnahmen erkennen konnten oder wollten
und diese bis heute verteidigen. In Sachen Grundrechte besteht in
Dresden offenbar erheblicher Bedarf für Nachschulungen.“


Der Vorgang macht deutlich, welch geringe Kontrollwirkung der
Richtervorbehalt in der Praxis hat. Dies ist auch durch
wissenschaftliche Forschung belegt. Verantwortlich hierfür ist u. a. die
weitverbreitete Praxis der Staatsanwaltschaften, die Anordnungen für die
Gerichte so vorzubereiten, dass diese nur noch abgezeichnet werden
müssen. „Es ist Aufgabe des Gerichts und nicht der Staatsanwaltschaft,
Beschlüsse zu verfassen“, so Heiming. „Der Richtervorbehalt soll gerade
sicherstellen, dass sich ein Richter selbst eingehend mit der Sache
befassen. Die skandalöse Praxis der vorformulierten Beschlüsse muss ein
Ende haben.“

Von der Funkzellenabfrage waren auch Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte
des RAV betroffen. Die Staatsanwaltschaft verweigert den Betroffenen
bisher jede Auskunft über Art und Umfang der erhobenen Daten. Die
Rechtmäßigkeit der Auskunftsverweigerung wird zurzeit vom Amtsgericht
Dresden überprüft.

Der RAV fordert:

•	Vollständige Aufklärung über die Verwendung der erhobenen Daten,
insbesondere, ob die Daten mit anderen Datenbeständen abgeglichen und zu
Präventivzwecken gespeichert wurden.
•	Sofortige Benachrichtigung aller Betroffenen, deren Bestandsdaten
festgestellt wurden, sowie Gewährung von Akteneinsicht.
•	Wirksame Mittel zur Begrenzung und Kontrolle sonstiger heimlicher
Ermittlungsmaßnahmen.


Für Rückfragen wenden stehen Ihnen die RAV-Vorstandsmitglieder
Rechtsanwalt Peer Stolle und Rechtsanwalt Sönke Hilbrans telefonisch zur
Verfügung (Tel 030/4467920).




Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein e.V.
Greifswalder Straße 4, 10405 Berlin
Tel.: 030/41723555
Fax: 030/41723557

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