[imc-presse] PM: Offener Brief an das CPT zur Klärung der Situation von Abdullah Öcalan mit 95 Unterzeichnern des öffentlichen Lebens aus Deutschland

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Mon Jun 3 08:20:56 CEST 2024


Sehr geehrte Pressevertreter:innen,

der wirkmächtigste politische Gefangene der Gegenwart ist sicherlich 
Abdullah Öcalan. Seit mehr als 25 Jahren wird der Begründer der 
Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) inzwischen in Geiselhaft des türkischen 
Staates gehalten, unter Abschottung von seiner Außenwelt. Den letzten 
Anwaltsbesuch erhielt der auf der Gefängnisinsel Imrali festgehaltene 
Vordenker der kurdischen Befreiungsbewegung 2019, letztmaliger 
Familienbesuch kam 2020 zustande. Ein Jahr später wurde bedingt durch 
eine internationale Protestwelle gegen die Isolation ein Telefongespräch 
zwischen Abdullah Öcalan und seinem Bruder ermöglicht, das allerdings 
nach wenigen Minuten aus unbekannten Gründen unterbrochen wurde. Seitdem 
gibt es kein Lebenszeichen mehr von Öcalan.

Die kurdische Gesellschaft ist in Sorge um Öcalan. Sie betrachtet die 
Isolation auf Imrali als Hauptgrund für das Ausbleiben einer gerechten 
Lösung der Kurdistan-Frage und der Aufrechterhaltung des Krieges. Mit 
der Kampagne „Freiheit für Öcalan und eine politische Lösung der 
kurdischen Frage“ setzen sich Kurdinnen und Kurden und Unterstützende 
seit Oktober weltweit dafür ein, dass sofortiger Zugang zu dem 
75-Jährigen gestattet wird und er unter Bedingungen freikommt, die ihm 
die Teilnahme an einem lösungsorientieren Dialog ermöglichen. In einem 
offenen Brief haben sich nun 95 Personen des öffentlichen Lebens und der 
Politik an das Antifolterkomitee des Europarats (CPT) gewandt. Sie 
fordern dringlich eine Klärung der Lage Öcalans und die Entsendung einer 
Delegation nach Imrali. Wir veröffentlichen den Brief im Wortlaut:

Sehr geehrter Herr Dr. Mitchell,

als Mitglieder eines Zusammenschlusses von Vertreterinnen und Vertretern 
verschiedener Nichtregierungsorganisationen, Gewerkschaften, Parteien, 
Friedens- und Menschenrechtsorganisationen,  Aktivisten,  Akademikern, 
Professoren, Juristen und Journalisten wenden wir uns mit einem 
dringenden Appell an Sie.

Seit 38 Monaten wird der kurdische Repräsentant Abdullah Öcalan, der von 
Millionen von Kurdinnen und Kurden als ihr legitimer politischer 
Vertreter angesehen wird, vom türkischen Staat in einer extremen Form 
von Isolationshaft auf der Gefängnisinsel Imrali festgehalten. Die 
Türkei hat Herrn Öcalan in dieser menschenrechtswidrigen und 
unmenschlichen Isolation „verschwinden lassen“, so als ob er gar nicht 
mehr existiert.

Ihm wird seit mittlerweile über drei Jahren jeglicher Kontakt zur 
Außenwelt, einschließlich seiner Anwälte und seiner Familie, verweigert. 
Über den gesamten Zeitraum hinweg hat die Türkei versucht, die Insel 
Imrali buchstäblich in einen „schwimmenden Sarg“ zu verwandeln. Herr 
Öcalan, der heute 75 Jahre alt ist, wird seit 25 Jahren einer 
Isolationsfolter ausgesetzt, wobei in den letzten drei Jahren keine 
Informationen über seinen Gesundheitszustand nach außen gedrungen sind. 
Derzeit kann nicht einmal sein Aufenthaltsort bestätigt werden. Dabei 
berührt sein Gesundheitszustand viele Kurdinnen und Kurden zutiefst.

Deshalb bitten wir Sie, das CPT, tätig zu werden. Als CPT haben Sie das 
Recht sowie die Verantwortung, sämtliche Haftanstalten der 
Vertragsstaaten der Konvention zu besuchen, also auch die Türkei. Dies 
eröffnet Ihnen die Chance, Ihr Expertenteam nach Imrali zu entsenden, 
wobei die türkische Regierung verpflichtet ist, Ihnen uneingeschränkten 
Zugang zu gewähren. Sie haben die Möglichkeit, das Gefängnis zu 
besuchen, in dem Herr Öcalan inhaftiert ist, und es muss Ihnen erlaubt 
sein, ihn persönlich zu treffen, damit er frei mit Ihnen kommunizieren kann.

Wir ersuchen Sie, das CPT, gemäß Artikel 3 der Satzung des Europarates 
zu handeln, der besagt: „Jedes Mitglied des Europarates erkennt den 
Grundsatz vom Vorrange des Rechts und den Grundsatz an, wonach jeder, 
der seiner Jurisdiktion unterliegt, der Menschenrechte und 
Grundfreiheiten teilhaftig werden soll.“ Herr Öcalan ist Bürger eines 
Mitgliedsstaates des Europarates, der ihm seit zweieinhalb Jahrzehnten 
seine Menschenrechte verweigert und ihm seit drei Jahren das Recht 
verwehrt, seine Anwälte zu treffen und mit seiner Familie zu kommunizieren.

Wir bitten Sie eindringlich, unverzüglich eine Delegation nach Imrali zu 
entsenden, um mit Herrn Öcalan zu sprechen und sich über sein 
Wohlergehen zu informieren. Es wäre äußerst wünschenswert, wenn Sie 
darauf drängen könnten, dass die Türkei Herrn Öcalan endlich das 
grundlegende Recht gewährt, seine Familie und seine Anwälte zu treffen. 
Ein solches Vorgehen ist von entscheidender Bedeutung, um 
sicherzustellen, dass die Türkei ihren Verpflichtungen als Mitglied des 
Europarates in vollem Umfang nachkommt. Dies würde dazu beitragen, ein 
drängendes Menschenrechtsproblem zu lösen und den Sorgen von Millionen 
von Kurdinnen und Kurden gerecht zu werden. Es könnte auch den Geist der 
Versöhnung wiederbeleben, der für eine friedliche Lösung der kurdischen 
Frage in der Türkei notwendig ist.

Wir hoffen sehr, dass Sie dieser Bitte nachkommen.

Hochachtungsvoll

die Unterzeichnenden

 1. Prof. Dr. Alex Demirovic, Goethe-Universität Frankfurt am Main
 2. Andrej Hunko, MdB, Bündnis Sahra Wagenknecht
 3. Anja Flach, Ethnologin und Autorin
 4. Anja Popp, Rechtanwältin
 5. Anja Sommerfeld, Mitglied im Bundesvorstand der Roten Hilfe e.V.
 6. Anna Magdalena Busl, Rechtsanwältin
 7. Barbara Majd Amin, Sprecherin für die Gruppen der
    Friedenskoordination Berlin
 8. Cansu Özdemir, Fraktion DIE LINKE Hamburg
 9. Carolin Kaufmann, Rechsanwältin
10. Prof. Dr. Cengiz Barskanmaz, Hochschule Fulda
11. Christa Blum, Ärztin, Mitglied der Ärztlichen Friedensorganisation IPPNW
12. Prof. Dr. Christine Graebsch, Fachhochschule Dortmund
13. Christine Lüth, Rechtsanwältin
14. Dr. med. Christoph Dembowski, Mitglied der ärztlichen
    Friedensorganisation IPPNW
15. Christoph Klug, Dipl. Psychologe
16. Prof. Dr. Daniel Bendix, Theologische Hochschule Friedensau
17. Dr. Dr. Dario Azzellini, Politikwissenschaftler und Soziologe
18. Dieter Kaltenhäuser, Bündnis Gerechtigkeit zwischen Israelis und
    Palästinenser
19. Elisabeth Kaltenhäuser, Bündnis Gerechtigkeit zwischen Israelis und
    Palästinenser
20. Erika Wieland, Psychologische Psychotherapeutin
21. Erkan Pehlivan, Journalist
22. Ernst Ludwid Iskenius, Arzt, Mitglied der Ärztlichen
    Friedensorganisation IPPNW
23. Fabian Scheidler, Publizist
24. Prof. Dr. Frank Deppe, Politikwissenschaftler
25. Prof. Dr. Frieder Otto Wolf, Freie Universität Berlin
26. Friedrich Roeingh, Journalist
27. Friedrich Vetter, Pfarrer i.R.
28. Gabi Zimmer, ehemaliges Mitglied des Europäischen Parlaments, Die LINKE
29. Gerd Schumann, Autor
30. Gerhard Baisch, Rechtsanwalt, Bremen
31. Prof. a.D. Dr. med. Gerhard Trabert, Verein Armut und Gesundheit in
    Deutschland e.V.
32. Dr. med. Gisela Penteker, Mitglied der Ärztlichen
    Friedensorganisation IPPNW
33. Gökay Akbulut, MdB, Die Linke
34. Prof. Dr. Gregor Büchel, Fachhochschule Köln
35. Dr. Gregor Gysi, MdB, Die Linke
36. Gudrun Weckmann-Lautsch, Rechtsanwältin
37. Harald Klinke, Rechtsanwalt
38. Hartmut Plötz, Ökonom
39. Dr. Helmuth Markov, vormals Abgeordneter/ Landesminister
40. Holdger Platta, Humanistische Union
41. Isaac Gonzales, Vorsitzender von Wir sind da e.V.
42. Joachim Schaller, Rechtsanwalt
43. Johannes Patett, Rechtsanwalt
44. Jörq Heuer, Kulturarbeiter*in, Aktivist*in
45. Dr. Judith Dellheim, Ökonomin
46. Jutta Kausch-Henken, Sprecherin für die Gruppen der
    Friedenskoordination Berlin
47. Prof. Dr. Karin Kulow, Nahostwissenschaftlerin und Konfliktforscherin
48. Kerem Schamberger, Kommunikationswissenschaftler und Autor
49. Konstantin Wecker, Liedermacher, Autor und Komponist
50. Laura Freiin von Wimmerserg, Moderatorin der Berliner
    Friedenskoordination
51. Prof. Dr. jur. Lothar Zechlin, Universität Duisburg-Essen
52. Dr. Lukas Theune, Rechtsanwalt, Geschäftsführer des Republikanischen
    Anwältinnen- und Anwältevereins e.V. (RAV)
53. Marion Böker, Direktorin/Gründerin, Beratung für Menschenrechte &
    Genderfragen
54. Marit Vahjen, Mitglied Menschenrechtsgruppe Türkei der IPPNW
55. Markus Lautenschlager, Pfarrer
56. Matthias Jochheim,Mitglied der Ärztlichen Friedensorganisation IPPNW
57. Prof. Dr. Michael Brie, Philosoph und Sozialwissenschaftler
58. Michael Bouteiller, Bürgermeister Lübeck a.D.
59. Dr. Michael Wilk, Notarzt, Psychotherapeut 
60. Milan Martín, Rechtsanwalt
61. Miriam Frieding, Rechtsanwältin
62. Prof. Dr. Mohssen Massarrat, Politikwissenschaftler und Friedensforscher
63. Monty Schädel, ehemaliger politischer Geschäftsführer der Deutschen
    Friedensgesellschaft-Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK)
64. Dr. Muriel Gonzalez Athenas, Historikerin Universität Innsbruck
65. Dr. Nikolaus Brauns, Historiker und Journalist
66. Nina Treu, Politikwissenschaftlerin und freie Autorin
67. Prof. em. Dr. Norman Paech, Universität Hamburg
68. Prof. Dr. habil. Peter Herrman, Wissenschaftler am Human Rights
    Center, Juristische Fakultät der Central South University, Changsha,
    VR China
69. Prof. Peter Ott, Merz Akademie Stuttgart
70. Dr. phil. Dr. rer. med. Peter Ullrich, Senior Researcher, Technische
    Universität Berlin
71. Peter Vonnahme, Richter am Bayerischen Verwaltungsgerichtshof i. R.
72. Phil Butland, leitende Redakteur, theleftberlin.com
73. Dr. Philipp Zehmisch, Universität Heidelberg
74. Dr. Rainer Werning, Politikwissenschaftler & Publizist
75. Reinhard Hauff, Pfarrer
76. Rita Belter, Rechtsanwältin
77. Roland Meister, Rechtsanwalt
78. Dr. Rolf Gössner, Jurist / Publizist, Kuratoriumsmitglied der
    Internationalen Liga für Menschenrechte
79. Prof. Dr. Rudi Schmidt, Universität Jena
80. Rudolf Bürgel, Präsidium Landesausschuss Die Linke Baden-Württemberg
81. Dr. Stefan Meretz, Mitglied des Commons-Instituts
82. Stephan Kuhn, Rechtsanwalt
83. Susanne Ferschl, MdB Die Linke im Bundestag
84. Thomas Kilpper, Künstler, Berlin und Professor Kunst Universität in
    Bergen
85. Tim Engels, Rechtsanwalt
86. Dr. Torsten Bewernitz, Hochschule Darmstadt, Redaktion „express“
87. Prof. Dr. Udo Mayer, Universität Hamburg
88. Prof. Dr. med. Ulrich Gottstein, Ehrenvorstandsmitglied der
    Ärztlichen Friedensorganisation IPPNW
89. Ulrich Tilgner, Journalist und Sachbuchautor im Ruhestand
90. Prof. Dr. em. Urs Marti-Brander, Universität Zürich
91. Ute Wellstein, Fachärztin für Arbeitsmedizin, Mitglied der
    Ärztlichen Friedensorganisation IPPNW
92. Uwe Friesel, Schriftsteller
93. Prof. Dr. Werner Ruf, Politikwissenschaftler und Friedensforscher
94. Dr. jur. Wolfgang Bittner, Schriftsteller und Publizist
95. Prof. Dr. Dr. h.c. Wolfgang-Fritz Haug, Berliner Institut für
    kritische Theorie

Für weitere Informationen und Rückfragen stehen wir Ihnen gerne zur 
Verfügung.

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