[imc-presse] ANWALTSNOTDIENST - LEERE GEFANGENENSAMMELSTELLEN - FRIEDHOFSRUHE AUF DER DEUTSCHEN SEITE

Jens Janssen anwaltsnotdienst.natogipfel at googlemail.com
Fri Apr 3 18:21:31 CEST 2009


Sehr geehrte Damen und Herren,

zunächst einmal eine positive Nachricht aus anwaltlicher Sicht: Die
Gefangenensammelstellen sind leer, die deutschen Gerichte haben die wenigen
ihnen zugewiesenen Verfahren in großer Schnelligkeit abgewickelt.

Im Gegensatz dazu stehen die Berichte der französischen Kolleginnen und
Kollegen des dortigen Anwaltsnotdienstes, die bis in die frühen
Morgenstunden in Haftsachen tätig waren.

Den Organisatoren des Natogipfels auf deutscher Seite - insbesondere den
Planungsstäben des Innenministeriums und der Polizei - ist es gelungen, das
Grundrecht auf Versammlungsfreiheit, Meinungsäußerungsfreiheit und das Recht
auf Freizügigkeit systematisch leerlaufen zu lassen.

Schon im Vorfeld hatte das Innenministerium - ohne tatsächliche Grundlage -
immer wieder erklärt, dass mit 3.000 "gewaltbereiten Störern" und ihnen
gegenüber 15.000 Polizisten zu rechnen sei.

Ausgangspunkt einer Verunmöglichung eines Protestes auf deutscher Seite war
die Weigerung, geeignete Gelände für Camps zur Verfügung zu stellen. Soweit
hier bekannt, hatte das Innenminsterium vorgegeben, keine Camps von mehr als
1.000 Bewohnern und Bewohnerinnen zuzulassen, die Gemeinden - insbesondere
Kehl - hatten im Schulterschluss mit dem Planungsstab unzumutbare
Bedingungen gestellt.

Nur der etwas liberaleren Poltik der Straßburger Stadtverwaltung ist es zu
verdanken, dass das Camp dort angesiedelt werden konnte.

Ein Protest gegen den Natogipfel auf beiden Seiten der Rheins hätte
vorausgesetzt, dass das Recht auf Friezügigkeit uneingeschränkt ausgeübt
werden kann.
Schon die vorübergehenden Wiedereinführung der Grenzkontrollen an den
Binnengrenzen hat präventiv gewirkt. Hinzu kamen Meldeauflagen an den
jeweiligen Heimatorten potentieller Deomonstrantinnen und Demonstranten und
Ausreiseversagungen nach Frankreich unter Hinweis behauptete Gefährdung der
inneren oder äußeren Gefährdung der Belange der Bundesrepublik Deutschland
durch die beabsichtigte Teilnahme an Demonstrationen in Frankreich.

Das Verwaltungsgericht Stuttgart hat dazu in zwischenzeitlich über 30
Verfahren die Ausreiseverbote aufgehoben:

*"Eine Gefährdung der inneren und äußeren Sicherheit durch den Antragsteller
bzw. durch seine - mit dem getroffenen Ausreiseverbot unterbundene -
Ausreise nach Frankreich zu seiner beabsichtigten oder angenommenen
Teilnahme an Demonstrationen im Raum Strasbourg/Frankreich ist nicht
ersichtlich. (...) Anders als "Hooligans", die anlässlich von
internationalen Sportveranstaltungen, namentlich Fußballspielen, als
Deutsche auch unter Verwendung nationaler Symbole im Ausland auftreten,
findet der - auch der gewaltsame - Protest sog. "Gipfel-Gegner" fernab
solcher nationaler Bezüge in einem eher internationalen Rahmen statt."*

Bezeichnenderweise hat die Bundespolizei auch gegen diese Entscheidungen
Rechtsmittel eingelegt, über die der VGH Baden-Württemberg allerdings nicht
mehr zeitgerecht entscheiden wird. Die Betroffenen können deshalb jetzt nach
Frankreich reisen.
*
Grundrechte dienen auch dem Schutz vor einem Einschüchterungseffekt, der zu
Beeinträchtigungen bei ihrer Ausübung führen kann. Die Freiheit, aus eigener
Selbstbestimmung zu planen und zu entscheiden, darf nicht gehemmt werden.
Ein von der Grundrechtsausübung abschreckender Effekt muß vermieden werden
(vgl. Bundesverfassungsgerichtsentscheidung 65, 1, 43; 115, 166, 188 für das
Grundrecht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit).*

Sie erreichen uns via E- Mail
*anwaltsnotdienst.natogipfel at googlemail.com*oder über
0049/1522/6467860



Mit freundlichen Grüßen

Jens Janssen
Rechtsanwalt
für den AND
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