[imc-presse] 3. Dezember 2009: Menschenrechtsschutz oder Staatenimmunität?

M. Daniljuk daniljuk at rav.de
Tue Dec 1 15:54:39 CET 2009


Sehr geehrte Damen und Herren,

hiermit möchten wir auf eine gemeinsame Veranstaltung des RAV und des  
ECCHR hinweisen und Sie dazu herzlich einladen:

Menschenrechtsschutz oder Staatenimmunität? Die Klage Deutschlands  
gegen Italien vor dem Internationalen Gerichtshof

03. Dezember 2009, 18:00 bis 21:30 Uhr, ECCHR, Zossener Straße 55-58,  
Aufgang D, 10961 Berlin

Seit Jahrzehnten verweigern bundesdeutsche Regierungen einem Teil der  
Opfer von NS-Kriegsverbrechen in ehemals von Nazi-Deutschland  
besetzten Ländern Entschädigungsleistungen; Verfahren vor deutschen  
Gerichten blieben ergebnislos. Dagegen hatten zahlreiche Klagen  
griechischer und italienischer NS-Opfer und deren Angehöriger vor  
einheimischen Gerichten Erfolg. Bereits im Jahr 2000 erstritten  
Überlebende und Angehörige eines Massakers deutscher SS-Truppen im  
griechischen Distomo vor dem obersten Gericht Griechenlands (Aeropag)  
ein rechtskräftiges Urteil, demzufolge Deutschland 22 Mio. Euro zu  
zahlen hat. Nachdem eine Vollstreckung dieser Entscheidung in  
Griechenland scheiterte, erklärte der italienische  
Kassationsgerichtshof 2008 die Vollstreckung in Italien für zulässig.  
Parallel dazu entschied der Kassationsgerichtshof auch in Verfahren  
italienischer NS-Opfer, dass diese ihre Ansprüche vor italienischen  
Gerichten geltend machen können.

Vor diesem Hintergrund erhob Deutschland am 23. Dezember 2008 gegen  
Italien Klage vor dem Internationalen Gerichtshof (IGH) in Den Haag  
mit dem Ziel, die Durchsetzung von Entschädigungsansprüchen aus NS- 
Kriegsverbrechen zu vereiteln. Zur Begründung beruft sich die  
Bundesrepublik darauf, dass die italienischen Gerichte den Grundsatz  
der Staatenimmunität verletzt hätten. Dieser schließe es kategorisch  
aus, dass ein Staat vor Gerichten eines Staates verklagt werde. Die  
griechischen und italienischen Gerichte hatten demgegenüber  
festgestellt, dass die Durchsetzung der Menschenrechte vorrangig ist  
und der Grundsatz der Staatenimmunität jedenfalls bei Kriegsverbrechen  
und schweren Menschenrechtsverletzungen keine Geltung hat.

Es ist zu befürchten, dass die zu erwartende Entscheidung des IGH  
nicht nur negative Auswirkungen auf eine Vielzahl von Verfahren nicht  
entschädigter NS-Opfer zeitigen, sondern darüber hinaus in Zukunft die  
Durchsetzbarkeit von Entschädigungsansprüchen nach Kriegsverbrechen  
generell erschweren, wenn nicht vereiteln kann. Zurzeit läuft  
beispielsweise ein Beschwerdeverfahren von Opfern aus dem serbischen  
Dorf Varvarin, das im Mai 1999 von NATO-Streitkräften bombardiert  
wurde, vor dem Bundesverfassungsgericht. Dabei geht es um die  
Durchsetzbarkeit unmittelbarer Ansprüche auf Entschädigung von Opfern  
von Kriegsverbrechen gegen die Bundesrepublik Deutschland.  
Jahrzehntelange internationale Bemühungen, Kriegsverbrechen  
strafrechtlich, aber auch zivilrechtlich zu sanktionieren drohen in  
dem auch über den Fall der NS-Entschädigungen hinaus hochbedeutenden  
IGH-Verfahren konterkariert zu werden.

Der Republikanische Anwältinnen- und Anwälteverein (RAV) und das  
European Center for Constitutional and Human Rights(ECCHR) laden zu  
diesem Thema am 03. Dezember 2009 in den Räumen des ECCHR ab 18 Uhr zu  
einer gemeinsamen Informationsveranstaltung ein. Expertinnen und  
Experten aus der Menschenrechtsarbeit, der Politikwissenschaft, dem  
Völkerrecht sowie der Anwaltschaft diskutieren in zwei Podien die  
Stellung und Durchsetzbarkeit von individuellen  
Entschädigungsansprüchen nach Kriegsverbrechen. Die möglichen  
Konsequenzen des Verfahrens vor dem IGH werden ebenso Gegenstand der  
Veranstaltung sein wie die Entschädigungspolitik Deutschlands nach dem  
Zweiten Weltkrieg.

Wir bitten um Anmeldung unter info at ecchr.eu und freuen uns auf Ihr  
Kommen!

Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein (RAV) & European  
Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR)

Programm

18:00 – 19:30: Entschädigungsansprüche von Opfern in bewaffneten  
Konflikten und deren Durchsetzbarkeit
Völkerrechtliche Individualansprüche im Spannungsverhältnis von Recht  
und Politik (Prof. Dr. Andreas Fischer-Lescano/Universität Bremen)
Die Entwicklung und heutige Bedeutung der Staatenimmunität bei  
schwersten Menschenrechtsverletzungen (Dr. Monika Lüke,  
Generalsekretärin Amnesty International und Beiratsmitglied des  
European Center for Constitutional and Human Rights)

20:00 – 21:30: Entschädigung von NS-Verbrechen
Ein- und Ausschlüsse von NS-Opfern - Grundzüge der deutschen  
Entschädigungspolitik (Dr. Anja Hense)
Der Fall Distomo - Staatenimmunität als Instrument der  
Entschädigungsverweigerung (Martin Klingner, Rechtsanwalt)

Moderation: Carsten Gericke (Rechtsanwalt, RAV)

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Wir würden uns freuen, Sie bei dieser Veranstaltung begrüßen zu dürfen  
und möchten Sie bitten, diese Einladung an weitere interessierte  
Freunde und Bekannte weiterzuleiten. Vielen Dank.

Mit freundlichen Grüßen

Sigrid v. Klinggräff
RAV-Geschäftsstelle

Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein e. V.
Haus der Demokratie und Menschenrechte
Greifswalder Straße 4
10405 Berlin
Tel.: 030-41723555
Fax: 030-41723557
VR 25942 B, Nr. 1, AG Charlottenburg, Bln
Öffnungszeiten: Mo, Di, Do, Fr 09:00 - 15:00
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