[imc-presse] Presseinformation: Offener Brief des RAV mit Appell an die Justizministerien, OLGs, OVGs und das BAMF

RAV e.V. gs at rav.de
Mon Jan 11 12:01:21 CET 2021


Sehr geehrte Damen und Herren,

anbei und hier folgend senden wir Ihnen den heutigen /Offenen Brief/ des
RAV, der sich mit einem Appell an alle Gerichte, die Justizministerien
der Länder und an das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF)
richtet.
*
Auch die Behörden und die Justiz sind in der Pflicht, Maßnahmen zu
ergreifen, um die weitere Ausbreitung des Corona-Virus zu unterbinden
und dementsprechende Maßnahmen zu ergreifen. *

Wir bitten um Veröffentlichung des /Offenen Briefes/ in Ihren Medien.

*Für Rückfragen* stehen Ihnen die Rechtsanwältinnen

Rechtsanwältin Dr. Kati Lang, lang at anwaltskanzlei-lang.de, Tel. 0179.778
60 47 und
Rechtsanwältin Kristin Pietrzyk, kristinpietrzyk at kanzlei-elster.de, Tel.
0170.963 97 06

zur Verfügung. Beide sind Mitglieder im erweiterten Vorstand des RAV.

Der /Offene Brief/ findet sich auch auf der Webseite des RAV, hier
<https://www.rav.de/publikationen/mitteilungen/mitteilung/behoerden-und-die-justiz-sind-in-der-pflicht-massnahmen-zu-ergreifen-um-die-weitere-ausbreitung-des-corona-virus-zu-unterbinden/2203ea4a5e5bf5177429fac71d12bcaa/>.

Mit freundlichen Grüßen

Sigrid v. Klinggräff
RAV-Geschäftsstelle

****

*11. Januar 2021, Offener Brief des Republikanischen Anwältinnen- und
Anwälteverein e.V.*
*
**Dringender Appell des RAV*

Sehr geehrte Justizministerinnen und Justizminister der Bundesländer,
sehr geehrte Präsidentinnen und Präsidenten der Oberlandesgerichte,
Landgerichte, Amtsgerichte sowie Oberverwaltungsgerichte und
Verwaltungsgerichte,
sehr geehrter Herr Präsident des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge,

für den RAV steht aufgrund der derzeitigen Pandemiesituation und vor dem
Hintergrund der in diesem Zusammenhang bisher ergriffenen Maßnahmen fest:
*Auch die Behörden und die Justiz sind in der Pflicht, Maßnahmen zu
ergreifen, um die weitere Ausbreitung des Virus zu unterbinden.*
Die Aufrufe zum gesellschaftlichen Zusammenhalt verlieren ihre
Glaubwürdigkeit, wenn sich die Einschränkungen auf den Privatbereich
fokussieren und nicht auch seitens der Behörden und der Justiz die
erforderlichen Anstrengungen unternommen werden. Vor diesem Hintergrund
hält der RAV u.a. folgende Maßnahmen für unabdingbar:
*
*

  * *Sämtliche nicht eilbedürftigen Gerichtstermine sind unverzüglich
    aufzuheben.*
  * *Das Personalbedarfsberechnungssystem (PEBB§Y) der Justiz ist
    vorübergehend außer Kraft zu setzen und die Situation in den
    Gerichtssälen der Pandemie anzupassen.*
  * *Die Zustellung negativer (Asyl-)Bescheide ist bis zum Ende des
    harten Lockdown auszusetzen.*


*1. Zur Aussetzung aller nicht eilbedürftiger Gerichtstermine*

Viele Gerichtsverhandlungen, die aufschiebbar wären, finden nach wie vor
statt. Selbstverständlich müssen in Haft- und Gewaltschutzsachen, in
Verfahren, die das Kindeswohl betreffen und in dringenden
Betreuungsangelegenheiten auch während des Lockdown
Gerichtsverhandlungen durchgeführt werden, wenn damit keine konkreten
und erheblichen Gesundheitsgefährdungen einhergehen.

Hier in Rede stehen aber zahlreiche Strafverhandlungen, die keine
Haftsachen sind, sowie Verhandlungen in Asylsachen und in anderen
Verfahren, die bereits seit Jahren an den Verwaltungsgerichten anhängig
sind und ohne Probleme verschoben werden können.

Jede Gerichtsverhandlung führt zu einer Steigerung der
Gesundheitsgefährdung der Verfahrensbeteiligten. Zu jedem Gerichtstermin
kommen zahlreiche Verfahrensbeteiligte, oft auch aus unterschiedlichen
Regionen, die alle eine Vielzahl weiterer beruflicher und sozialer
Kontakte pflegen. Gerade solche Zusammenkünfte sollen aber im Sinne des
Pandemieschutzes – soweit möglich – vermieden werden. Aufschiebbare
Termine sind daher aufzuheben und für die Zeit nach dem Lockdown neu zu
terminieren. Selbstverständlich obliegt es jeder Richterin und jedem
Richter, vor dem Hintergrund der richterlichen Unabhängigkeit diese
Entscheidung zu treffen. Allerdings sollte auch seitens der
Justizverwaltung ein verantwortungsvoller Umgang mit der jeweils zu
treffenden verfassungsrechtlichen Abwägung in den Blick genommen werden.

Zu berücksichtigen ist auch: Der Grundsatz, ›/Wir bleiben zu Hause/‹,
steht einer der Öffentlichkeit tatsächlich zugänglichen
Gerichtsverhandlung diametral gegenüber. Dem Großteil der Bevölkerung
dürfte noch nicht einmal bewusst sein, dass der Besuch einer
Gerichtsverhandlung zur Sicherstellung von Öffentlichkeit einen
»triftigen Grund« für das Verlassen der Häuslichkeit darstellt.
*
**2. Zur Aussetzung des Personalberechnungssystems und Situation in den
Gerichtssälen*

Seitens des RAV wird nicht verkannt, dass eine Aufhebung von
Gerichtsterminen im Lockdown zu Einschränkungen bei der Rechtspflege
führt. Einschränkungen betreffen aber eine Vielzahl weiterer relevanter
gesellschaftlicher Bereiche, wie Bildung, Kultur, Religion und
spezifische wirtschaftliche Bereiche, wie etwa die Gastronomie.

Ein etwaig bestehender Erledigungsdruck für die Gerichte kann auch durch
eine Aussetzung des Personalberechnungssystems PEBB§Y genommen werden.

Gerade vor dem Hintergrund, dass sich eine neue, noch ansteckendere
Mutation des Virus herausgebildet hat, sind jetzt alle angehalten, ihren
Beitrag zu leisten, um eine Eindämmung des Virus zu ermöglichen und
damit auch eine Rückkehr zu einer Normalität in Aussicht zu stellen.

Die bisher in den meisten Gerichten ergriffenen Maßnahmen sind für den
Gesundheitsschutz nicht ausreichend. So ist schon die Einhaltung der
Abstandsregeln häufig nicht gewährleistet. In Anbetracht der Tatsache,
dass während der Verhandlung meist vom Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes
abgesehen wird, dürfte auch in größeren Räumlichkeiten ein effektiver
Hygieneschutz nicht gegeben sein. Auch Plexiglasscheiben und -kästen
schaffen nur bedingt Abhilfe. Wenn sie überhaupt vorhanden sind – was in
einer Vielzahl von Gerichten nach wie vor nicht der Fall ist –, sind sie
nach mehreren Seiten offen und es finden häufig Gespräche zwischen den
Verfahrensbeteiligten – bspw. bei Inaugenscheinnahmen – statt, bei denen
die Verfahrensbeteiligten nahe beieinander stehen.

Erschwerend kommt hinzu, dass das Wegerisiko in die Sphäre der
Verfahrensbeteiligten verschoben wird. Denn aus gesetzlicher und/oder
beruflicher Verpflichtung heraus besteht ein Teilnahmezwang an der
Verhandlung.

*3. Zur Zustellung negativer Bescheide*

Darüber hinaus werden nach wie vor Ablehnungsbescheide, auch in
Asylsachen, zugestellt. Während des Lockdown im Frühjahr 2020 hatte das
Bundesamt für Migration und Flüchtlinge die Zustellung negativer
Entscheidungen ausgesetzt. Zu dieser Praxis ist wieder zurückzukehren.

Für die Betroffenen ist derzeit der Zugang zu anwaltlicher Beratung oder
Unterstützung durch unabhängige Beratungsstellen de facto nicht gegeben.
Darüber hinaus ist eine Vielzahl von Unterkünften für Geflüchtete durch
Quarantäneanordnungen abgeriegelt. Den Bewohner*innen wird ein Verlassen
damit verunmöglicht.

Selbst wenn Möglichkeiten bestehen, die Unterkünfte zu verlassen, ist es
aufgrund der pandemiebedingten Zugangsbeschränkungen zu den Kanzleien
nahezu unmöglich, anwaltliche Vertretung zu erreichen. Selbst wenn die
Betroffenen selber Klage erheben wollen, wird ihnen – die häufig in
ländlichen Regionen untergebracht sind – das Wegerisiko unter Benutzung
des ÖPNV zu den Rechtsantragsstellen auferlegt.

Wir fordern daher, die Zustellung negativer Bescheide insbesondere im
Bereich des Asyl- und Migrationsrechts bis zum Ende des Lockdown
einzustellen.

Der RAV schließt sich insofern der Forderung des Deutschen Anwaltvereins
vollumfänglich an, die er in seinem fundierten Vorschlag für eine
›Verordnung zur vorübergehenden Befreiung vom Erfordernis der Nachholung
eines Visumverfahrens‹ dargelegt hat.(1)

*Wir erwarten von den Behörden und der Justiz, dass sie angemessen und
rechtskonform auf die Pandemie reagieren. Wir erneuern daher mit diesem
Appell unsere Forderungen an die Verantwortlichen, die wir bereits im
März 2020 gestellt haben.(2)*

Hochachtungsvoll, Ihr

Dr. Lukas Theune
Rechtsanwalt, Geschäftsführer, im Namen des Vorstandes

(1)
https://anwaltverein.de/de/newsroom/dav-initiativ-sn-91-20-covid-19-vo-visumverfahren?page_n27=2
<https://anwaltverein.de/de/newsroom/dav-initiativ-sn-91-20-covid-19-vo-visumverfahren?page_n27=2>

(2)
https://www.rav.de/publikationen/mitteilungen/mitteilung/corona-pandemie-auch-die-justiz-muss-umgehend-reagieren/49760e148aeeb89bb5a4bd5c52dc3533/
<https://www.rav.de/publikationen/mitteilungen/mitteilung/behoerden-und-die-justiz-sind-in-der-pflicht-massnahmen-zu-ergreifen-um-die-weitere-ausbreitung-des-corona-virus-zu-unterbinden/2203ea4a5e5bf5177429fac71d12bcaa/>

 

----
Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein e. V.
Haus der Demokratie und Menschenrechte
Greifswalder Straße 4 | 10405 Berlin
Tel +49 (0)30 417 235 55 | Fax +49 (0)30 417 235 57
kontakt at rav.de | www.rav.de
Mo - Fr 10-13 h und 14-16 h

Wenn Sie nicht damit einverstanden sind, dass Ihre Kontaktdaten gespeichert werden, teilen Sie dies bitte mit.
If you do not agree to your contact details being stored, please let us know.

-------------- next part --------------
An HTML attachment was scrubbed...
URL: </pipermail/imc-presse/attachments/20210111/4aa7d8d3/attachment-0001.html>
-------------- next part --------------
A non-text attachment was scrubbed...
Name: Offener Brief des RAV mit Appell an die Justizministerien, Gerichte und das BAMF.pdf
Type: application/pdf
Size: 134628 bytes
Desc: not available
URL: </pipermail/imc-presse/attachments/20210111/4aa7d8d3/attachment-0001.pdf>


More information about the imc-presse mailing list