[imc-presse] [Fwd: Militarisierung des G8-Gipfels (fwd)]

Anna anna at mail.nadir.org
Sat May 19 13:30:07 CEST 2007


 ---Ursprüngliche Nachricht---
Absender: "Dr. Peter Strutynski" <mailto:peter.strutynski at gmx.de>
Empfänger: "undisclosed-recipients": ;
Betreff: Militarisierung des G8-Gipfels
Datum: 17. May 2007 13:28

Liebe Friedensfreundinnen und -freunde,
zur neuerlichen Verschärfung des Demonstrations(un)rechts in 
Heiligendamm gibt es inzwischen eine Reihe von Pressemitteilungen, die 
alle O.K. sind, aber m.E. nicht weit genug in der Argumentation gehen. 
Ich habe daher nach Absprache mit "Frankfurt" für den Bundesausschuss 
Friedensratschlag nachfolgende Erklärung verschickt, die hoffentlich 
eure Zustimmung findet.
Ich werde sie - zusammen mit den anderen Pressemitteilungen - heute noch 
  auf die Website stellen.
Noch einen schönen Restfeiertag wünscht
euer Peter

Anhang: "Militarisierung des G8-Gipfels

Pressemitteilung
des Bundesausschusses Friedensratschlag

- Ausnahmezustand rund um Heiligendamm
- Grundrechte suspendiert
- Bundeswehreinsatz im Inneren
- Militarisierung der Außenpolitik

Kassel, 17. Mai - Die neuerliche Verschärfung der polizeilichen 
Sicherungsmaßnahmen in und um Heiligendamm wird vom Bundesausschuss 
Friedensratschlag zurückgewiesen und als Versuch gewertet, demokratische 
Rechte zugunsten einer umfassenden Militarisierung der Außenpolitik 
abzubauen.

Die Ausweitung der "Sicherungszone" um Heiligendamm und den Flugplatz 
Rostock-Lage in Verbindung mit der "Allgemeinverfügung" zum Verbot 
jeglicher Demonstrationen innerhalb der ausgewiesenen Zone stellt das 
grundgesetzlich verbürgte Recht auf freie Meinungsäußerung (Art. 5,1 GG) 
und Demonstrationsfreiheit (Art. 8) auf den Kopf. Galt bisher - 
zumindest dem Anspruch nach - der Grundsatz, dass das Versammlungsrecht 
nur ausnahmsweise durch besondere Auflagen eingeschränkt werden dürfe, 
so wird jetzt die Einschränkung bzw. das totale Versammlungsverbot zur 
Regel. Originalton Polizei: "Die Allgemeinverfügung untersagt alle 
öffentlichen Versammlungen und Aufzüge unter freiem Himmel im Zeitraum 
vom 30.05.2007 <callto:052007>, 00:00 Uhr bis 08.06.2007
<callto:08062007>, 24:00 Uhr".

Man stelle sich nur einen Augenblick vor, die Regierung von Belarus 
(Weißrussland) oder der russische Präsident erließen anlässlich 
internationaler Gipfel in ihren Ländern ähnliche restriktive 
Verfügungen. Wir können sicher sein, dass Bundesregierung und EU 
postwendend von "nicht akzeptablen" Einschränkungen der Meinungsfreiheit 
sprechen würden und scharfe diplomatische Noten nach Minsk bzw. Moskau 
schicken würden. Harsche Reaktionen wären auch heraufbeschworen worden, 
wenn Russland oder Belarus Regimekritiker und Gipfelgegner ähnlich rüde 
behandelt hätten, wie das die deutschen Innenbehörden vor 10 Tagen mit 
ihren Polizeirazzien gegen 40 alternative Einrichtungen getan hatten.

Die skandalöse Suspendierung von Grund- und Menschenrechten ist die 
Begleitmusik zu einem Lieblingsprojekt des deutschen Innenministers 
Schäuble: den Einsatz der Bundeswehr im Inneren über den 
Katastrophenschutz hinaus ausweiten zu können. Einen ersten Grundstein 
dazu hatte übrigens schon die rot-grüne Koalition mit den Stimmen der 
CDU/CSU im Februar 2005 gelegt. Damals wurde per Änderung des 
Reservistengesetzes über eine Million ehemalige Soldaten zusätzlich für 
die "Zivil-Militärische Zusammenarbeit ZMZ Inneres", d.h. für den 
Einsatz im Innern bereitgestellt. Vor wenigen Tagen erst schlug Schäuble 
vor, Art. 87 a (Auftrag der Bundeswehr: Landesverteidigung) und Art. 35 
(Amts- und Katastrophenhilfe) des Grundgesetzes dahingehend zu ändern, 
dass der Einsatz der Bundeswehr generell dann angeordnet werden könne, 
wenn die polizeilichen Mittel nicht mehr "ausreichen". Die beiden 
Änderungen sollen "präventive Anti-Terror-Einsätze" der Bundeswehr 
absichern, heißt es dazu aus dem Hause Schäuble. Nachdem 
SPD-Vorsitzender Kurt Beck zumindest einer Änderung des Art. 35 nicht 
mehr ablehnend gegenübersteht (Beck: "Wir werden alles unterstützen, was 
unter Wahrung der Verhältnismäßigkeit der Mittel innere Sicherheit für 
die Menschen gewährleistet", 14. Mai 07), besteht die akute Gefahr, dass 
die Große Koalition per Grundgesetzänderung (wozu sie über die 
notwendige Zweidrittelmehrheit verfügt) ein Kernelement des 
demokratischen Rechtsstaats abschafft: die strikte Trennung der Aufgaben 
von Armee, Polizei und Nachrichtendiensten.

Die Friedensbewegung sieht diese Entwicklung auch deshalb mit großer 
Sorge, weil damit die Bundesregierung nachvollzieht, was die 
US-Administration seit 2001 proklamiert und auf desaströse Weise 
weltweit praktiziert: Der Kampf gegen den Terrorismus wurde zum "Krieg 
gegen den Terror" deklariert und damit in einen rechtsfreien Raum 
verlagert. Wer mit Militär gegen den Terror im Irak, in Afghanistan, in 
Somalia oder sonst wo vorgeht, wird folgerichtig auch gegen Terroristen 
- oder was dafür gehalten wird - im Inneren Militär einsetzen wollen.

Militär im Inneren und Auslandseinsätze der Bundeswehr sind aber nur 
zwei Seiten ein und derselben Medaille. Das eine braucht man als 
Drohgebärde und potenzielle Handhabe gegen Kriegsgegner, Pazifisten und 
die kriegsabstinente Grundstimmung der Bevölkerungsmehrheit in 
Deutschland, um das andere, die weltweiten Militärexpeditionen, 
reibungslos durchführen zu können. Verteidigungsminister Jung und 
Innenminister Schäuble (beide CDU) dürfte ein Umfrageergebnis nicht 
verborgen geblieben sein, das in der Mai-Ausgabe der Zeitschrift 
"Internationale Politik" veröffentlicht wurde. Auf die Frage: "Glauben 
Sie, dass Auslandseinsätze der Bundeswehr dazu beitragen, Deutschland 
besser vor terroristischen Anschlägen zu schützen?", antworteten nur 13 
Prozent mit "Ja"; 84 Prozent sagten "Nein".

Für die Friedensbewegung sind die Proteste anlässlich des G8-Gipfels 
auch ein Zeichen des Widerstands gegen den Kriegskurs der G8 (Russland 
trotz zahlreicher strategischer Differenzen mit der NATO ausdrücklich 
eingeschlossen). Es geht bei den Verhandlungen der größten 
Industriestaaten nicht nur um - weitgehend kosmetische - 
Feinabstimmungen beim Klimaschutz und bei der Entwicklungspolitik. Es 
geht auch um die gegenseitige Versicherung der führenden Staatsmänner 
und einer Frau, das herrschende Produktions-, Technologie-, Handels- und 
Wohlstandsgefälle aufrecht zu erhalten, notfalls (und das wird immer 
mehr der Regelfall) mit Waffengewalt in allen Teilen der Welt.

Der Bundesausschuss Friedensratschlag unterstützt nachdrücklich die 
Proteste gegen den G8-Gipfel und wird sich mit einer friedenspolitischen 
Plattform zahlreicher Friedensinitiativen und -organisationen an den 
Aktionen beteiligen.

Für den Bundesausschuss Friedensratschlag:
Peter Strutynski (Sprecher)

Bei Rückfragen: Tel. 0561-8042314
<callto:05618042314>; mobil: 0160 976 28 972 <callto:016097628972>




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http://keys.indymedia.org/cgi-bin/lookup?op=get&search=ECE49D5C
jabber: anna_too at amessage.info


..after the G8? Looking for Jobs. Talk to me.

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