[imc-presse] [Pressemitteilung] PM: Verwaltungsgerichturteilt zu Militäreinsatz bei G8-Camp 2007

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Fri Dec 16 22:11:04 CET 2011


Camp-AG der Gipfelproteste beim G8-Gipfel in Heiligendamm
Pressemitteilung vom 16.12.2011

Militäreinsatz bei G8-Camp 2007: Verwaltungsgericht Schwerin erklärt
Grundrechtseinschränkungen durch Tornado-Überflüge für belanglos

Mit scharfer Kritik reagieren die in der Camp-AG zusammengeschlossenen
Organisator_innen des ehemaligen G8-Protestcamps in Reddelich auf das heutige Urteil
des Verwaltungsgerichts Schwerin über eine Klage gegen die damaligen Überflüge von
Tornado-Kampfflugzeugen der Luftwaffe.
Das Verwaltungsgericht sprach den drei Kläger_innen aus dem damaligen G8 Protest-Camp
Reddelich ein Rechtsschutzinteresse ab.

Bei dem damaligen Tornadoeinsatz hatten Flugzeuge der Luftwaffe mehrmals das
G8-Protestcamp in Reddelich überflogen. Die Polizei begründete den Einsatz
militärischer Mittel im Inland damit, dass mit den von der Luftwaffe angefertigten
Luftbildaufnahmen angeblich sich im Camp befindliche Erddepots mit Waffen ausfindig
gemacht werden sollten.
Dies entpuppte sich schon wenige Tage nach dem Gipfel als gezielte Lüge der
Einsatzleitung. Auf den damals in vielen Tageszeitungen abgebildeten Fotos waren
keine Bilder von Erdbewegungen zu sehen, sondern lediglich Aufnahmen von
verschiedenen im Camp diskutierenden Personengruppen.
Diese waren z. T. so scharf, dass einzelne Personen identifiziert werden konnten.
Trotz des eindeutig rechtswidrigen Überwachungscharakters des Militäreinsatzes wurde
diese Tatsache vom Gericht wegen angeblich zu geringer Beeinträchtigung ihrer
Grundrechte als unwichtig beiseite geschoben. „Wenn diese Argumentation Schule macht,
wird der Rechtsschutz gegen polizeiliche und militärische Überwachungsmaßnahmen  bei
Großereignissen empfindlich eingeschränkt.“ so der Anwalt der Kläger, Sönke Hilbrans.

Die Kläger_innen kritisierten neben der Verletzung des Rechts auf informationelle
Selbstbestimmung auch den von vielen Demonstrierenden als einschüchternd
wahrgenommenen Tornadoüberflug als so massiv, dass sie sich in ihrem nach Artikel 8
GG geschützten Versammlungsrecht beeinträchtigt sahen. Sie bezogen sich dabei auf ein
Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BverfGE 69, 315[346]...), nachdem sich der in
Versammlungen zum Ausdruck kommende "politische Willensbildungsprozess frei, offen,
unreglementiert und grundsätzlich „staatsfrei“ vollziehen müsse. Überwachung und
Registrierung beeinträchtigen die Durchführung einer Versammlung.“

Mit seiner heutigen Entscheidung hat sich das Verwaltungsgericht gegen diesen
allgemein anerkannten verfassungsrechtlichen Grundsatz positioniert. Außerdem
begründete das Gericht ein fehlendes Rechtsschutzinteresse auch damit, dass es sich
bei dem Tornadoüberflug beim G8 Gipfel in Heiligendamm um ein singuläres Ereignis
handele, dass sich nicht wiederholen würde.
„Das Verwaltungsgericht stellt das Rechtssystem auf den Kopf, wenn es Unrecht immer
dann für belanglos hält, falls es voraussichtlich kein zweites Mal eintritt“, so
Dieter Rahmann, einer der drei Kläger_innen und damaliger Pächter der Fläche des
Camps Reddelich. „Der Polizei wird mit solchen Urteilen eine Generalvollmacht zur
Einschränkung von Grundrechten bei Großveranstaltungen, wie Gipfeltreffen an die Hand
gegeben,“ so Rahmann weiter.

„Mit dem Urteil hat sich zugleich erneut ein Gericht geweigert, einen
verfassungswidrigen Bundeswehreinsatz im Innern für rechtswidrig zu erklären. Im
Ergebnis soll den Betroffenen der Rechtsschutz gegen diese Bundeswehreinsätze
weiterhin entzogen bleiben", so Hilbrans.
„Es passt ins Bild, dass die Richter, wenn überhaupt, nur die grundrechtskonforme
Anwendung der Polizeigesertze von MV überprüfen wollten. Das völlige Desintetresse
der Richter an der Frage, ob der Einsatz von Militär grundsätzlich rechtens sei,
weicht die verfassungsrechtlich garantierte Trennungslinie zwischen polizeilichem und
militärischem Handeln noch mehr auf,“ so Rahmann abschließend.
Die Camp-AG überprüft die Einlegung von Rechtsmitteln gegen das Urteil.

Kontakte:
Camp-AG, Dieter Rahmann Tel.: 0176-94369425
Anwaltskontakt über Camp-AG
Verwaltungsgericht Schwerin: Tel.: 0385-54040
AZ des Verfahren 1 A 1180/07

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