[imc-presse] Offener Brief an R.T. Erdogan, Abdullah Gül, Angela Merkel, Guido Westerwelle und Sabine Leutheusser-Schnarrenberger

Martin Dolzer humanrights.letter at googlemail.com
Fri Jun 18 10:37:01 CEST 2010


Sehr geehrte Damen und Herren,

anbei ein offener Brief mehrerer Abgeordneter und Wissenschafler,
bezüglich gravierender Menschenrechtsverletzungen in der Türkei,

für Rückfragen stehen wir gerne unter der Tel. Nr. 0176/20705646 zur
Verfügung

    *Offener Brief an *

*den Ministerpräsidenten der Republik Türkei, Herrn Recep Tayyip Erdogan,
den Staatspräsidenten der Türkei, Herrn Abdullah Gül,*

*den Innenminister der Türkei Herrn Besir Atalay,*

*die Bundeskanzlerin, Frau Dr. Angela Merkel,*

*den Außenminister der Bundesrepublik Deutschland, Herrn Guido Westerwelle *

*und *

*die Justizministerin der Bundesrepublik Deutschland, *

*Frau Sabine Leutheusser-Schnarrenberger *



*Zur Kenntnis an sämtliche Abgeordnete des Deutschen Bundestages, die
Deutsche Botschaft in Ankara und die Menschenrechtsorganisationen Amnesty
International und Human Rights Watch.*

* *

Sehr geehrter Herr Ministerpräsident Erdogan, sehr geehrter Staatspräsident
Herr Gül, sehr geehrter Herr Innenminister Atalay, sehr geehrte Frau
Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel, sehr geehrter Herr Außenminister
Westerwelle, sehr geehrte Frau Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger,



mit großer Besorgnis mussten wir feststellen, dass in der Türkei am
Mittwoch, dem 09.06.2010 in der Provinz Hakkari mehrere verantwortliche
Politikerinnen und Politiker aus den Reihen der legalen Partei BDP und eine
Journalistin, unserer Kenntnis nach ohne rechtliche Legitimation,
festgenommen worden sind. Sie erhielten am Morgen des 13.06. Haftbefehle.
Gleichzeitig wurde am 13.06. der Vorsitzende des Hilfsvereins für die
Familien der "Verschwundenen" Mikail Atan festgenommen, als er von einer
Reise zurückkehrte.



Seit die kurdische Bevölkerung parlamentarisch in der Türkei vertreten ist,
werden immer wieder Parteien verboten und Politikerinnen und Politiker
festgenommen oder inhaftiert. Das betraf die Parteien HEP, DEP, HADEP, DEHAP
und DTP, sowie Politikerinnen und Politiker der BDP. Letztere sind seit
ihrer Gründung ebenfalls mit starken Repressionen konfrontiert. Aus den
Reihen der DTP und BDP sowie zivilgesellschaftlichen Organisationen befinden
sich momentan mehr als 1500 Menschen z.T. ohne Anklage in Haft. Das
Europaparlament und Regierungen kritisierten ein derartiges Vorgehen seit
den 90er Jahren. In Stellungnahmen des Europaparlaments und von Parlamenten
der Mitgliedsstaaten wird stets hervorgehoben, dass jede dieser Parteien
sich ausschließlich im legalen Rahmen betätigt(e) und auf eine friedliche
und demokratische Lösung des türkisch-kurdischen Konflikts hinarbeitet(e).
Demzufolge wurden und werden auch die angesprochenen Repressionen scharf
kritisiert.Die türkische Regierung wurde seitens der genannten Gremien und
der EU - Beitrittskommission bereits mehrfach aufgefordert, das Recht auf
Vereinigung (Art. 11 der Europäischen Menschenrechtskonvention / EMRK -
Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit) einzuhalten.



Die Inhaftierung der beiden  BDP Kreisvorsitzenden M. Sıddık Akış und
Berivan Akboğa, der Mitarbeiterin und des Mitarbeiters im BDP Büro, İzzet
Belge und Baki Özboğanlı, des BDP Vorsitzenden von Hakkari Stadt Seyithan
Şahindas, des Stadtratsmitglieds  Tahir Koç, des ehemaligen BDP
Kreisvorsitzenden von Hakkari Hıvzullah Kansu, des Mitglieds der BDP
Kreisleitung Hüsna Sağın, der BDP Kreisleiterin Fatma Duman und der
Korrespondentin der Nachrichtenagentur DİHA Hamdiye Çiftçi widersprechen dem
genannten Artikel Art. 11 EMRK, sowie dem Art. 5 der EMRK - Recht auf
Freiheit und Sicherheit.



Die zur gleichen Zeit festgenommene Journalistin Hamdiye Ciftci wurde seit
mehreren Jahren wiederholt von Sicherheitskräften bedroht. Sie ist u.a. für
ihre Reportagen über Menschenrechtsverletzungen bekannt. Besonders in den
letzten Monaten werden Pressefreiheit und das Recht auf freie
Meinungsäußerung (Art. 10 EMRK - Freiheit der Meinungsäußerung) in der
Türkei zunehmend eingeschränkt. Ein türkisches Gericht verurteilte den
 Journalisten
der kurdischsprachigen Zeitung Azadiya Welat *Vedat Kurşun zu* 166 Jahren
und 6 Monaten Haft. Im Jahr 2009 wurden insgesamt 36 Journalistinnen und
Journalisten inhaftiert, 44 Mal wurde die Verbreitung von Zeitungen,
Magazinen oder Fernsehsendungen zeitweise verboten. Immer wieder werden
Journalisten von Sicherheitskräften misshandelt oder mit Folter oder dem Tod
bedroht. Ein solches Vorgehen verstößt gegen Art. 3 EMRK - Verbot der
Folter, sowie Art. 2 EMRK - Recht auf Leben.



In den letzten Wochen wurden darüber hinaus friedliche
Friedensdemonstrationen von Sicherheitskräften angegriffen und
Teilnehmerinnen und Teilnehmer, darunter Parlamentsabgeordnete und
Journalistinnen und Journalisten, teilweise schwer verletzt. Auch bei den
oben genannten Festnahmen kam es zu Drohungen und gewalttätigen Übergriffen
(Verstöße gegen Art. 3 EMRK sowie Art. 11 EMRK) und gewalttätigen
Übergriffen, in einem Fall sogar gegenüber einem 3 jährigen Kind (Verstöße
gegen Art. 3 EMRK sowie die UN- Kinderrechtsresolution).  Ein solches
Agieren sehen wir mit großer Besorgnis. In übereinstimmenden Schilderungen
der türkischen Presse und von Menschenrechtsorganisationen wird das Vorgehen
der Sicherheitskräfte als übertrieben gewalttätig und unverhältnismäßig
charakterisiert. Mit Betroffenheit müssen wir feststellen, dass sich daher
der Eindruck aufdrängt, dass die politisch gewählte Vertretung der
kurdischen Bevölkerung, u.a. unter Missbrauch des Anti-Terror Gesetzes
(TMK),  mundtot gemacht und die Bevölkerung eingeschüchtert werden soll.



Ohne die Einhaltung der in den Art. 2, Art. 3, Art. 10 und Art 11
gesicherten Rechte und der UN Kinderrechtsresolution, wird es kaum möglich
sein, auf einen langfristigen Frieden in der Türkei hinzuarbeiten.  Wir
werden mit besonderer Aufmerksamkeit die weiteren Entwicklungen, vor allem
in Bezug auf die oben genannten Fälle, insbesondere unter juristischen und
menschenrechtlichen Gesichtspunkten beobachten.



*Wir bitten Sie, sehr geehrter Herr Ministerpräsident Erdogan, sehr geehrter
Herr Staatspräsident Gül, sehr geehrter Innenminister Herr Atalay, sehr
geehrte Frau Bundeskanzlerin Merkel, sehr geehrter Herr Außenminister
Westerwelle und sehr geehrte Frau Justizministerin
Leutheusser-Schnarrenberger, mit positivem Bezug auf die Menschenrechte und
das Völkerrecht, sich im Rahmen ihrer Möglichkeiten, mit allen ihnen zur
Verfügung stehenden Mitteln, für die sofortige Freilassung der benannten
Personen einzusetzen.*

* *

*Darüber hinaus bitten wir sie darum ihr politisches Handeln auf eine
friedliche Lösung des türkisch - kurdischen Konfliktes zu konzentrieren und
in ihren jeweiligen Tätigkeitsbereichen auf eine Einhaltung der
Menschenrechte und des Völkerrechtes hinzuwirken. *

* *

* *

*Andrej Hunko*, Mitglied der parlamentarischen Versammlung des Europarates,
MdB

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* *

*Ulla Jelpke*, Mitglied des Bundestags; MdB

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* *

*Prof. Dr. Norman Paech*, Völkerrechtler, ehem. MdB



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*Anna Conrads, *MdL von Nordrhein-Westfalen

* *

* *

*Hamide Akbayir, *MdL von Nordrhein-Westfalen

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* *

*Ali Atalan, *MdL von Nordrhein-Westfalen, Friedenspolitischer Sprecher der
Fraktion "Die Linke"



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*Christiane Schneider,* MdBürg. - Bürgerschaftsabgeordnete (Hamburger
Landtag)

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* *

*Martin Dolzer,* Soziologe

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*Michael Knapp,* Historiker

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*Britta Eder,* Rechtsanwältin

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*Christian Jakob,* Journalist
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