[imc-presse] [attac-d-presse] Finanzbildung mit parteipolitischer Agenda: Studie kritisiert die Einseitigkeit der Finanzbildungsinitiative der Bundesregierung

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Fri Oct 11 10:57:11 CEST 2024


Pressemitteilung als PDF: https://link.attac.de/pm-finanzbildung

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Pressemitteilung
Attac Deutschland
Frankfurt am Main, 11. Oktober 2024

*
Finanzbildung mit parteipolitischer Agenda*

*/Studie kritisiert die Einseitigkeit der Finanzbildungsinitiative der 
Bundesregierung/*

Das Bundesfinanzministerium (BMF) hat am 7. Oktober einen 
Referentenentwurf veröffentlicht, dem zu Folge die „Initiative 
Finanzielle Bildung“ gesetzlich verankert und mit neun Millionen Euro 
jährlich ausgestattet werden soll. Bundesfinanzminister Christian 
Lindner (FDP) hatte diese Initiative im Frühjahr 2023 gemeinsam mit 
seiner Parteikollegin, Bundesbildungs- und Forschungsministerin Bettina 
Stark-Watzinger, ins Leben gerufen. Die Initiative sollte in 
Zusammenarbeit mit der OECD eine nationale Finanzbildungsstrategie 
entwickeln und Impulse zur Stärkung der finanziellen Bildung in 
Deutschland geben. In Kooperation mit Attac Deutschland hat die Otto 
Brenner Stiftung den Erziehungswissenschaftler Professor Thomas Höhne 
(Helmut-Schmidt-Universität Hamburg) beauftragt, die Initiative der 
Bundesregierung zu untersuchen. Sein Fazit: Die Initiative wird dem 
Anspruch, unabhängige finanzielle Bildung zu fördern, nicht gerecht. Das 
eigentliche Anliegen der FDP-dominierten Initiative scheint vielmehr ein 
parteipolitisches zu sein – es geht darum, möglichst viele Menschen zum 
Investieren an den Finanzmärkten zu bewegen.

Im Zentrum der „Initiative Finanzielle Bildung“ steht die sogenannte 
„Finanzbildungsplattform“ /mitgeldundverstand.de/. Dort sollen 
bestehende Angebote aus dem Bereich der finanziellen Bildung gebündelt 
und ein leichterer Zugang zu diesen ermöglicht werden. Doch die Studie 
zeigt: Nur acht Prozent der insgesamt 449 zur Verfügung gestellten 
Angebote lassen sich als Bildungsmaterial qualifizieren. Hauptsächlich 
werden schon bestehende staatliche Informationsangebote ohne 
didaktisches Konzept präsentiert. Zudem werden zum Teil einseitige 
politische Positionen als Bildungsmaterial deklariert, wie die Analyse 
eines Videos zur Schuldenbremse zeigt.

Der Autor der Studie kommt zu dem zentralen Befund, dass die „Initiative 
Finanzielle Bildung“ eindeutig die parteipolitische Handschrift der FDP 
trägt. So wird die Initiative Top-down durch das Bundesfinanzministerium 
gesteuert. Auch inhaltlich bestehen deutliche Überschneidungen mit der 
wirtschaftspolitischen Agenda der FDP (Stichworte: Aktienrente, 
Generationenkapital, Altersvorsorgedepot). Besonders problematisch: Die 
Initiative ignoriert die Existenz seit Jahrzehnten gewachsener 
zivilgesellschaftlicher Strukturen und ihrer Expertisen im Bereich der 
finanziellen Bildung. Institutionen wie die Verbraucherzentralen oder 
Schuldnerberatungen, die über ein breites Erfahrungswissen und 
umfassende Bildungsangebote verfügen, werden zugunsten kommerzieller und 
lobbyistischer Akteure in den Hintergrund gerückt.

Nach Aussagen der federführenden Ministerien sollen mit der Initiative 
der Bundesregierung insbesondere armutsbetroffene „vulnerable Gruppen“ 
erreicht werden. Mit der Unterstellung, ihnen fehle entscheidendes 
Wissen über Finanzmärkte und Anlageformen, wird die Notwendigkeit 
verstärkter Finanzbildung weiter legitimiert, so Höhne. Gleichzeitig 
bleiben aber die gesellschaftlichen Bedingungen prekärer 
Lebenssituationen als strukturelles politisches Problem ausgeblendet. 
Menschen, die nicht investieren können, wird die Verantwortung für ihre 
Situation tendenziell selbst zugeschrieben.

Dazu sagt der *Autor der Studie, Thomas Höhne*, am heutigen Freitag vor 
Journalist*innen: „Die Finanzbildungsinitiative von BMF und BMBF 
verfolgt primär eine aktivierungspolitische und wirtschaftsliberale 
Zielsetzung: Die Investitionsbereitschaft der Bevölkerung in Aktien soll 
erhöht werden. Dafür wird die Finanzbildung instrumentalisiert, wovon 
die fälschlich als Bildungsplattform deklarierte Webseite 
‚/mitgeldundverstand/‘ zeugt, die kaum Bildungsmaterialien enthält. Mit 
der geplanten Integration privat(wirtschaftlich)er Anbieter ist eine 
Marginalisierung zivilgesellschaftlicher Akteure, wie Schuldnerberatung 
oder Verbraucherorganisationen, zur Finanzbildung zu befürchten. Neben 
‚konservativen Sparer*innen‘ werden ‚vulnerable Gruppen‘ stereotyp als 
spezifische Problem- und Risikogruppen dargestellt, ohne 
sozioökonomische Ungleichheit zu thematisieren.“

*Holger Oppenhäuser, Projektleiter der Studie bei Attac*, betont die 
Einseitigkeit der FDP-Initiative und präsentiert eine alternative 
Bildungsplattform: „In der ökonomischen Bildung dominiert die Neoklassik 
und Lernende werden meist als Verbraucher*innen oder Unternehmer*innen 
angesprochen, nicht als Bürger*innen, die ökonomische Verhältnisse 
gestalten. Bei den frei erhältlichen Materialien überwiegen 
privatwirtschaftliche Angebote – gerade von der Finanzindustrie. All das 
gilt besonders für das engere Feld der Finanzbildung. Dass die FDP das 
fördert, überrascht nicht. Aber es ist dreist, wie hier die eigene 
‚Finfluencer‘-Blase aus Steuermitteln gefördert wird und wie 
parteipolitische Positionen als Bildung verkauft werden. Wir setzen mit 
unserer alternativen Bildungsplattform (geldmitverstand.de) gezielt 
einen Kontrapunkt zur FDP-Plattform und fordern die Regierung auf, den 
FDP-Entwurf im Kabinett zu stoppen. Stattdessen sollte eine plurale 
ökonomische Bildung gefördert werden.“

*Christopher Altgeld, Projektleiter der Studie bei der Otto Brenner 
Stiftung*, ergänzt: „Ob in der Wirtschaftsberichterstattung, der 
Journalismus-Ausbildung oder der Politikberatung: Seit Jahren stellen 
Studien der Otto Brenner Stiftung eine Dominanz wirtschaftsliberaler 
Positionen fest. Auch die ‚Initiative Finanzielle Bildung‘ treibt diese 
Verengung des ökonomischen Diskurses voran. Statt Perspektivenvielfalt 
zu fördern, wird steuerfinanziert der Mythos der politischen Neutralität 
liberaler Finanzbildung verstärkt. Mit der Studie tragen wir zu einer 
breiten öffentlichen Debatte über Sinn und Zweck der Initiative bei. Es 
bedarf größerer Transparenz, eines breiteren Themenangebots und einer 
stärkeren Einbindung zivilgesellschaftlicher Akteure.“

/Thomas Höhne: Finanzbildung als politisches Projekt – Eine kritische 
Analyse der FDP-Initiative zur finanziellen Bildung, OBS-Arbeitspapier 
71, Frankfurt am Main, Oktober 2024/

Die Studie als PDF herunterladen und kostenlos bestellen: 
www.otto-brenner-stiftung.de/finanzbildung-als-fdp-projekt/
Alternative Bildungsplattform: https://www.geldmitverstand.de/
*
Für Rückfragen und Interviews:*

  * Thomas Höhne, hoehne at hsu-hh.de, 030-54591647
  * Holger Oppenhäuser, holger.oppenhaeuser at attac.de, 069/900281-29
  * Christopher Altgeld, Christopher.Altgeld at otto-brenner-stiftung.de,
    069/6693-2500


Weitere Informationen: 
https://www.attac.de/bildungsangebot/bildungsmaterial/bildungsplattform
https://www.otto-brenner-stiftung.de/finanzbildung-als-fdp-projekt/


-- 
Lena Zoll
Pressesprecherin
Attac Deutschland
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Münchener Str. 48, 60329 Frankfurt a.M.
lena.zoll at attac.de
Tel. 0162 3448009
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