[imc-presse] Pressemitteilung_Staatenimmunität für NS-Kriegsverbrechen

RAV e.V. gs at rav.de
Tue Apr 27 11:11:39 CEST 2010


Sehr geehrte Damen und Herren,

 

zu dem vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag anhängigen Verfahren
um die „Staatenimmunität für NS-Kriegsverbrechen“ geben wir die
Pressemitteilung der Anwältinnen und Anwälte der NS-Opfer aus Italien und
Griechenland bekannt, die Beteiligung an dem Verfahren und Abweisung der
Klage Deutschlands gegen Italien verlangen.

 

Der Vorstoß der Anwälte und Anwältinnen (darunter zwei Mitglieder des RAV)
wird vom RAV ausdrücklich begrüßt. Der Verein tritt dem Ansinnen, die Opfer
und Angehörigen von völkerstrafrechtlichen Verbrechen rechtlos zu stellen,
entschieden entgegen und streitet für eine umfassende Entschädigung aller
NS-Opfer.

Weitere Hintergrundinformationen finden Sie auch unter
http://www.rav.de/projekte/keine-staatenimmunitaet-fuer-kriegsverbrechen/.

 

Mit freundlichen Grüßen

 

Sigrid v. Klinggräff

RAV-Geschäftsstelle



 

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Pressemitteilung


 

Internationaler Gerichtshof in Den Haag: 

Keine Staatenimmunität für NS-Kriegsverbrechen

NS-Opfer verlangen Beteiligung am Verfahren und Abweisung der Klage
Deutschlands gegen Italien 

 

Mit einem heute in Den Haag eingereichten Schriftsatz fordern Anwältinnen
und Anwälte aus Griechenland, Italien und Deutschland eine Beteiligung ihrer
Mandanten in dem Verfahren „Bundesrepublik Deutschland vs. Republik Italien“
und eine Abweisung der Klage.

 

Am 23.12.2008 erhob die deutsche Regierung Klage vor dem Internationalen
Gerichtshof in Den Haag (Völkerrechtsgerichtshof der UNO). In dem Verfahren
geht es um die grundlegende Frage, ob von Verbrechen Nazi-Deutschlands
betroffene Menschen das Recht haben, direkt gegen Deutschland auf
Entschädigung zu klagen und ihre Ansprüche gegen deutsches Staatseigentum –
auch im Ausland - zu vollstrecken. Deutschland will mit der Klage den
italienischen Staat zwingen, solche Gerichtsverfahren in Italien zu stoppen
und die Vollstreckung bereits ergangener Entscheidungen zu verhindern.

 

Um folgende Fälle geht es in Den Haag:

 

Der ehemalige NS-Zwangsarbeiter Luigi Ferrini wurde am 4.8.1944 in ein
deutsches Konzentrationslager deportiert, wo er Zwangsarbeit in der
Rüstungsindustrie leisten musste. Über seine Klage auf Entschädigung wurde
in Italien noch nicht rechtskräftig entschieden.

 

Im Fall des am 10. Juni 1944 von deutschen SS-Einheiten verübten Massakers
an 218 Bewohnerinnen und Bewohnern des griechischen Dorfes Distomo haben
Klagen in Griechenland bereits im Jahr 2000 zu einem rechtskräftigen
Entschädigungsurteil gegen Deutschland über 28 Millionen Euro geführt.
Gezahlt wurde nichts. Auf Antrag der griechischen Kläger wurde allerdings
die Vollstreckbarkeit des Urteils in Italien anerkannt. Zur Sicherung der
Ansprüche der Kläger wurden auf Anweisung eines römischen Gerichtes die
Erlöse der Deutschen Bahn AG beschlagnahmt. Sie muss seit März 2009 auf alle
Einnahmen aus dem Fahrkartenverkauf für Zugstrecken von Italien nach
Deutschland verzichten. 

 

Die Anwältinnen und Anwälte fordern die Beteiligung ihrer Mandanten am
Verfahren vor dem Internationalen Gerichtshof, vor dem grundsätzlich nur
Staaten als Prozessparteien zugelassen sind. Weder Italien und schon gar
nicht Deutschland geht es in dem Verfahren um die Wahrung der Rechte der
Betroffenen. Es geht um Politik, Macht und um den Versuch, es bezüglich der
Vergangenheitsbewältigung im Wesentlichen bei schönen Worten zu belassen.
Die Juristen weisen nach, dass die notwendige Berücksichtigung der
rechtlichen Interessen der Opfer der NS-Verbrechen nur über eine direkte
Beteiligung mit Antrags- und Gehörsrecht gewährleistet werden kann.

 

Die Bundesrepublik Deutschland als Rechtsnachfolgerin des Deutschen Reiches
will ihre Rechtsansicht durchgesetzt wissen, wonach sie durch die
„Staatenimmunität“ vor solchen individuellen Entschädigungsprozessen
geschützt sei. Italiens Gerichte haben allerdings mehrfach die Rechtsansicht
der Anwälte bestätigt, dass das Privileg der Staatenimmunität nicht auf
Fälle gemeiner Menschenrechtsverbrechen, wie sie Nazi-Deutschland u.a. in
Distomo begangen hat, anzuwenden ist. 

 

In Den Haag werden mit diesem Verfahren nicht nur Rechtsfragen für
Sachverhalte aus der Vergangenheit geklärt werden. Die Entscheidung
verspricht eine hohe Brisanz für die aktuellen kriegerischen
Auseinandersetzungen, in denen aufgrund verbrecherischer Einsätze
Militärangehöriger Zivilpersonen zu Schaden gekommen sind, wie z.B. in dem
ohne UN-Mandat geführten Kosovokrieg oder bei dem von Oberst Klein
befohlenen Luftangriff in Kundus.

 

Athen/Florenz/Hamburg, den 27.4.2010

 

Rechtsanwalt Joachim Lau, Florenz

Rechtsanwältin Kelly Stamoulis, Athen

Rechtsanwältin Gabriele Heinecke, Hamburg

Rechtsanwalt Martin Klingner, Hamburg

 

Kontakt Florenz: RA Joachim Lau 0039/0552398546

Kontakt Hamburg: RA Martin Klingner 0049/40/4396002

 

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Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein e. V. 

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