[imc-presse] eine Presseerklärung der Verteidigung in den aktuellen § 129 a- Verfahren ("militant(e) gruppe (mg)"

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Thu Aug 2 13:15:46 CEST 2007





















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Berlin, den 02.August 2007

Presseerklärung der Verteidigung
in den aktuellen § 129a-Verfahren („militant(e) gruppe (mg)“)


In einem seit 2006 von der Bundesanwaltschaft geführten Verfahren wegen
Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung nach § 129a Abs. 2 Nr. 2
StGB wurden in der Nacht 30./31.07.2007 drei der von uns verteidigten
Beschuldigten wegen des Vorwurfes festgenommen, versucht zu haben,
mindestens drei Lastkraftwagen der Bundeswehr auf dem Gelände der Firma MAN
in Brandenburg in Brand zu setzen. Die drei Beschuldigten waren in der
Tatnacht von der Polizei observiert worden. Am 31.07.2007 fanden bei vier
weiteren Berliner Beschuldigten Hausdurchsuchungen statt, anlässlich derer
ein weiterer  Beschuldigter festgenommen wurde. Der Ermittlungsrichter beim
Bundesgerichtshof erließ am 01.08.2007 Haftbefehle gegen die drei in
Brandenburg sowie den in Berlin Festgenommenen.

Die aktuellen Verfahren, insbesondere die Begründung der Haftbefehle belegen
einmal mehr, wie die Strafverfolgungsbehörden in Deutschland die
Terrorismus-Ausnahmegesetzgebung gegen bestimmte Straftatverdächtige und
Bevölkerungsteile einsetzen, nämlich unverhältnismäßig und ohne
rechtstaatliche Skrupel. Im aktuellen Fall wäre in einem rechtsstaatlichen
Verfahren gegen die drei in Brandenburg Festgenommenen der Tatvorwurf der
versuchten Brandstiftung gem. § 306 StGB erhoben worden. Die unbestraften
und in geordneten sozialen Verhältnissen lebenden Beschuldigten wären
aufgrund fehlender Fluchtgefahr nicht in Untersuchungshaft genommen worden.
Verfehlt erscheint schon, das versuchte In-Brand-Setzen von drei Autos unter
Ausschluss einer Personengefährdung als Terrorismus zu bezeichnen. Immerhin
setzt selbst der weite Straftatbestand des § 129a StGB voraus, dass die
Straftaten bestimmt sind, „durch die Art ihrer Begehung oder ihre
Auswirkungen einen Staat oder eine internationale Organisation erheblich zu
schädigen“.

Die Verteidigung ist aber vor allem über die in den Haftbefehlen ausgeführte
Annahme, die sieben Beschuldigten hätten in einer terroristischen
Vereinigung agiert, empört.

Bezüglich eines der drei in Brandenburg Festgenommenen heißt es, dass obwohl
„keine polizeilichen Erkenntnisse vorliegen“, dies der „Annahme des
Verdachts der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung nicht
entgegen“ stehe. Wie  sich vielmehr „aus den Schriften der militante(n)
Gruppe(mg)“ ergäbe, entspräche dies „damit vielmehr genau den Anforderungen,
die diese Vereinigung an ihre Mitglieder stellt.“ Wie beliebig diese
Begründung ist, wird dadurch belegt, dass einem anderen Beschuldigten
Erkenntnisse aus einem gegen ihn laufenden Ermittlungsverfahren vorgehalten
werden. Die Ermittlungsbehörden gehen aufgrund der durchgeführten
Überwachungsmaßnahmen davon aus, dass es zu Kontakten zwischen einem der
drei in Brandenburg und einem der in Berlin Festgenommenen gekommen ist. Die
einzigen beiden Treffen zwischen diesen Personen sollen konspirativ
vereinbart worden seien. Die Behörden haben keinerlei Erkenntnis darüber,
was bei den Treffen im Februar und am April 2007 überhaupt besprochen worden
sein soll. Es wird jedoch ein sehr weitgehender Schluss aus den angeblichen
Treffen gezogen:

„Dieses konspirative Halten zwischen H und L lässt sich nur dadurch
erklären, dass auch L in die terroristische Vereinigung „militante(n)
Gruppe(mg)“ als Mitglied eingebunden ist und die konspirativ vereinbarten
Treffen im Zusammenhang damit standen.“

Diese zwei konspirativen Treffen sind in der Argumentation der Karlsruher
Strafverfolger nicht nur konstitutiv für den Terrorismusvorwurf, sondern die
einzige Verbindung zwischen den in Brandenburg Festgenommenen und den vier
in Berlin lebenden weiteren Beschuldigten. Die Verdachtsmomente gegen die
vier weiteren Berliner sind an Absurdität kaum zu überbieten. So heißt es
u.a.:

-	„Eine von dem Sozialwissenschaftlicher ... 1998 in der Zeitschrift ..
veröffentlichte wissenschaftliche Abhandlung enthält Schlagwörter und
Phrasen, die in Texten der „militante(n) Gruppe (mg)“ gleichfalls verwendet
werden. Die Häufigkeit der Übereinstimmung ist auffallend und nicht durch
thematische Überschneidungen erklärlich.“
-	„Als promovierter Politologe ist er zum einen intellektuell in der Lage,
die anspruchsvollen Texte der „militante(n) Gruppe (mg)“ zu verfassen, zum
anderen stehen ihm als Mitarbeiter eines Forschungszentrums Bibliotheken zur
Verfügung, die er unauffällig nutzen kann, um die zur Erstellung der
militanten Gruppe erforderlichen Recherchen durchzuführen.“
-	„Für eine Mitgliedschaft in der militanten Gruppe spricht ferner, dass ..
im Juni 2005 in der Zeitschrift 
  in einem Artikel über einen 1972
fehlgeschlagenen Anschlag der terroristischen Vereinigung „RZ“, bei dem ein
Hausmeister zu Tode kam, berichtete und der selbe Anschlag in einem Text der
militanten Gruppe vom Frühjahr 2005 thematisiert wurde.“
-	„Als Promotionsstipendiat verfügt 
, ebenso wie 
  über die
intellektuellen und sachlichen Voraussetzungen, die für das Verfassen der
vergleichsweise anspruchsvollen Texte der militanten Gruppe erforderlich
sind.“

Als weitere Indizien werden stereotyp vielfältige Kontakte eines Teils der
Beschuldigten in die militante linksextremistische Szene von Berlin
behauptet. Einem der in Brandenburg Festgenommenen wird darüber hinaus zur
Last gelegt, dass er bis 1992 in Berlin-Reinickendorf aufgewachsen sei und
daher über die guten Ortskenntnisse verfügt, die die im Zeitraum 2001 bis
heute verübten Anschläge der militanten Gruppe im Ortsteil
Berlin-Reinickendorf und im Wedding erforderlich machten.

Die Erhebung des Terrorismusvorwurfes gegen die sieben Beschuldigten in
diesem neuen § 129a-Verfahren ist höchst spekulativ nicht haltbar. Die
Haftentscheidungen gegen vier der Beschuldigten sind skandalös. Das Vorgehen
der Bundesanwaltschaft und des Ermittlungsrichters beim Bundesgerichtshof
belegen einmal mehr, wie deutsche Strafverfolgungsbehörden mit den
Terrorismus-Sondergesetzen in unverhältnismäßiger und rechtlich haltloser
Weise gegen missliebige Tatverdächtige vorgehen.

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