[imc-presse] Pressemitteilung: Kein Asylgefängnis auf dem Willy-Brandt-Flughafen in Schönefeld!

RAV e.V. gs at rav.de
Fri Oct 14 08:45:37 CEST 2011


Pressemitteilung am 14. Oktober 2011
  Innenpolitik/Flüchtlinge

WAS WüRDE DER FLüCHTLING WILLY BRANDT DAZU SAGEN?
  KEIN ASYLGEFäNGNIS AUF DEM WILLY-BRANDT-FLUGHAFEN IN SCHöNEFELD!

  Auf dem neuen Großflughafen in Schönefeld wird ein Gefängnis für
Flüchtlinge gebaut, deren Asylantrag im sogenannten Flughafenverfahren
bearbeitet werden soll. Die Flüchtlingsräte Berlin und Brandenburg und der
Republikanische Anwältinnen- und Anwälteverein protestieren dagegen scharf.

  Für Flüchtlinge, die bei der Einreise Asyl beantragen, wird auf dem neuen
Groß-Flughafen Willy-Brandt ein Gefängnis gebaut ? das geht aus der Antwort
der Potsdamer Landesregierung auf eine parlamentarische Anfrage der
Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hervor.1 Die Landesregierung rechnet mit 300
Fällen pro Jahr.

  Die Hafteinrichtung soll 30 Plätze haben. Selbst Kinder sowie
alleinreisende minderjährige Flüchtlinge sollen hier eingesperrt werden.
Betreiber der Haftanstalt wird die Zentrale Ausländerbehörde Brandenburgs,
die soziale Betreuung wird privatisiert und an die Wachschutzfirma B.O.S.S.
übertragen; eine Ausschreibung ist nicht erfolgt. Politisch verantwortlich
für Bau und Betrieb der Haftanstalt zeichnen Bundesregierung und die Länder
Berlin und Brandenburg gleichermaßen, die auch den Flughafen gemeinsam
betreiben.

FRAGWüRDIG, HöCHST UMSTRITTEN....
  Mit der massiven Einschränkung des Grundrechts auf Asyl 1993 wurde
gesetzlich festgelegt, dass Flüchtlinge, die am Flughafen Asyl beantragen,
für das Asylverfahren inhaftiert werden können. Eigens für sie wurde ein
extrem verkürztes Asylverfahren eingeführt: Gleich nach der Ankunft werden
die Flüchtlinge verhörartig nach ihren Asylgründen befragt. Binnen zwei
Tagen entscheidet das Bundesamt (BAMF) über den Asylantrag. Nur binnen
weiterer drei Tage können die Asylbewerber aus der Haft heraus eine
schriftlich begründete Klage gegen die Asylablehnung einreichen. Wird der
Asylantrag weiterhin abgelehnt, verbleiben die Asylsuchenden - ggf. über
viele Monate - bis zur Abschiebung in der Haftanstalt, bis sich ein zur
Rücknahme bereiter Staat findet. Als ?hastig, unfair, mangelhaft?
bezeichnet Pro Asyl das Verfahren nach Auswertung von Verfahrensakten aus
Frankfurt/Main.2

  Das Grundgesetz schreibt für jede Freiheitsentziehung die
schnellstmögliche Überprüfung durch ein Gericht normalerweise noch am
selben Tag vor, nur im Flughafengefängnis ist keine solche richterliche
Haftprüfung vorgesehen. Es handle sich nämlich gar nicht um eine
Inhaftierung, so die zynische Begründung des Gesetzgebers, da ein
"luftseitiges Verlassen" jederzeit möglich sei.

....UND UMGEHBAR
  Auf den meisten deutschen Groß-Flughäfen wird auf das extrem teure und
umstrittene Flughafenverfahren verzichtet, weil es nur durchgeführt werden
muss, wenn es eine geeignete Unterkunft im Sinne des Paragrafen 18a
Asylverfahrensgesetz gibt. Berlin-Tegel, Stuttgart, Köln/Bonn und Hannover
führen keine Flughafenverfahren durch. In Berlin-Schönefeld gab es bisher
nur ein bis zwei Fälle pro Jahr. Marginal sind die Zahlen auch für Hamburg,
München und Düsseldorf. Nur in Frankfurt am Main werden bis zu ca. 300
Verfahren pro Jahr durchgeführt.3 Die Prognose von 300 Fällen pro Jahr für
den Flughafen BBI Willy Brandt entbehrt somit jeder Grundlage.
Offensichtlich handelt es sich um ein politisches Prestigeprojekt, für das
andere Motive ausschlaggebend sind.

DIE INHAFTIERUNG SCHUTZSUCHENDER UND IHRER KINDER SOWIE DIE FAKTISCHE
VERWEIGERUNG VON RECHTSSCHUTZ GEGEN ASYLABLEHNUNGEN HALTEN WIR FüR
UNVEREINBAR MIT DEM GRUNDGESETZ UND DER UN-KINDERRECHTSKONVENTION. DAS
FLUGHAFENASYLVERFAHREN MUSS AUS MENSCHENRECHTLICHEN UND RECHTSSTAATLICHEN
GRüNDEN ABGESCHAFFT WERDEN.4

  WIR FORDERN BERLIN UND BRANDENBURG SOWIE DIE BUNDESREGIERUNG AUF, AUF BAU
UND BETRIEB EINER HAFTANSTALT FüR ASYLBEWERBER AUF DEM FLUGHAFEN WILLY
BRANDT ZU VERZICHTEN. SCHUTZSUCHENDEN IST WIE IN BERLIN-TEGEL DIE EINREISE
ZUR DURCHFüHRUNG EINES REGULäREN ASYLVERFAHRENS ZU ERMöGLICHEN.

  Pressekontakt:

  Georg Classen, Flüchtlingsrat Berlin e.V., Tel: 0179-4735393
  Marcus Reinert, Flüchtlingsrat Brandenburg e.V., Tel: 0151-50724851
  Rechtsanwältin Berenice Böhlo, Republikanischer Anwältinnen- und
Anwälteverein e.V., Tel:  030 / 62987720

  1 Drs. 5/4096 v. 4.10.2011,
www.parldok.brandenburg.de/parladoku/w5/drs/ab_4000/4096.pdf[1]
  2 "Hastig, unfair, mangelhaft"
www.proasyl.de/fileadmin/fm-dam/q_PUBLIKATIONEN/Hastig_unfair_mangelhaft.pdf[2]
  3 Zahlen vgl. BT-Drs. 16/12742
http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/16/127/1612742.pdf
  4 Vgl zur Kritik:
  "Die Angst gehört zu meinem Alltag"
www.proasyl.info/texte/mappe/2000/41/7.pdf[3],
  "Das ist rechtswidrige Haft für Kinder"
www.fluechtlingsinfo-berlin.de/fr/pdf/Ffm_Haft_fuer_Kinder.pdf[4],
  "Warum das Flughafenverfahren abgeschafft werden sollte"
www.caritas-frankfurt.de/77952.html[5]

  Flüchtlingsrat Berlin e.V.
  Georgenkirchstraße 69/70              
  10249 Berlin
  Tel.: 030/24344-5762, Fax: -5763 
buero at fluechtlingsrat-berlin.de

  Flüchtlingsrat Brandenburg e.V.
  Rudolf-Breitscheid-Straße 164
  14482 Potsdam
  Tel.: 0331/ 71 64 99
info at fluechtlingsrat-brandenburg.de

  Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein e.V.
  Haus der Demokratie und Menschenrechte
  Greifswalder Straße 4
  10405 Berlin
kontakt at rav.de

  ---

Sigrid v. Klinggräff
   RAV-Geschäftsstelle
   Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein e. V.
   Haus der Demokratie und Menschenrechte
   Greifswalder Straße 4 | 10405 Berlin
   Tel +49 (0)30 417 235 55 | Fax +49 (0)30 417 235 57
mailto:kontakt at rav.de | www.rav.de
   VR 25942 B, Nr. 1, AG Charlottenburg, Bln
   Mo, Di, Do, Fr 10:00 - 16:00


Links:
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[1] http://www.parldok.brandenburg.de/parladoku/w5/drs/ab_4000/4096.pdf
[2]  
http://www.proasyl.de/fileadmin/fm-dam/q_PUBLIKATIONEN/Hastig_unfair_mangelhaft.pdf
[3] http://www.proasyl.info/texte/mappe/2000/41/7.pdf
[4] http://www.fluechtlingsinfo-berlin.de/fr/pdf/Ffm_Haft_fuer_Kinder.pdf
[5] http://www.caritas-frankfurt.de/77952.html
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