[imc-presse] PM des RAV_KEINE STRAFVERFOLGUNG der Geflüchteten ›EL HIBLU 3‹

RAV e.V. gs at rav.de
Fri Mar 27 10:32:19 CET 2020


Sehr geehrte Damen und Herren,

anbei und hier folgend senden wir Ihnen unsere heutige Pressemitteilung
mit der Bitte um Beachtung und Veröffentlichung in Ihren Medien*:

*KEINE STRAFVERFOLGUNG der Geflüchteten ›/EL HIBLU 3/‹
Malta muss europäisches und internationales Recht beachten und anwenden.

Die PM ist auch von unserer Webseite aufrufbar - Sie finden sie *hier*
<https://www.rav.de/publikationen/mitteilungen/mitteilung/keine-strafverfolgung-der-gefluechteten-el-hiblu-3/cba57eb5c43cf0ad516912aede91f5b2/>.

Mit freundlichen Grüßen

Sigrid v. Klinggräff
RAV-Geschäftsstelle

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*KEINE STRAFVERFOLGUNG der Geflüchteten ›EL HIBLU 3‹**
**Malta muss europäisches und internationales Recht beachten und anwenden*

In der Nacht vom 25. auf den 26. März 2019 verließ ein Gummiboot Libyen
mit etwa 114 Personen an Bord, darunter 20 Frauen und mindestens 15
Kinder. Es geriet in schwere Seenot und wurde von dem Öltanker/El Hiblu
1/ gerettet. Als die betroffenen Menschen bemerkten, dass sie zurück
nach Libyen verfrachtet werden, begannen Szenen der Verzweiflung und
Panik. Sie machten deutlich, dass dies für sie den Tod bedeuten würde.
Nach von /Amnesty International /gesammelten Informationen haben die
Geretteten zu keinem Zeitpunkt gewaltsame Aktivitäten gegen den Kapitän
oder Crewmitglieder unternommen. Die verantwortlichen
Besatzungsmitglieder der/El Hiblu 1/ beschlossen, das Schiff in Richtung
Malta zu steuern. Das maltesische Militär eskortierte das Schiff nach
Malta, wo die Passagiere am 28. März 2019 von Bord gingen.

Drei der geretteten Menschen – zwei Minderjährige (damals 15 und 16
Jahre alt) sowie ein 19-Jähriger – wurden sofort verhaftet und
anschließend für acht Monate inhaftiert. Sie wurden Ende November 2019
gegen Kaution freigelassen und sind unter dem Namen ›/El Hiblu 3/‹ bekannt.

Die maltesischen Behörden ermitteln gegen sie wegen einer Reihe schwerer
Vergehen, darunter der Vorwurf des Terrorismus und der Piraterie. Einige
dieser Straftaten können mit lebenslanger Haftstrafe geahndet werden.
Die formelle Anklage gegen die Jugendlichen ist noch nicht erhoben.

»/Bereits jetzt ist zu beobachten, dass etliche europäische und
internationale Rechtsordnungen nicht beachtet werden/«, so die Berliner
Rechtsanwältin und RAV-Vorstandsmitglied Berenice Böhlo. »/Daher ruft
der RAV die maltesischen Behörden auf, europäisches und internationales
Recht bei der Entscheidung über die Strafverfolgung ohne jede
Einschränkung zu beachten und anzuwenden/«.

*Hintergrund
*
Libyen –willkürliche Tötungen und Inhaftierungen, Folter und
unmenschliche Haftbedingungen und unvorstellbar grausame Bedingungen in
Flüchtlingslagern. Alarmierende Raten von Unterernährung, sexueller und
geschlechtsspezifischer Gewalt einschließlich Gruppenvergewaltigung,
Sklaverei, Zwangsarbeit und Erpressung werden übereinstimmend durch
Berichte europäischer Stellen und der Vereinten Nationen dokumentiert.
Diejenigen Menschen, die bei einem Fluchtversuch auf dem Seeweg
aufgegriffen und zurück nach Libyen gebracht werden, werden direkt
wieder in das Muster der Verletzungen und Misshandlungen zurückgeführt,
dem sie entkommen waren.

Es besteht internationale Einigkeit darüber, dass Libyen keinen
›sicheren Ort‹ (/place of safety)/ im Sinne internationaler und
europäischer Rechtsordnungen darstellt. Menschen, welche aus Seenot
gerettet wurden, müssen jedoch sowohl durch die die Rettung
koordinierenden staatlichen Stellen als auch durch die die Rettung
durchführenden Schiffe an einen Ort gebracht werden, welcher für sie als
›sicherer Ort‹ gilt.

Darüber hinaus sind die EU-Mitgliedstaaten verpflichtet, die Genfer
Flüchtlingskonvention (Prinzip des /Non-Refoulement/) und die
Europäische Menschenrechtskonvention einhalten: der Schutz vor Folter
und unmenschlicher und erniedrigender Behandlung ist ein absolutes
Recht, welches unter keinen Umständen einschränkbar ist. Hierzu gehört
auch, sich nicht zum Mittäter zu machen, indem
Menschenrechtsverletzungen durch Verbringung von Menschen in die
Herrschaftssphäre Libyens erst ermöglicht werden.

Trotzdem werden Geflüchtete, welche diese Menschenrechtsverletzungen in
Libyen überlebt haben und geflüchtet sind, immer wieder durch
rechtswidrige Kooperationen mit Libyen und Anweisungen europäischer
Stellen an die Crew von Rettungsschiffen, in diese Hölle der libyschen
Flüchtlingslager zurücktransportiert, wenn sie bei ihrer Flucht über das
Meer in Seenot geraten und durch hinzueilende Schiffe gerettet werden
können.

*Der RAV appelliert an die maltesischen Behörden und die Justiz,*

- alle Verpflichtungen, die sich aus dem internationalen und
europäischen Recht, den Menschenrechten und dem Flüchtlingsrecht
ergeben, sowie die Verpflichtungen aus der UN-Konvention über die Rechte
des Kindes vollständig umzusetzen;

- rechtfertigende Gründe für Handlungen zu beachten, die sich gegen
rechtswidrige Befehle und Akte richten, durch die die Betreffenden
unausweichlich der Folter, Vergewaltigung, Sklaverei und anderer
grausamer und unmenschlicher Behandlung ausgesetzt werden,

- sicherzustellen, dass die Garantien des Rechts auf ein faires
Verfahren in vollem Umfang eingehalten werden;

- sicherzustellen, dass die Angeklagten angemessenen Zugang zum Recht
auf Verteidigung ohne jegliche Einschränkung erhalten;

- anzuerkennen, dass es sich bei den Angeklagten um schutzbedürftige
Minderjährige mit besonderen Bedürfnissen handelt, die erfüllt werden
müssen sowie alle Verpflichtungen, die sich aus dem UN-Übereinkommen
über die Rechte des Kindes in dieser Hinsicht ergeben, umzusetzen;

- jede Art der Zusammenarbeit mit Libyen im Bereich der Migration und
Seenotrettung einzustellen und die Achtung der Rechte von Geflüchteten
und Migranten im Land zu gewährleisten.

Wir empfehlen nachdrücklich die Einrichtung einer unabhängigen
Prozessbeobachtung bezüglich des Strafverfahrens gegen die ›El Hiblu 3‹.
Wir rufen die demokratische Gesellschaft auf, den Prozess gegen diese
Jugendlichen zu beobachten und sich für ihre Zukunft in Freiheit
einzusetzen.

Weitere Informationen zur Kampagne für die Freiheit der ›/El Hiblu 3/‹:
elhiblu3.info
free-elhiblu3.info<http://free-elhiblu3.info/>

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Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein e. V.
Haus der Demokratie und Menschenrechte
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