[imc-presse] PM_Massive Kritik des RAV an bayerischem Beschluss, bei der Bezahlkarte für Geflüchtete vorpreschen zu wollen

RAV e.V. gs at rav.de
Fri Nov 24 12:03:05 CET 2023


Sehr geehrte Damen und Herren,

anbei und folgend eine aktuelle Pressemitteilung des RAV zu dem 
Beschluss im bayerischen Kabinett, Bezahlkarten an Geflüchtete auszuteilen.
Die /AG Migrationsrecht Süd im RAV/ kritisiert den bayerischen 
Beschluss*: *Das populistische Vorhaben greift ungerechtfertigt in 
Grundrechte von Geflüchteten ein und ist weder sach- noch zweckgerecht.

Die PM ist auch von der RAV-Webseite abrufbar, hier:
https://www.rav.de/publikationen/mitteilungen/mitteilung/massive-kritik-der-ag-migrationsrecht-sued-des-rav-an-bayerischem-beschluss-bei-der-bezahlkarte-fuer-gefluechtete-vorpreschen-zu-wollen-991 


Wir bitten um Beachtung in und mit Ihren Medien. Vielen Dank dafür.

Für Rückfragen steht Rechtsanwalt Yunus Ziyal zur Verfügung: 
yunus.ziyal at anw-nbg.de oder wenden Sie sich an die RAV-Geschäftsstelle.

Mit freundlichen Grüßen

Sigrid v. Klinggräff
RAV-Geschäftsstelle

********************
Pressemitteilung, 24.11.23
*Massive Kritik der AG Migrationsrecht Süd des RAV an bayerischem 
Beschluss, bei der Bezahlkarte für Geflüchtete vorpreschen zu wollen
**Populistisches Vorhaben greift ungerechtfertigt in Grundrechte von 
Geflüchteten ein und ist weder sach- noch zweckgerecht.*

In der vergangenen Woche beschloss das bayerische Kabinett die 
Einführung einer Bezahlkarte für Geflüchtete. Das Vorhaben sei ein 
Mittel zur Verringerung von "Zuzugsanreizen und der Finanzierung von 
Schlepperkriminalität". Außerdem wolle Bayern Vorreiter sein, die 
Beschlüsse aus dem Bund-Länder-Gipfel Anfang November umzusetzen.

Der RAV betrachtet das Vorhaben als populistische Symbolpolitik und 
kritisiert den erheblichen Eingriff in die Grundrechte der Betroffenen. 
„/Betroffen sei vor allem das Recht auf informationelle 
Selbstbestimmung/“, so Rechtsanwalt Yunus Ziyal von der AG 
Migrationsrecht Süd des RAV, „/Mittels der Datenerhebung über ihre 
Einkäufe kann eine Kontrolle der Migrant*innen stattfinden, was auch die 
Erstellung von Bewegungsprofilen ermöglichen würde./“

Der Rechtsanwalt erklärt weiter: „/Auch drohen erhebliche 
Einschränkungen in der allgemeinen Handlungsfreiheit, wenn die Sperrung 
bestimmter Waren und regionale Beschränkungen erfolgen, und wir 
befürchten schwerwiegende Verletzungen des Datenschutzes unserer 
Mandant*innen, insbesondere bei der übereilten Umsetzung hier in Bayern./“

Zudem ist das Vorhaben weder sach- noch zweckgerecht: In der Erfahrung 
der Migrationsrechtsanwält*innen würden Schleuser*innen in der Regel 
nicht nach der Flucht bezahlt, und die Betroffenen unterstützen ihre 
Verwandten im Ausland meistens erst dann, wenn sie selbst arbeiteten und 
Geld verdienten. Dies sei gleichzeitig ein Hauptanliegen der 
Betroffenen: die Unabhängigkeit von Sozialleistungen.

Zudem gibt es keine seriöse Quelle, die Bargeldauszahlung als Pullfaktor 
für Migration bestätigt. Die Migrationsforschung (*) zweifelt am 
schematischen System der Pull/Push-Faktoren als Erklärung für 
Fluchtentscheidungen und betont stattdessen die Bedeutung 
rechtsstaatlicher Garantien, die hier - zumindest auf dem Papier - für 
Alle gelte.

Die geplante Beschränkung führe schließlich zu Entmündigung der 
Betroffenen auch im Bereich Ernährung, wenn bestimmte - bspw. 
afrikanische - Lebensmittel bayernweit nur in München oder Nürnberg in 
Fachgeschäften erworben werden können, gleichzeitig Geflüchtete oft in 
ländlichen Kommunen untergebracht werden. Wenn Betroffene zudem an jeder 
Kasse als Asylbewerber*innen erkennbar sind, kein Onlinekauf möglich ist 
und "bestimmte Händler" ausgeschlossen sein sollen, resultiert das in 
weiterer Diskriminierung und Stigmatisierung der Betroffenen. Das System 
der Bezahlkarten hieße, dass jenseits großer Händler*innen keine Käufe 
getätigt werden könnten. Betroffen wären u.a. Veranstaltungen wie 
Weihnachtsmärkte oder Schulfeste, Käufe bei Straßenhändler*innen, 
private Käufe von Gebrauchtartikeln, Tickets im ÖPNV oder 
Toilettengebühren. Das Gegenteil von Integration wäre die Folge.

Auch wie Geldzahlungen für die Beschaffung von Personalpapieren aus der 
Heimat erfolgen sollen, die von den Ausländerbehörden regelmäßig 
gefordert werden, oder wie die Menschen ihre rechtliche Vertretung 
finanzieren sollen, ist nicht geklärt. Die überwiegende Zahl der 
asylrechtlichen Mandant*innen kommt für die Gebühren selbst auf; 
Prozesskostenhilfe wird regelmäßig abgelehnt.

*Die massiven Eingriffe in die Rechte auf Handlungsfreiheit, 
informationelle Selbstbestimmung, Datenschutz und Bewegungsfreiheit 
halten die Rechtsanwält*innen vom RAV für ungerechtfertigt. Die 
bayerische Staatsregierung wird aufgefordert, von diesem populistischen 
Schnellschuss Abstand zu nehmen und sich stattdessen auf rechtlich und 
praktisch durchdachte Lösungen zu konzentrieren.*

* Z.B. Oliviero Angeli, wissenschaftlicher Koordinator des Mercator 
Forum Migration und Demokratie (MIDEM) an der Technischen Universität 
Dresden.

*Kontakt*:
Rechtsanwalt Yunus Ziyal, Email: yunus.ziyal at anw-nbg.de
oder Kontakt über die Geschäftsstelle des RAV

---
Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein e. V.
Haus der Demokratie und Menschenrechte
Greifswalder Straße 4 | 10405 Berlin
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