[imc-presse] Pressemitteilung " Sicherheitsstaat am Ende. Kongress zur Zukunft der Bürgerrechte"23. / 24. Mai 2008 - Humboldt-Universität zu Berlin

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Thu May 15 11:53:19 CEST 2008



Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein e. V.
Haus der Demokratie und Menschenrechte
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Tel.: 030-41723555
Fax: 030-41723557
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Inland / Politik / Berlin

Berlin, den 15. Mai 2008

Pressemitteilung

Sicherheitsstaat am Ende.
Kongress zur Zukunft der Bürgerrechte

23. / 24. Mai 2008 - Humboldt-Universität zu Berlin

Die neun Bürgerrechtsorganisatoren, die jährlich den Grundrechte-Report
herausgeben, veranstalten am 23. / 24. Mai einen gemeinsamen Kongress zum
Zustand der Bürgerrechte. Mehr als zwei Dutzend Experten aus Wissenschaft,
Praxis, Medien und Bürgerrechtsbewegung werden in drei Plenarveranstaltungen
und sechs Foren mit dem Publikum über die Entwicklungen der vergangenen
Jahre und mögliche Alternativen diskutieren.

Der Bundestag hat allein in den vergangenen sieben Jahren über 50 Gesetze
verabschiedet, die tief in die Bürgerrechte eingreifen: Von der
Registrierung der Konten- und Reisebewegungen über die Speicherung
biometrischer Daten bis zur Überwachung der Kommunikation. Das so
geschaffene Klima der Angst verhindert eine nüchterne Betrachtung der
vermeintlichen Bedrohungen. Stattdessen wird der Staat mit immer
weitergehenden Machtbefugnissen ausgestattet. Rechtliche Grenzen werden
ausgehöhlt, unterschiedliche Sicherheitsapparate kooperieren, modernste
Überwachungstechnik wird dienstbar gemacht. Der Sicherheitsstaat stellt eine
unkontrollierbare Bedrohung für eine liberale Gesellschaft dar. Für die
Rechte der Bürgerinnen und Bürger ist dort kein Platz.

Der Kongress startet am Freitag Abend mit Eröffnungsvorträgen von Dr.
Heribert Prantl und PD Dr. Reinhard Kreissl. Am Samstag werden in sechs
Foren verschiedene Aspekte der derzeitigen Sicherheitspolitik und deren
Folgen thematisch behandelt. Bei der abschließenden Podiumsdiskussion stehen
unterschiedliche Konzepte zur Diskussion, wie Beschneidungen von
Grundrechten wirksamer verhindert werden können.

Den Aufruf und das vollständige Programm finden Sie im Anhang. Für
Rückfragen stehen wir Ihnen gerne jederzeit zur Verfügung:

Peer Stolle (RAV): 0163 / 682 71 92
Sven Lüders (HU): 030 / 20 45 02 56

Mit freundlichen Grüßen,
Hannes Honecker, Geschäftsführer


Veranstalter: Bundesarbeitskreis Kritischer Juragruppen, Gustav
Heinemann-Initiative, Humanistische Union, Internationale Liga für
Menschenrechte, Komitee für Grundrechte und Demokratie, Neue
Richtervereinigung, Pro Asyl, Republikanischer Anwältinnen- und
Anwälteverein, Vereinigung demokratischer Juristinnen und Juristen.

Sicherheitsstaat am Ende. Kongress zur Zukunft der Bürgerrechte
23. / 24. Mai 2008 - Humboldt-Universität zu Berlin

Die Politik der "Inneren Sicherheit" forciert seit einigen Jahren den Ausbau
staatlicher Befugnisse. Der Bundestag hat allein in den vergangenen sieben
Jahren über 50 Gesetze verabschiedet, die tief in die Bürgerrechte
eingreifen. Sie reichen von der Registrierung der Konten- und
Reisebewegungen über die Speicherung biometrischer Daten bis zur Überwachung
der Kommunikation. Ein Ende dieser Entwicklung ist nicht absehbar; im
Sicherheitsstaat ist kein Platz für die Rechte der Bürgerinnen und Bürger.

Die Begründungen für diese Politik sind beliebig austauschbar. Waren es
gestern "Organisierte Kriminalität", "Ausländerkriminalität" oder
"Jugendgewalt", so wird heute der "Internationale Terrorismus" angeführt,
vor dem nur ein mächtiger Staat schützen könne. Das so geschaffene Klima der
Angst verhindert eine nüchterne Betrachtung der vermeintlichen Bedrohungen.
Stattdessen wird der Staat mit immer weitergehenden Machtbefugnissen
ausgestattet. Rechtliche Grenzen werden ausgehöhlt, unterschiedliche
Sicherheitsapparate kooperieren, modernste Überwachungstechnik wird
dienstbar gemacht. Der Sicherheitsstaat stellt eine unkontrollierbare
Bedrohung für eine liberale Gesellschaft, für die Bürger- und Menschenrechte
dar.

Seit 1997 präsentieren neun deutsche Bürger- und
Menschenrechtsorganisationen jährlich den Grundrechte-Report. Er berichtet
über staatliche Freiheitseinschränkungen und die Entwicklung der von der
Verfassung garantierten Rechte. Die Bilanz fällt ein ums andere Mal negativ
aus - insbesondere im Feld der Inneren Sicherheit. Die Missachtung von
Grundrechten erschöpft sich nicht in Einzelfällen, sie steht im Zusammenhang
mit dem Ausbau staatlicher Überwachung und Kontrolle. Im Rahmen der
Konferenz wollen die Veranstalter diese Entwicklungen der vergangenen Jahre
analysieren. Gleichzeitig sollen konkrete Vorschläge diskutiert werden, wie
Verletzungen der Grundrechte wirksamer verhindert und die Fülle staatlicher
Macht eingeschränkt und kontrolliert werden können.

Die Legitimität des Sicherheitsdenkens hat in den letzten Jahren Risse
bekommen. Diese zu vertiefen, ist das Ziel des Kongresses.


Freitag, 23. Mai 2008

18.00 Uhr Eröffnung (Audimax)

18.30 Uhr
Der Staat und die Bürger(rechte). Zum Stand eines Verhältnisses
Heribert Prantl, Leiter Innenpolitik der Süddeutschen Zeitung, München

19.30 Uhr
Öffentliche Inszenierung von Sicherheitsfragen
PD Dr. Reinhard Kreissl, Institut für Rechts- und Kriminalsoziologie, Wien

anschließend: Diskussion

21.30 Uhr Empfang
Samstag, 24. Mai 2008

9.00 Uhr
Kurzvorstellung der Foren

9.30 Uhr
Foren: Arbeitsschwerpunkte der Bürgerrechtsbewegung

1. Prävention ohne Grenzen (Hauptgebäude, Raum 2014a)

Der Staat weitet seine Eingriffsbefugnisse stetig aus. Überwachung und
Kontrolle finden zunehmend im "Vorfeld" einer Gefahr oder Straftat statt und
betreffen eine immer größer werdende Anzahl von Personen. Damit sollen
Risiken erkannt und gebannt werden, lange bevor tatsächlich etwas passiert.
In dem Forum soll der Frage nachgegangen werden, wie das Konzept der
Prävention konkret aussieht und welche neuen Formen von Überwachung und
Eingriffen damit verbunden sind. Was sind die gesellschaftlichen
Hintergründe der Auflösung rechtsstaatlicher Begrenzungen staatlichen
Handelns? Was sind die gesellschaftlichen Folgen und was können Ansatzpunkte
für eine bürgerrechtliche Intervention sein?
Referenten: Dr. Leon Hempel (Technische Universität Berlin), Prof. Dr.
Norbert Pütter (Institut für Bürgerrechte und Polizei/CILIP), Dr. Fredrik
Roggan (Rechtsanwalt), Tobias Singelnstein (Freie Universität, Berlin)
Moderation: Peer Stolle (Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein)

2. Demonstrationsfreiheit als Gnadenakt? (Hauptgebäude, Raum 2014b)

Nicht zuletzt seit dem G 8-Gipfel haben DemonstrantInnen den Eindruck, die
grundrechtlich verbürgte Versammlungsfreiheit werde nur nach Belieben
polizeilicher Führungsstäbe anerkannt. Demonstrierende Menschen müssen sich
identifizieren lassen, erhalten keinen Zugang zum Versammlungsort oder zu
einer anwaltlichen Vertretung. Welchen Stellenwert haben die liberalen
Grundsätze des Brokdorf-Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts heute
noch? Wie lässt sich ein Missbrauch polizeilicher Befugnisse im Umfeld von
Großdemonstrationen verhindern? Wie kann erreicht werden, dass die Polizei
ihrer lang vernachlässigten Aufgabe nachkommt, die Versammlungsfreiheit zu
schützen?
Referenten: Prof. Dr. Martin Kutscha (FH für Verwaltung und Rechtspflege
Berlin), Michael Plöse (Arbeitskreis kritischer Juristinnen und Juristen)
Moderation: Karen Ullmann (angefr.)

3. Militarisierung der Politik und des Rechts (Juristische Fakultät, Raum
139a)

Mit Hilfe eines missbräuchlich konstruierten Sicherheitsbegriffs werden
zunehmend Art und Umfang der Inlandseinsätze von Polizei und Bundeswehr z.B.
beim G8-Gipfel in Heiligenddamm 2007 definiert. Einsatzszenarien beziehen
militärische Mittel ein und verwischen die verfassungsrechtlich zugewiesene
Aufgabenteilung. Die problematische Wirkung zunehmender Militarisierung
lässt sich an verschiedenen Formen zivil-militärischer Zusammenarbeit
belegen - vom Katastrophenschutz im Inland bis zu Kooperationen bei
Auslandseinsätzen der Bundeswehr.
Referenten: Dr. Ute Finckh-Krämer (Bund für Soziale Verteidigung, Gustav
Heinemann-Initiative), Prof. Dr. Rosemarie Will (Humboldt Universität,
Berlin)
Moderation: Werner Koep-Kerstin (Gustav Heinemann-Initiative)

4. Ökonomische Macht versus Grundrechte (Juristische Fakultät, Raum 140/142)

In Zeiten des Neoliberalismus ist es um die Grundrechte abhängig
Beschäftigter und derjenigen, die von staatlichen Sozialleistungen abhängig
sind, schlecht bestellt. Wesentliche grundrechtliche Freiheiten
(Persönlichkeitsschutz, Datenschutz, Freizügigkeit) wurden für Empfänger von
ALG II faktisch abgeschafft, sie sind gegenüber den Ämtern bereits "gläserne
Menschen". Aber auch die Grundrechte der abhängig Beschäftigten sind
angesichts einer nach wie vor herrschenden Massenarbeitslosigkeit und
zunehmender prekärer Beschäftigungsverhältnisse in den Betrieben in Gefahr.
Inwieweit können Arbeitnehmer noch für ihre Rechte eintreten? Sind
Arbeitgeber überhaupt noch bereit, die kollektiven Interessenvertretungen
(Gewerkschaften, Betriebs- und Personalräte) zu akzeptieren?
Referenten: Dr. Detlef Hensche (Rechtsanwalt), Udo Geiger (Richter am
Sozialgericht, Berlin)
Moderation: Dieter Hummel (Rechtsanwalt)

5. Zweierlei Grundrechtsschutz für MigrantInnen und Deutsche? (Juristische
Fakultät, Raum 144)

Gegenüber Migrant/innen und Flüchtlingen werden die Grundrechte oft
schneller und tiefgreifender als für andere Bürger beschnitten. Sie sehen
sich in vielen Situationen der Gefahr einer Freiheitsentziehung ausgesetzt,
die Möglichkeiten zur Inhaftierung von Asylsuchenden wurden erst im letzten
Jahr wieder ausgeweitet. Auch der Anspruch auf den Schutz ihrer persönlichen
Daten ist für MigrantInnen und Flüchtlinge seit Jahren massiv eingeschränkt.
Die Erfassung biometrischer Daten und zentrale Melderegister für
Asylsuchende wie Visa-AntragstellerInnen sind nur zwei Beispiele dafür, dass
sicherheitspolitische Eingriffe in die Grundrechte von Nichtdeutschen
schnell zum Türöffner werden können und alle BürgerInnen betreffen.
Referenten: Sönke Hilbrans (Rechtsanwalt), Marei Pelzer (Pro Asyl), Dr. Ruth
Weinzierl (Deutsches Institut für Menschenrechte, angefr.)
Moderation: Berenice Böhlo (Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein)

6. Umbau der Sicherheitsarchitektur (Hauptgebäude, Raum 3088)

Seit den 1990er Jahren lässt sich ein massiver Umbau der
Sicherheitsarchitektur in Deutschland beobachten. Kompetenzen werden von den
Ländern auf die Bundesebene verlagert, die Zentralisierung der
Sicherheitspolitik schreitet voran. Die verschiedensten
Sicherheitsinstitutionen tauschen nicht mehr nur Daten aus, ihre
ursprüngliche Aufgabentrennung wird immer mehr verwischt. Sie entziehen sich
damit zunehmend einer rechtsstaatlichen Kontrolle. Das Forum beleuchtet
Aspekte und Hintergründe dieser Entwicklung. In ihm soll diskutiert werden,
wie sich hierdurch die Rolle des Staates ändert und was dies für den
einzelnen Bürger bedeutet.
Referenten: Gabriele Heinecke (Republikanischer Anwältinnen- und
Anwälteverein), Dr. Rolf Gössner (Rechtsanwalt und Publizist, Bremen),
Volker Eick (Freie Universität, Berlin)
Moderation: Prof. Dr. Jörg Arnold (Max-Planck-Institut für ausländisches und
internationales Strafrecht, Freiburg)

13.00 Uhr Mittagspause

14.00 Uhr
Plenum: Diskussion der Forenergebnisse (Audimax)

15.30 Uhr Pause

16.00 Uhr
"Zukunft und Chancen der Bürgerrechte", Podiumsdiskussion mit:

Heiner Busch (Komitee für Grundrechte und Demokratie)
Wolfgang Kaleck (European Center for Constitutional and Human Rights,
Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein)
Constanze Kurz (Chaos Computer Club)
Prof. Dr. Dieter Rucht (Wissenschaftszentrum Berlin)
Fritz Storim
Moderation: Gabriele Gillen (Journalistin, angefr.)
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