[imc-presse] PM: Irakische Armee greift Şengal an – 3.500 Menschen auf der Flucht
Civaka Azad
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Tue May 3 08:22:07 CEST 2022
*Irakische Armee greift Şengal an – 3.500 Menschen auf der Flucht*
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/Pressemitteilung von Civaka Azad - Kurdisches Zentrum für
Öffentlichkeitsarbeit, 03.05.2022/
Seit Sonntag greift die irakische Armee die ezidische Stadt Şengal
(Sinjar) an. Die Angriffe richten sich gegen die Stellungen des Asayîşa
Êzîdxanê (Sicherheitskräfte der Selbstverwaltung) und der
Widerstandseinheiten Şengals (YBŞ). Mehr als 3500 Menschen sind seit
Beginn der Angriffe bereits geflohen. Dass die irakische Offensive auf
das ezidische Şengal zeitgleich zur türkischen Invasion in Zap und
Avaşîn geschieht, weist auf ein koordiniertes Vorgehen mit der
Erdoğan-Führung hin.
*Seit Wochen vom Irak provozierte Spannungen – deutsche Journalistin
wird festgenommen*
Schon seit Wochen hat der Irak wiederholt seine Truppen in die
Şengal-Region geschickt. Am 18. April, wenige Stunden nach Beginn des
türkischen Angriffskrieges in einem anderen Teil Südkurdistans, kam es
zu einem ersten Gefecht, nachdem irakische Einheiten einen Kontrollpunkt
des Asayîşa Êzîdxanê (Innere Sicherheitskräfte) in der Gemeinde Digurê
attackierten. Unmittelbar danach wurden die beiden westlichen
Journalist:innen Marlene Förster und Matej Kavčič
<https://civaka-azad.org/irakischer-geheimdienst-haelt-deutsche-journalistin-fest/>
von der irakischen Armee unter Terrorverdacht festgenommen und aus
Şengal nach Bagdad verschleppt. In den darauffolgenden Tagen zog Bagdad
massive Truppenkontingente in der Region zusammen.
*Großangriff auf Şengal*
Vergangenen Sonntagabend startete der Irak schließlich einen umfassenden
Angriff auf Şengal. Zunächst wurden in Digurê, Sinunê und Xanesor
Verteidigungspositionen der YBŞ, YJŞ und Asayîşa Êzîdxanê von irakischen
Spezialoperationseinheiten eingekesselt. Den ezidischen Kräften wurde
das Ultimatum gestellt, ihre Stellungen freiwillig zu räumen.
Andernfalls werde man ihnen „auf das Schärfste entgegentreten“. Gestern
eskalierte die Lage dann. Die irakische Armee setzte Panzereinheiten,
schwere Waffen und Kampfhubschrauber gegen die Ezid:innen ein, in Digurê
wurden eine Schule und ein YBŞ-Stützpunkt in Schutt und Asche gelegt.
Bis zum Einbruch der Dunkelheit fanden teils schwere
Auseinandersetzungen statt, auf beiden Seiten gibt es Tote und Verletzte
– offizielle Angaben über ihre Zahl liegen noch nicht vor. Der nördliche
Teil der Kleinstadt Sinunê, die wenige Kilometer vor der
irakisch-syrischen Grenze liegt, sowie einige Orte im Süden Şengals
sollen von irakischen Truppen eingenommen worden sein. Die YBŞ und YJŞ
konzentrierten sich zuletzt auf die Verteidigung ihrer Positionen im
Westen der Region.
*Mehr als 600 Familien nach Dihok geflüchtet*
Am späten Montagabend hatten bereits mehr als 600 Familien, über 3.500
Menschen, nach Angaben des stellvertretenden Gouverneurs von Dihok ihre
Häuser in Şengal verlassen und die Kurdistan-Region erreicht. Viele von
ihnen waren erst in der jüngeren Vergangenheit in ihre Heimat
zurückgekehrt, nach Jahren in Flüchtlingslagern unter verheerenden und
menschenunwürdigen Umständen. Laut den Behörden sollen sie nun wieder in
den Camps im Süden Dihoks untergebracht werden. Einige Dörfer in den
umkämpften Gebieten in Şengal befinden sich allerdings zwischen den
Fronten. In Digurê etwa waren alle Straßen gesperrt, die Bevölkerung
faktisch von der Außenwelt abgeschnitten. Forderungen nach einer
Evakuierung der Bewohnerinnen und Bewohner stießen bei den irakischen
Militärs auf taube Ohren. Auch der Zutritt von außerhalb wurde verweigert.
*Hintergrund der Angriffe: Türkisches Ultimatum an Bagdad?*
Dass die irakische Offensive auf Şengal zeitgleich zur türkischen
Invasion in Zap und Avaşîn geschieht, weist auf ein koordiniertes
Vorgehen mit der Führung in Ankara hin. Der Autonomierat Şengals äußerte
die Vermutung, dass die Türkei dem Irak ein Ultimatum gestellt haben
könnte, die ezidischen Strukturen endlich zu zerschlagen, bevor man die
Dinge selbst in die Hand nimmt. Sowohl die Zentralregierung in Bagdad
als auch die kurdische Regionalregierung in Hewlêr (Erbil) arbeiten mit
dem türkischen Staat darauf hin, ihren über die Köpfe der Bevölkerung
Şengals hinweg geschlossenen Pakt vom Oktober 2020 in die Praxis
umzusetzen. Dieser als „Sindschar-Abkommen“ verbrämte Deal sieht vor,
die Gemeinschaft in Şengal durch die Auflösung ihrer Autonomieverwaltung
und die Entwaffnung ihrer Selbstverteidigungseinheiten auf den Stand von
vor 2014 zurückzuwerfen. Der Vertrag besteht aus einer Reihe von
„sicherheitspolitischen und verwaltungstechnischen Maßnahmen“ und legt
Verantwortlichkeitsbereiche der Behörden fest, wodurch „Stabilität und
Sicherheit“ in Şengal einkehren soll.
Für weitere Rückfragen und Informationen stehen wir gerne zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
Mako Qocgirî
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